In einer größeren Stadt in Deutschland eine schöne und bezahlbare Wohnung zu finden, ist fast schon wie ein sechser im Lotto. Welche gesellschaftlichen Entwicklungen dahinterstecken und wieso politische Instrumente diese Entwicklung aktuell nicht stoppen, erfährst du in diesem Artikel.
Wer kennt es nicht, die Wohnungssuche in deutschen (Studi-) Städten ist eine echte Qual. Es gibt zu wenige Wohnungen und wenn man mal eine passende für sich findet, darf man sich diese häufig auf einer Massenbesichtigung mit 200 anderen Interessenten ansehen. Der oder die Bestverdienenste mit dem sichersten Job wird sie dann vermutlich am Ende bekommen.
Als Student*in, Auszubildende oder Berufsanfänger*in ist man das meistens nicht. Und so müssen viele von uns am Ende doch Mieten zahlen, die eigentlich zu hoch sind oder alternativ in kleinen Wohnungen „hausen“. Ich stecke aktuell mal wieder mitten in der Wohnungssuche und habe mich deshalb mal genau mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Entwicklung der Mietpreise
Die teuerste Stadt 2022 in Deutschland ist aktuell München mit einem Mietpreis von 19,64 Euro pro Quadratmeter. Darauf folgen Frankfurt, Berlin, Stuttgart, Freiburg, Düsseldorf, Mainz, Heidelberg, Hamburg und Darmstadt (Statista 2022). Während sich die Mietpreise in Berlin in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben, sind sie in München noch um 68 Prozent gestiegen (Statista 2021).
In Abbildung 1 siehst du die steigenden Mietpreise in Deutschland im Überblick. Diese stetig steigende Entwicklung der Mietpreise ist deshalb für viele Menschen so bedrohlich, da die Gehälter nicht im selben Verhältnis parallel angestiegen sind (Handelsblatt 2021). Somit passt das Einkommen nicht mehr zu den Ausgaben, die im Alltag auf alle Menschen zukommen. Diese steigen aktuell aufgrund der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs leider noch stärker.
Mein Schwiegervater nannte mir mal das ideale Verhältnis einer Miete von einem Drittel des eigenen Einkommens. Das ist für ziemlich viele Bewohner*innen der deutschen Großstädte so nicht möglich. Somit können sich viele Menschen andere Sachen nicht mehr leisten und auch kein Geld für unsichere Zeiten oder zum Sparen zur Seite legen. Außerdem erschwert sich die Wohnungssuche damit umso stärker, denn Vermieter*innen ist ein „angemessenes“ Einkommen im Verhältnis zur Miete wichtig. Sie erhoffen sich dadurch eine garantierte Mietzahlung.
Mögliche Gründe für die hohen Mieten
Eine mögliche Erklärung für immer weiter steigende Mieten ist, dass viele Bevölkerungsgruppen aktuell ähnliche Wohnungen beanspruchen, wodurch die Konkurrenz sehr hoch ist. Rentner*innen, Berufsanfänger*innen, Single-Haushalte, kinderlose Berufstätige und Studierende suchen alle 1-3 Zimmer Wohnungen, möglichst zentral, in der Nähe von Ärzten, Supermärkten und Bahn- oder Busstationen. Da gerade in Städten unglaublich viel umgezogen wird, können jedes Mal die Mieten angehoben werden, wodurch die Durchschnittsmiete auch immer weiter steigt. Das ist ein Teufelskreis. Man könnte ja meinen, irgendwann ist Schluss. Manchmal denke ich mir, wer zahlt denn so eine hohe Miete für diese paar Quadratmeter? Doch gerade in Städten ist die Nachfrage höher als das Angebot, wodurch sich fast immer jemand finden, der die noch höhere Miete zahlt.
Das Phänomen des steigenden Preises wird für mich auch beim Kauf von Eigentum ersichtlich. Bekannte von uns suchen schon sehr lange nach einem kleinen Einfamilienhaus. Die Suche ist aber sehr nervenaufreibend, da das Angebot rund um Ballungszentren knapp ist. Dies liegt vermutlich daran, dass immer noch viele ältere Menschen und die Generation unserer Eltern häufig noch in den Familienhäusern lebt. Dadurch fehlt Wohnraum für junge Familien – Angebot versus Nachfrage. Früher war es üblich, dass die eigenen Kinder mit ihren Kindern in diese Häuser zogen. Da fällt es leichter, das eigene Haus gegen eine Wohnung oder das kleinere Hinterhaus einzutauschen. Heute wohnen die eigenen Kinder häufig ganz wo anders.
