Im vergangenen Jahr war in den Nachrichten über Flüchtlinge auch immer wieder Malta gegenwärtig. f1rstlife-Autorin Lea Ochssner hatte die Chance, für eine Woche mit 14 anderen Jugendlichen aus Deutschland dieses Land zu besuchen. Zusammen haben sie die Zeit genutzt, nicht nur um gemeinsam zum Strand zu gehen, sondern vor allem, um die Kultur Maltas kennenzulernen, und um Zeit mit Flüchtlingskindern zu verbringen.
„Tipsy, tapsy, boom“, die kleine Deborah schlägt mit dem Zauberstab gegen den Ballon, dieser platzt und eine zahme Taube sitzt auf einmal auf der Hand von Mr. Alfred, dem Zauberer. Da werden die Augen der Kinder groß. Jeder darf die kleine weiße Taube streicheln, nur Deborah will nicht, obwohl sie die Taube doch herbeigezaubert hat. Zusammen mit Jugendlichen aus Malta und Deutschland bin ich zu einem Spielenachmittag mit Flüchtlingskindern in einen Park gefahren. Im Moment läuft die Zaubershow. Der schon etwas ältere Herr, Künstlername Mr. Alfred, verzückt die Kinder mit Luftballons, aus denen er mit flinken Händen Schwäne, Hunde und Schwerter dreht, Kartentricks und anderen Zaubersachen.
Den Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubern
An einem heißen Donnerstagnachmittag kommen wir im Park an. Sofort stürmen die Kinder aus dem Bus und sprinten in alle Himmelsrichtungen davon, schreien, beschimpfen sich und rangeln miteinander. Ich war zunächst einmal entsetzt und dachte: „Na, wenn das so weitergeht.“ Ich beklage mich bei Luke, einem Malteser und er hilft mir, die Situation besser zu verstehen: „Die Kinder wachsen in beengten Verhältnissen auf: Logisch dass sie, wenn sie auf einmal so viel Platz haben, diese Chance auszunutzen und sich austoben“. Mit dieser Erkenntnis kann ich ruhiger an die Sache gehen. Und nach der ersten “Sturm-und-Drang”-Phase wird es auch schon viel einfacher. Wir spielen ein bisschen Ball mit den Kindern, später gibt es noch eine Wasserbombenschlacht und Deborah hat es sich zur Aufgabe gemacht, Corinne in ihrem Rollstuhl herumzufahren.
Als Aufsichtsperson ist Joanna dabei. Die 38-Jährige arbeitet seit drei Jahren ehrenamtlich mit Flüchtlingen und organisiert Aktivitäten wie diese. Ebenso wie Luke erklärt sie: „Wenn beide Eltern arbeiten, ist es einfach schwer für die Kinder rauszukommen“, hier kommt ihr Engagement ins Spiel. Angefangen hat sie, als die ersten Schiffe kamen. Über die Facebookgruppe „Help the children at Hal Far“, rief sie dazu auf, elementare Sachen wie Kleider oder auch einfach nur Wasser einzusammeln, die die Flüchtlinge, vor allem die Kinder am dringendsten brauchten. Und auch drei Jahre später opfert sie so manches Mal ihre Freizeit, um den Kindern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Kunststücke im Meer
Ich spreche mit Theresa einer 20-jährigen Deutschen, mit der ich mir ein Hotelzimmer teile. Sie war mit einer Gruppe Jugendlichen Fußball spielen, während wir im Park waren: „Auch wenn es nur kurze Stunden waren, so haben mich die Momente sehr bewegt. Auf der einen Seite fühlte es sich einfach an, aber natürlich hing da noch etwas anderes in der Luft. Die Kommunikation war nicht leicht, weil sie nicht so gut Englisch sprechen konnten und wohl auch nicht so gerne von sich erzählt haben. Aber man konnte erahnen, dass sie schon viel durchgemacht haben und dass viel von ihnen abverlangt wurde.“
In der Bucht von Mabilla ist es bereits jetzt am Morgen um 10.30 Uhr recht voll. Hier treffen wir uns ein zweites Mal mit den Flüchtlingskindern. Auch wenn uns einige schon kennen, sind am Anfang viele noch etwas schüchtern, aber dann tauen die Kinder schnell auf. Sarah kommt mit ihrer Taucherbrille angeschwommen und kitzelt mich unter Wasser, ihr Bruder Abdullah zeigt mir Kunststücke, wie zum Beispiel eine Rolle vorwärts im Wasser. Außerdem wird viel mit den mitgebrachten Bällen gespielt, sich gegenseitig nassgespritzt und auch ein menschlicher Hai jagt zwischendurch die Kinder. So gehen die zwei Stunden am Strand schnell vorbei. Wir Deutschen sind etwas erschöpft, aber froh, dass wir etwas für die Kinder tun konnten. Auch wenn es nur ein Vormittag war. „So gerne hätte ich ihnen etwas mehr mitgegeben, als ein nettes Wort und ein Lächeln“, erklärt Theresa nachdenklich.
Mutmacher
Die Zaubershow ist zu Ende, Mr. Alfred packt seine Sachen ein. Auch die Törtchen mit Zuckerguss, die Limo und die Salzbrezeln, die als Picknick bereit standen, sind verschwunden. Die Kinder fahren zurück in ihre Unterkunft, in der ihre Eltern auf sie warten. Theresa meint zu ihren Erfahrungen auf Malta: „Die Flüchtlinge waren präsent und gleichzeitig waren sie nicht sichtbar. Aber allein, dass wir diese Treffen organisieren konnten, hat mir gezeigt, dass Austausch und Unterstützung stattfinden“.
Ich bin ebenfalls froh, dass ich die verschiedenen Erfahrungen sammeln konnte, auch, wenn es nicht immer einfach war. Sie geben mir einen neuen Blick, auf Flüchtlinge und auf die Situation in Deutschland. Auf der kleinen Insel Malta habe ich gesehen, dass es mit ehrenamtlicher Hilfe und dem Verständnis der Leute möglich ist, die Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren, aber es muss noch einiges mehr getan werden. Die Kinder gehen in die „government schools“, die meisten Eltern haben Arbeit. Dass hier immer mehr mit den Flüchtlingen zusammen gearbeitet wird, macht Mut. Auch für die Entwicklungen in Deutschland.
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