Jung, hip, lässig, ehrgeizig – so könnte man die urbane Start-up-Kultur beschreiben, die sich in den letzten Jahren in Berlin, Hamburg oder Köln herausgebildet hat. Diese schöne, inzwischen schon nicht mehr ganz so neue Arbeitswelt ist chancenträchtig für Young Professionals, die etwas erreichen wollen. Hinter ihr verbirgt sich aber oft auch die Schattenseite einer hip getarnten Prekarität. Daher ist eine Ethik gefragt, die jungen Unternehmern den Sinn über Profit und Prestige hinaus weitet.
Start-ups wollen abstarten: Mit einer idealerweise innovativen Geschäftsidee und einem schwindelerregenden Batzen Risikokapital ausgestattete Gründer trachten danach, im Geiste des amerikanischen Silicon Valley möglichst schnell in die Gewinnzone vorzudringen. Ihr frisches Unternehmen soll wachsen und gedeihen – der Unternehmenswert sich rasch vervielfachen.
Gewinnorientierung ist nicht unethisch
Und warum auch nicht? Die Gesellschaft braucht Gründer, braucht unternehmenslustige Verantwortungsträger. Als Unternehmer aus Eigennutz Profit zu erzielen, ist zugleich ethisch und sozial – so das Credo des verstorbenen, stramm liberalen Ökonomen Milton Friedman und seiner Anhänger. Social Entrepreneurship funktioniert demnach nur mit Gewinnorientierung als dem der Marktwirtschaft angemessenen Leitmotiv. Es spornt Unternehmer dazu an, Kundenwünsche zu erfüllen, Innovation voranzutreiben und damit Markt und Menschen mit guten Gütern und Dienstleistungen zu beglücken. Profitorientierung per se als unethisch zu verdammen, bedeutet nichts weniger als den wettbewerblichen Motor der Sozialen Marktwirtschaft und seine Wohlstandsproduktion gefährlich zum Stottern zu bringen. Gerade in Zeiten einer neuen Weltwirtschaftskrise durch Corona ist das fehl am Platze.
Doch reicht das? Wertschätzung Wohlstand schaffenden Unternehmergeistes ist wichtig. Nur zu oft bleibt Entrepreneurs die Liebe von Medien und Gesellschaft wegen einseitiger Zerrbilder versagt. Unternehmer und Gründer ebenfalls zu sozialer und ökologischer Verantwortung zu ermahnen, ist jedoch nicht minder wichtig. Zuckerbrot und Peitsche also? Manchmal muss die Schwippe in der Tat gezückt werden: Eine besonders dunkle Kehrseite der Start-up-Szene sind etwa die extremen Leistungserwartungen an junge, selbstausbeuterische Mitarbeiter bei minimalem Gehalt. Das Ganze wird getarnt durch eine freizeitig-kumpelhafte Lässigkeitskultur auf Basis eines überbetonten Wir-Gefühls am klischeehaften Kickertisch. So werden junge Mitarbeiter früh desillusioniert und schlimmstenfalls in den Burn-out getrieben. Hier zeigt sich die mangelnde Sozialverträglichkeit einer geschmeidig getarnten Fixierung auf den „Exit“: den gewinnträchtigen Ausstieg von Investoren oder Gründern aus dem Start-up. Man muss aber weder heuchlerischer Wolf im Schafspelz noch bekennend skrupelloses Schwein sein, um unternehmerischen Erfolg zu haben. Und selbstverständlich gibt es auch die Vorbildlichen unter den abstartenden Arbeitgebern.
Die Gefahr, „totaler Unternehmer“ zu werden
Die dunkle Seite der Start-up-Welt aber kann tiefere Ursachen haben. Schon der katholische Kardinal und Sozialethiker Joseph Höffner etwa warnte ganz grundsätzlich vor dem „totalen Unternehmer“, der dem Gewinn-Götzen alles andere unterordnet. Gerade für junge Gründer mit ihren 80 plus x Wochenstunden Arbeitseifer im Dienste ihrer eigenen Firma ist das eine beständige Versuchung. Ihr zu widerstehen und dabei trotzdem profitabel sein, geht aber nicht ohne ethische Orientierung. Das erkennt man dank des Wirtschaftsethikbooms nach der Finanzkrise in immer mehr CEO-Büros – auch der Start-ups. „Business Ethics“ heißt der passende, aus den USA stammende Trend einer mondänen Moral, wie sie seither in hochpreisigen Managerseminaren gelehrt und in schicken Ethikkodizes festgeschrieben wird. Doch reicht das?