Mehr Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen
Daher bleiben viele Menschen in ihren Häusern. In den Städten wohnen sie weiterhin in den großen Wohnungen, auch um für den regelmäßigen Besuch der eigenen Kinder gewappnet zu sein. Als langjährige Mieter*innen mit häufig festem und höherem Einkommen erscheinen solche Paare häufig die besseren Mieter im Gegensatz zu jungen Familien oder Berufsanfänger*innen. Es muss daher insgesamt mehr Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnisse geschaffen werden beziehungsweise sollten Orte im Umland mit Leerstand besser per ÖPNV an Städte angebunden werden. Eine Verdichtung der Städte ist im Zuge des Klimawandels nicht sehr zu empfehlen und viele Menschen sehnen sich auch nach mehr Naherholungsfläche und Ruhe, doch nicht jede*r kann sich ein Auto leisten.
Wir müssen uns alle aber auch zwischendurch mal fragen, wie viel Wohnraum brauche ich eigentlich wirklich? Denn der Bedarf pro Person an Wohnfläche ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter angestiegen (1990 lag er bei 36,8 Quadratmetern pro Person und 2020 waren es 47,7 Quadratmeter, siehe Abbildung 2). Dies wird unter anderem mit der zunehmenden Anzahl an Single-Haushalten, älteren Menschen in großen Wohnungen und vielen Neubauprojekten mit größeren Wohnungen erklärt. Dadurch kommt es auch zu erheblicher Flächenversieglung (Umweltbundesamt 2021).
Für mich stellt sich in dieser Debatte auch die Frage, wem gehören unsere Wohnungen eigentlich und wer profitiert von den steigenden Preisen am Schluss? Sind das zum Großteil einzelne Privatpersonen, die diese Wohnungen mal für sich gekauft haben und zwischendurch untervermieten, um den Kredit zu begleichen oder werden gerade auf unsere Kosten bestimmte Menschen und Unternehmen immer reicher? Ich finde das aus der Perspektive der Mietenden sehr intransparent. Niemand weiß, was eigentlich alles in unseren Kaltmieten enthalten ist und ob damit einfach nur Bestand geschützt oder auch wirklich hohe Gewinne erzielt werden. Und viele in den Städten lebenden Menschen kennen die Eigentümer*innen ihrer Wohnungen gar nicht persönlich, da diese von Verwaltungsfirmen vermietet und organisiert werden.
Projekte zum aktuellen Wohnungsmarkt
Da es vielen Menschen so geht, hat sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit ihrem Projekt „Wem gehört die Stadt?“ der Untersuchung der Eigentumsstruktur angenommen und verschiedene Daten gesammelt. Es gibt in jeder Stadt Menschen, die im Eigentum wohnen. In Deutschland zog sich die untersuchte Bandbreite von Leipzig 12 Prozent (+14 Prozent genossenschaftlich) bis hin zu München mit 26 Prozent Selbstnutzer*innen (+8 Prozent genossenschaftlich) am Wohnungsmarkt. Im europäischen Vergleich gibt es da definitiv Luft nach oben mit London 50 Prozent (+12 Prozent genossenschaftlich) und Madrid sogar 75 Prozent. Alles andere sind Mietwohnungen, je nach Stadt unterschiedlich verteilt in staatliches, kleines und großes (Privat-)Eigentum.
Die Übersicht des Projekts zeigt auf, dass es keine Stadt gibt, in der Großbesitzer*innen (mit mehreren Wohnungen) den Großteil des Wohnraums der Städte unter sich ausmachen, jedoch finde ich 24 Prozent in Berlin oder München und 30 Prozent in Düsseldorf doch sehr viel. Sehr auffallend ist der geringe Anteil an Wohnungen im staatlichen Besitz. In Frankfurt noch 20 Prozent, in Düsseldorf nur 2 Prozent. In fast allen untersuchten deutschen Städten liegt der Anteil der Wohnraumbesitzenden aus dem Privateigentum (zum Teil weit) über 50 Prozent (Rosa-Luxemburg-Stiftung o.J.).
