Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und die Kinder aus Bullerbü kennt sicherlich jeder aus seiner Kindheit. Geschichten von Mut und Freiheit, Rebellion und Angst hat Astrid Lindgren mit ihren Kinderbüchern gezeichnet. Über das Leben der Autorin ist in der breiten Öffentlichkeit allerdings kaum etwas bekannt. Dass hinter den fröhlichen und zuversichtlichen Kinderbüchern eine dunkle Lebenswirklichkeit in Krieg und Asche steckt, ist den wenigsten Menschen bekannt.
Während in den europäischen Ländern längst der Krieg ausgebrochen ist, verhält sich Schweden politisch neutral. Einzig aus Radio und Zeitung weiß man von den Kriegsgeschehnissen und deren Opfern. Hier kann Astrid Lindgren von außen die Ereignisse betrachten, die sich weltweit abspielen. Auch wenn das Land selber nicht vom Krieg betroffen ist, so hat Lindgren dennoch Angst um ihre Familie. Mit ihrem Mann und den zwei Kindern wohnt sie in einer kleinen Wohnung in Stockholm. Schon früh ahnt sie von der Existenz diverser Konzentrationslager und dem immensen Ausmaß des Krieges.
Angst und Sorge in Kriegszeiten
Es werden Kriegsvorräte gekauft. Immer mehr Männer werden einberufen, in den Krieg zu ziehen. Jeden Tag bangt Lindgren um ihren Mann. Und sie sorgt sich um ihre Kinder. Für ihre Tochter Karin erfindet sie am Krankenbett die Figur und Geschichte von Pippi Langstrumpf, einem mutigen jungen Mädchen, das sich von keiner autoritären Person etwas sagen lässt. Sie lebt zusammen mit ihrem Pferd, Kleiner Onkel, und ihrem Affen, Herrn Nielson, in der Villa Kunterbunt und erlebt dort so manches Abenteuer. Als Astrid Lindgren sich im März 1944 den Fuß bricht und das Bett hüten muss, schreibt sie die Geschichte auf. Aus dem Geburtstagsgeschenk für die Tochter wird schon bald ein Bestseller.
Dass sie mit diesen Geschichten wohl einmal die bekannteste Kinderbuchautorin werden würde, hätte die zweifache Mutter vermutlich nicht gedacht. Astrid Lindgrens Talent für das Schreiben zeigte sich allerdings schon im frühen Jugendalter. Als sie 18 Jahre alt war, bot der Chefredakteur der lokalen Ortszeitung „Vimmerby Tidning“ Lindgren an, als Volontärin für die Zeitung zu arbeiten. Über sich selber sagte sie oft: „Am glücklichsten bin ich, wenn ich schreibe.“ Doch zur gleichen Zeit wurde sie schwanger.
Von der unbeschwerten Kindheit hin zur Ehekrise
Da sie es ablehnte, den Vater des Kindes – den Chefredakteur der Zeitung – zu heiraten, zog sie nach Stockholm. Hier absolvierte sie eine Ausbildung zur Sekretärin und konnte ihren Sohn Lars heimlich zur Welt bringen. Denn mit gerade einmal 18 Jahren ein uneheliches Kind zu gebären, stellte zur damaligen Zeit einen Skandal dar. Vorerst musste sie ihren Sohn dann auch einer Pflegefamilie übergeben, da sie selbst noch in der Ausbildung war. Als sie später mit ihrem Mann Sture zusammenzog, nahm sie Lars zu sich. Acht Jahre später bekamen sie dann ihre gemeinsame Tochter Karin. Aber auch ihr Eheleben erlebte Höhen und Tiefen, spätestens dann, als ihr Mann begann, unter Alkoholproblemen zu leiden und sich zwischenzeitlich in eine andere Frau verliebte.
In ihren Büchern schwelgt sie oft in Erinnerungen an ihre unbeschwerte Kindheit. Diese erscheint oft wie ein Märchen: Mit ihren Eltern und Geschwistern wohnte sie auf einem Bauernhof in einem kleinen schwedischen Dorf. In einem roten Backsteinhaus, das von vielen Apfelbäumen umgeben war, wuchs die Schriftstellerin auf. Die Schule war gerade einmal eine Viertelstunde von ihrem Elternhaus entfernt. Zusammen mit ihren drei Geschwistern und den Nachbarskindern der Umgebung verlebte sie eine glückliche Kindheit. Dieses Freiheits- und Gemeinschaftsgefühl beschreibt sie in vielen ihrer Erzählungen. So beispielsweise in dem Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“.
Verarbeitung von Problemen in ihren Büchern
Ihre Geschichten handeln von Freundschaft, Liebe und Freiheit. Wenngleich auch ihre Geschichten vor Lebensfreude und Fantasie nur so trotzen, so setzt sich die Autorin doch auch immer wieder mit Problemen auseinander. Das beginnt schon mit dem Prozess des Loslassens und des Abnabelns von den eigenen Eltern in „Ronja Räubertochter“ oder der Kluft zwischen Arm und Reich in „Madita“. Zum Teil sind es aber auch viel schwierigere Themen wie beispielsweise der Umgang mit dem Tod, den sie in den „Brüdern Löwenherz“ verarbeitet. Zum Teil lassen sich hierbei vermutlich auch Parallelen zu ihren eigenen Problemen ziehen.
Vor 15 Jahren starb Astrid Lindgren in ihrer Wohnung in Stockholm. Doch ihre Figuren sind lebendiger denn je und werden von Generation zu Generation weitergetragen. Die Schriftstellerin zeigt mit ihren Geschichten, was es bedeutet, auch als Erwachsener das Kind-sein nie vollends zu verlernen.
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