Erfolg – Selbstbestimmung – Sinn
Es gibt quasireligiöse Managementratgeber, die eine Verberuflichung der Sinnstiftung als eine Art neuen Geist des Kapitalismus propagieren. Oft wird dieser Ansatz zudem durch Achtsamkeits- und Meditationsaufrufe minimalspirituell flankiert. Ein wirklich umfassender, verlässlich tragender Sinnhorizont gerät damit aber in der Regel nicht ins Visier. Einen solchen brauchen Unternehmer jedoch, um bei Arbeit und Erfolgsstreben das rechte Maß walten zu lassen, um Abstand zu gewinnen und möglichst ganzheitlich nach dem guten Leben für sich, ihre Mitarbeiter und ihre Angehörigen zu streben. Das Gute zu suchen, obliegt in Zeiten der Postmoderne Gott sei Dank dem Einzelnen und seiner freien, nur von den Gesetzen und den Grundrechten anderer beschränkten Selbstbestimmung. Die amerikanische Verfassung etwa garantiert dieses subjektive Streben nach Glück, „the pursuit of happiness“, ganz ausdrücklich. Im „American Dream“ vom Tellerwäscher, der Millionär wird, drückt sich aus, wir sehr in den USA wirtschaftlicher Erfolg und gutes, glückliches Leben miteinander verbunden werden – nicht allein im Silicon Valley.
Gut wirtschaften und gut leben im christlichen Sinnhorizont
Soll es aber nicht lieber doch ein umfassenderer Sinnhorizont sein, der verdeutlicht, dass es mit den Dingen dieser Welt im Ersten und im Letzten nicht abgetan ist? Gemäß der christlichen Hoffnungsperspektive findet der Mensch allein in Gott sein wahres Glück. Christliche Lebenskunst kann in diesem Sinne als eine auf Gottvertrauen gründende Selbstverwirklichung im Alltag verstanden werden. Es ist ein lebenslanges, meist von Aufs und Abs geprägtes Einüben in das gute Leben bzw. vielmehr in das biblisch verheißene Leben in Fülle (vgl. Joh 10,10). Geborgenheit im Letzten zu erfahren, kann zu mehr Gelassenheit im Vorletzten verhelfen. Alles Wirtschaften und Gewinnstreben, so notwendig, so wichtig, so gut es auch sein mag, ist aus dieser Perspektive auf Gott und das Unverfügbare hin zu relativieren. Gegen Kapitalismus als Religionsersatz hilft eben nur das Original.
Damit junge Unternehmer ein entsprechendes Ethos auch praktisch entfalten und dem Evangelium im Geschäftsalltag treu bleiben können, ist religiös-ethische Bildung essenziell. Ein besonderes Beispiel für die Vermittlung christlich fundierter Business Ethics an die Generation Y und Z ist das Erasmus-Projekt „Youth for Entrepreneurship and Business Ethics“ (YEBE). Dieses von der EU geförderte und vom Bund Katholischer Unternehmer (BKU) koordinierte, inzwischen abgeschlossene Projekt hat ein Trainingsprogramm zur Förderung ethischer Führungskompetenzen in engem Bezug zur ordnungsethischen Idee der Sozialen Marktwirtschaft entwickelt. Wo das traditionelle wirtschaftsmoralische Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ bzw. der „ehrenbaren Kaufleute“ jungen Menschen als zu altmodisch erscheint, bietet der im Rahmen von YEBE entwickelte „Code of Business Ethics“ überdies ein jugendgerechtes Leitbild verantwortlichen Handelns in der Wirtschaft. Die jungen Teilnehmenden haben es zumal selbst kreiert. Nicht zuletzt ist die Orientierung an einem klaren ethischen Kompass auch eine Frage der Reputation und damit einer christlichen Unternehmeridentität, der Integrität bescheinigt werden kann. Und die ist wiederum sicherlich nicht schlecht fürs Geschäft.
[…] Ein Beitrag im Online-Magazin f1rstlife vom 26.08.2020. […]