Der Wohnraum als Renditeobjekt?
Im Unterschied zu genossenschaftlichen Wohnformen (siehe Absatz „Alternative Wohnideen“) haben Privatbesitzer*innen das Ziel, mit dem angekauften Wohnraum Geld zu verdienen, wodurch sie jede Möglichkeit nutzen, die Miete noch weiter zu erhöhen. Es ist verständlich, dass sich niemand einfach freiwillig um die Wohnungen anderer Menschen kümmert, doch geht es dabei noch um angemessene Beträge? Deshalb stellt sich für mich am Ende die Frage: Sollte Wohnraum ein Renditeobjekt sein und wenn nicht, wer baut und pflegt ihn dann?
Im gleichnamigen Projekt von „Correctiv“ wurden mehrere deutsche Städte auf die Zusammensetzung der Besitz- und Mietverhältnisse untersucht. Durch eine „Schwarm-Recherche“ mit lokalen, Medien und Bürger*innen wurden dafür viele Daten gesammelt, um ein transparentes Bild in den jeweiligen Städten abgeben zu können. Die spannenden Recherche-Ergebnisse für die unterschiedlichen Städte findest du auf der Projektseite von Correktiv.
Falls du dich mit der Thematik „Wem gehören unsere Städte?“ noch intensiver beschäftigen möchtest, kann ich dir die gleichnamige Dokumentation von Arte empfehlen (zu finden auf YouTube). Dort geht es um die Entwicklung in mehreren europäischen Städten, vor allem mit Blick auf die Privatisierung des öffentlichen Raums. Außerdem spannend ist der Bericht des NDR über die Firmengeflechte hinter Unternehmen, die Wohnungen aufkaufen, u.a. am Beispiel von Schwerin.
Wieso es häufig gerade Zuziehende schwer haben
Viele Mieter*innen in großen Städten tauschen ihre Wohnungen nur noch gegen eine andere aus. Zum Beispiel eine Wohnung in der Innenstadt gegen eine größere am Stadtrand. Damit versuchen die Mieter Neuvermietungen zu umgehen, bei denen die Mieten erhöht werden können (Handelsblatt 2021). Jedoch werden dadurch Zugezogene, die noch keine Wohnung zum Tauschen haben, vom Zugang zu solchen Wohnungen ausgeschlossen. Genauso Menschen, die aufgrund von Kündigung auf Eigenbedarf, aus ihren Wohnungen raus müssen. Es ist sehr schade, dass wir, als Mietende, schon auf solche Maßnahmen, wie den Wohnungstausch, zurückgreifen müssen, aus Angst, keine bezahlbare Wohnung mehr zu finden.
Warum die Mietpreisbremse nicht geholfen hat
2015 wurde von der großen Koalition eine Mietpreisbremse für Ballungsräume beschlossen. Demnach dürfen die Mieten bei einer Neuvermietung um höchstens 10 Prozent über dem Preis von vergleichbaren Wohnungen liegen. So können die Mieten zwar nicht auf einmal stark ansteigen, jedoch aber eben auch weiterhin stetig höher werden. Außerdem gibt es viele Ausnahmen, die diese Vorgabe außer Kraft setzen, zum Beispiel bestimmte Renovierungsmaßnahmen. Außerdem darf ein*e Vermieter*in bei Neuvermietung mindestens dieselbe Miete wie vorher verlangen.
Dabei bleibt die Frage, wie Neumietende rausfinden könnten, was die Vormietenden eigentlich gezahlt haben. Nur durch eine Einsicht in diese Daten könnten Neumieter*innen diese Vorschriften prüfen. Des Weiteren sind Erstvermietungen von diesem Gesetz ausgenommen. Demnach können Neubauwohnungen um einiges teurer vermietet werden, als es der aktuelle Marktwert vorgibt. Außerdem ist ein Verstoß schwer nachzuweisen und Vermieter*innen müssen keine Sanktionen befürchten. Mietende gehen dem auch nur sehr selten nach, schließlich sind alle froh, dass sie eine Wohnung gefunden haben. Da möchten es sich viele nicht gleich mit dem neuen Vermietenden verscherzen (Tagesschau 2017, Süddeutsche Zeitung 2016).
Hier kannst Du den zweiten Teil der kleinen Artikel-Serie über alternative Wohnprojekte lesen.
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