Unsere Gesellschaft ist einsam, gespalten und steht noch dazu im Angesicht einer lebensbedrohlichen Klimakatastrophe. Das Schlimme daran? Wir selbst sind daran schuld.
Machen wir uns nichts vor: Unsere Zukunft sieht nach derzeitigem Stand nicht sonderlich rosig aus. Wenn wir nicht lernen, einander zuzuhören, werden die Gräben innerhalb unserer Gesellschaft selbst mit Anlauf nicht mehr überwindbar sein. Wenn wir nicht endlich aufhören, Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre zu schießen, werden wir nur noch dabei zusehen können, wie sich der große Knall uns nähert. Wenn wir unser gesamtes System nicht an die Herausforderungen dieses Jahrhunderts anpassen, wird unser soziales Sicherheitsnetz reißen und uns mit sich in die Tiefe stürzen. Wir¹ schaffen uns selbst ab und das lässt sich nicht leugnen.
Es gibt Augenblicke, in denen ich mich sogar frage, ob es für diesen Planeten nicht besser wäre, wenn es unsere Spezies nicht mehr gäbe? Vielleicht schon. Es möchte nur kein Mensch davon hören. Genau darin liegt unser Problem. Eigentlich wissen wir, was richtig und gut für uns ist. Gleichzeitig sind wir wie kleine Kinder, die nicht auf diese Stimme der Vernunft hören möchten. Wir beharren auf unseren Überzeugungen – und das nur, weil wir denken, noch mehr von viel könnte uns irgendwie zufriedenstellen. Stattdessen sorgen wir in marginalisierten Räumen für Leid, zerstören unsere Lebensgrundlagen und entziehen uns jeglicher Quelle natürlichen Glücks.
Das „Selbst“ als unser einziger Wegweiser
Wenn mich Menschen nach meinem Lebensentwurf fragen, fällt es mir schwer, ein Bild von Eigenheim, Kindern und einem sicheren Job zu zeichnen. Was ich auf der Leinwand sehe, ist ein sich verstärkender Rechtsextremismus, Ernährungskrisen und Verteilungskriege. Eine stabile Rente? Lustig! Wieso sollte ich überhaupt Kinder in eine Welt setzen, die wahrlich keine positiven Aussichten zu präsentieren hat? Diese Welt ist eine Aneinanderreihung von Krisen. Wirklich lebenswert scheinen mir die Umstände mit der fehlenden Problemlösungsfähigkeit unserer Politiker*innen auf lange Sicht nicht.
Für eine kollektive Auseinandersetzung damit haben wir aber keine Zeit. Von morgens bis abends verlangen wir Höchstleistungen nicht nur von unseren Mitmenschen, sondern auch von uns selbst. Das „Selbst“ ist unser einziger Wegweiser – besonders für die, die die Strippen der Gesellschaft ziehen. Das einzige Ziel ist ihr eigener Vorteil. Egomanie. Was auch sonst? Profit ist natürlich wichtiger als der Schutz vor Ausbeutung, Ölkatastrophen und der Verlust unserer Artenvielfalt. Wieso hinterfrage ich das überhaupt?
Sind wir wirklich so intelligent?
Als wäre das alles nicht schon genug, verlieren wir uns zusätzlich noch in einer neuen Einsamkeit², verstecken uns hinter dem leuchtenden Bildschirm, der unser Leben bestimmt und vergessen, was es bedeutet, empathisch zu sein. Gleichzeitig wird die Wissenschaft zu einer Meinung, die wir verformen, bis sie in unser Weltbild passt und sich in sozialen Netzwerken gut vermarkten lässt. Haben wir es tatsächlich verdient, uns als intelligente Spezies zu verstehen oder wird uns diese Intelligenz nun einfach zum Verhängnis? Aber gut, wenn sich eine Spezies eigenständig als intelligent bezeichnet, kann’s eigentlich nur schiefgehen.
Der Mensch beherrscht viele Fähigkeiten. Wir verfügen über die Technologien, um uns fremde Planeten zu erforschen. Wir entwickeln unsere Medizin fast bis zur Unsterblichkeit weiter. Wir beherrschen aber auch die Kunst, existenzielle Fragen beiseite zu schieben. Es ist ein bewusstes Verdrängen, kein absichtsloses Vergessen. Psychologisch betrachtet ist dies erstmal ein nachvollziehbarer Abwehrmechanismus. Keinem Menschen gefällt die Vorstellung von einer ausbleibenden staatlichen Altersvorsorge, Hungersnot und intensivierender Extremwetter-Ereignisse. Solche Krisensituationen sind nicht nur gesellschaftlich eine Herausforderung, sondern lösen auch individuell Angst, Wut und Überforderung aus. Langfristig wird sich diese Prokrastination jedoch rächen und uns noch unglücklicher machen, als wenn wir den Problemen einfach direkt ins Auge sehen.
Mit der Angst bleibt auch der Wille
Erst wenn wir erkennen, welche Verantwortung wir tragen, werden wir dazu in der Lage sein, die großen Veränderungen anzustoßen. Ob wir es irgendwann schaffen, uns dieser Verantwortung zu stellen? Ich weiß es nicht. Sicherlich ist noch nicht alles verloren. Hin und wieder fühlt es sich aber so an und das ist okay. Darüber zu reden, ist okay. Genauso wie die Angst vor der Zukunft bleibt auch der Wille, unser System grundlegend zu verändern. Wenn wir das nicht schaffen, bleibt uns nichts mehr außer das Leid selbst.
Fußnoten:
1) Wenn ich „wir“ schreibe, bedeutet das nicht die gesamte Gesellschaft, sondern vor allem die Menschen, die privilegiert genug sind und über ausreichend Macht verfügen, um die Situation, in der wir uns als Kollektiv befinden, zu verändern.
2) Der Begriff “Die neue Einsamkeit” bezieht sich auf das gleichnamige Buch von Diana Kinnert, in welchem sie argumentiert, dass die Digitalisierung und Globalisierung mit all ihren Komponenten zu einer neuen kollektiven Einsamkeit führen.
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