Täglich landen um die 20 bis 40 neue Fotos auf unseren Smartphones… Selbst geknipst oder von anderen geschickt. Das Ganze führt zu einem Chaos in unserer digitalen Welt, das sich nicht nur auf unseren Speicherplatz auswirkt. Ein paar Tipps, auf was es wirklich ankommt.
Ich bin in einem Gespräch mit einer Freundin. Sie erkundigt sich nach meinem Wochenende. Mein Mann und ich waren ein paar Tage nach Österreich gefahren und waren Teilnehmer bei einer Konferenz zum Thema Weltmission. Lieder auf Rumänisch. Ein Vortrag auf Serbisch, der ins Deutsche übersetzt wurde. Missionare aus Indien und vielen anderen Ländern. Ich erzähle ihr, was mich bewegte – all die Eindrücke – und stelle fest: erzählen ist mir nicht genug. Sie muss es sehen! Schließlich habe ich ja auch zahlreiche Kurzvideos in den Veranstaltungen gemacht, alle Details der Deko fotografiert sowie die Visitenkarten potentieller Kontakte für weitere Projekte… Dazu muss ich sagen: ja, ich achte darauf, kein unnötiges Papier anzusammeln – und letztendlich wäre die Visitenkarte sowieso irgendwann verschwunden oder im Mülleimer gelandet. Zurück zu meinem Gespräch: Ich zücke also kurzerhand mein Smartphone und scrolle… und scrolle… und scrolle… Bis ich endlich ein Foto finde, das ich stolz herzeige.
Zwei Dinge bringen mich dabei ins Nachdenken…
1. Sind Erlebnisse wirklich nur noch dann wirklich wertvoll, wenn sie ausführlich mit der Handy-Kamera dokumentiert wurden?
Sind Momente nur dann kostbar und Blumen nur dann wunderschön, wenn ich sie fotografiere und festhalte? – dazu haben sicherlich schon einige Leute etwas gesagt und viele sind sich bereits bewusst, dass dies nicht so ist. Dass man das gerne ändern möchte. Dass der Moment zählt, nicht die Likes oder Posts… Deswegen soll es mir heute um 2. gehen…
2. Die Tatsache, dass wir richtige Foto-Messies geworden sind…
…während die Aufräum-Hypes um Marie Kondo und Stichworte wie „Büro-Kaizen“ auf helle Begeisterung stoßen (es geht darum, nur das zu behalten, was man wirklich liebt und braucht, freie Fläche zu schaffen auf Schreibtisch und Küchenzeile, um einen freien Kopf zu bekommen), sammeln wir täglich neue Bilder, Videos, Screenshots auf unseren Smartphones…
Wahllos, ziellos, freudlos…?
Wahllos, damit meine ich: Wieso reicht es manchmal nicht, EIN schönes Landschaftsfoto zu machen, sondern wir fotografieren jeden Winkel, aus sämtlichen Einstellungen (okay vielleicht nicht jeder macht das, aber mir geht es oft so…), obwohl es immer noch der gleiche Sonnenuntergang ist? Wieso reicht nicht EIN Bild – to keep the memory….?!
Ich glaube, es hat mit der Angst, zu entscheiden, zu tun: Entscheidung vertagt, ich lösche die schlechten einfach „später“… Später, „wenn ich mal Zeit (übrig) hab“… Naja… Ich finde diese Zeit selten und wenn, dann bin ich so gestresst von den tausenden Bildern, dass ich sicher keine Lust habe, das wieder zu tun… Dabei sind noch gar nicht meine 150 What’sApp Kontakte eingerechnet, die mich täglich mit mehr oder weniger sinnvollen, notwendigen Videos und Bildern „versorgen“….
Wahllos …
denn eine Auswahl zu treffen bedeutet, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Und ich glaube, dass ich das seit der Digitalkamera verlernt habe. Wie wertvoll war ein Foto früher, als man den Film noch entwickeln lassen musste? Ich weiß noch, wie ich mich als Kind riesig gefreut hab, wenn mein Papa mir ein Paket mit meinen eigenen – 30 – mehr oder weniger gelungenen Fotos in die Hand drückte! Und es ist nicht so, dass ich mich an die Urlaube damals weniger erinnern kann als an die, von denen ich 2000 Bilder auf meiner externen Festplatte liegen habe…
Ziellos …
ja, was machen wir eigentlich dann mit unseren ganzen Schnappschüssen? Vielleicht teilt man das ein oder andere auf Facebook oder Instagram, aber die 20 anderen von der gleichen Veranstaltung? Was wollen wir überhaupt damit anfangen?
Ich habe mich selbst schon öfters dabei ertappt, wie ich irgendetwas in einem Schaufenster fotografiere – total verschwommen und in Sekundenschnelle – um mich irgendwann daran zu erinnern… Doch rate mal, wie schnell ich wieder vergessen habe, was ich da überhaupt fotografierte und ob ich das jemals wiederfinde, wenn ich es wirklich brauche? Stattdessen gibt es noch mehr Chaos in meinem Handy – und ich würde soweit gehen zu behaupten, auch in meinem Kopf!
Je größer die Unordnung in unserer digitalen Welt ist, desto mehr Schwierigkeiten haben wir, uns wirklich zu konzentrieren. Das Gute ist zwar, dass man zum Glück sein Handy nicht den ganzen Tag in der Hand hat, aber doch ziemlich oft… und Situationen, wie ich oben beschrieben habe, kennen wahrscheinlich die meisten von uns… Da wäre zumindest mal ein Ziel bzw. Zweck für die Fotos, doch letztendlich nützen sie mir nichts, wenn ich im Gesamtchaos meiner Camera-Roll mit 3500 Fotos überhaupt nichts finden kann…
Freudlos….
Ich weiß nicht, wie viele sich damit identifizieren können, aber ich empfinde das Ganze eher als eine Last… Stressig, alles festhalten zu müssen. Unsicherheit, ob man wirklich das bestmögliche Foto gemacht hat und deswegen das Konzert gar nicht genießen kann, weil man nur an die Aufnahmen für Facebook denkt…
Ein Wunsch und ein Appell…
Letztendlich wünsche ich mir bei alle dem die frühere Freude wieder, die ich als Kind verspürte, wenn ich mit meiner Kamera loszog, um ein paar Schnappschüsse zu machen. Ich wünsche mir, dass ich mich auf das Nötigste beschränken kann und diese Bilder wirklich wertschätze, weil sie mir wirklich etwas bedeuten. Ich wünsche mir einen freien Kopf und Ordnung – auch in „meiner“ digitalen Welt, um im echten Leben produktiver, effektiver und befreiter zu sein. Ich glaube sogar, dass Gott uns die Fähigkeit gegeben hat, den Moment zu genießen. Augenblicke gehen zu lassen, weil auf einen schönen Sonnenuntergang der nächste Tagesanbruch folgt und eigene, wunderschöne Bilder mit sich bringt – einfach nur zum Genießen. Mein Fazit und Ansporn lautet deshalb: Weniger ist definitiv mehr.
Sarah Veihelmann
Ich war vor kurzem in einem botanischen Garten mit einer kleinen Truppe und die Sinneseindrücke waren enorm. Die Gerüche, die Farbenpracht, das Plätschern eines Brunnens…und ich hatte Angst all diese Eindrücke nicht richtig aufnehmen und behalten zu können und begann auch (fast schon zwanghaft) Fotos zu knipsen. Bis eine Frau neben mir sagte: “Machen wir jetzt Fotos um später zu Hause zu hocken und zu sehen, was wir heute erlebt haben?” Irgendwie war ich dankbar für diesen unerwarteten Kommentar. Ich legte mein Handy in die Tasche zurück, atmete tief ein und gab mir Zeit den Garten mit aller Ruhe zu erkunden ohne später einer weiteren Person ein Bild von meinem Tag zeigen zu müssen. Wir bestaunen die Natur, dann aber sollte es auch auf natürlicher Weise geschehen. Es sind noch keine Kameras am Baum gewachsen, oder? 😉
Herzlichen Dank für diesen aufrüttelnden Beitrag und die Ermutigung uns für ein Bild zu entscheiden um unseren digitalen Anteil in uns sauber zu halten.