[English version below]
Negative Gedanken, Antriebslosigkeit und Verlust von Freude oder Interesse sind typisch für eine Depression. Aber wie fühlt sich diese Krankheit eigentlich an? Unsere Autorin beschreibt, wie sie sie erlebt und warum der Sommer sich für sie manchmal anfühlt wie der tiefste Winter.
Es ist einer dieser wunderbar sonnigen Wintertage. Sonne ist noch rar und ich sollte draußen sein, um jeden Strahl aufzusaugen. Umso mehr, weil ich seit Wochen davon rede, wie sehr ich die Sonne vermisse. Stattdessen sitze ich in meinem Zimmer, noch in meinen Schlafsachen, Haare ungekämmt, und versinke in meiner grauen Welt. Das Leben da draußen zieht an mir vorüber und ich fühle mich machtlos. Heute Morgen wusste ich, wenn ich mir für heute nichts vornehme, wird der Tag schwer zu ertragen sein.
Ich habe es versucht, ehrlich. Nach drei Absagen von Freunden hatte ich allerdings keine Kraft mehr, weiter zu fragen. Und dann ist es, als würde ein Stecker gezogen. Ich funktioniere, jedoch nur auf Sparflamme. Der Fernseher läuft pausenlos, weil mich das nicht anstrengt, aber gleichzeitig genügend Lärm macht, um meinen Kopf von einer Fahrt auf dem Grübel-Gedankenkarussell abzuhalten. Ich gehe kaum noch ohne Musik auf den Ohren aus dem Haus. Irgendetwas brauche ich, um die lauten Gedanken zu übertönen. In einer Abwärtsspirale an negativen Gedanken lande ich trotzdem noch oft genug.
Wenn die Wunderwirkung ausbleibt
Ich würde mich gerne daran festhalten, dass der Sommer näher rückt und die Wärme und das Vitamin D ihre Wunderwirkung mit sich bringen und meinen Zustand bessern. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert das. Nicht bei allen, die an Depressionen leiden – denn jede Depression äußert sich anders – aber mir hilft es, wenn die Sonne wieder mehr scheint.
Dennoch bleibt die Angst, dass ich wie hinter einer schalldichten Glaswand beobachten muss, wie die Menschen im Sommer aktiver werden, ihr Leben verplanen und sich des Lebens freuen, während Freude für mich ein Fremdwort und mein Terminkalender weitestgehend leer bleibt. Ich versuche, das Ganze durch eine fiktive Unterhaltung greifbarer zu machen, die viel Erlebtes widerspiegelt.
Geiler (Depressions-)Sommer
„Was ein geiler Sommer, oder?“, fragst du.
„Ja“, sage ich, während sich über mir die Wolken verdichten.
„Sonne und See-Nachmittage, was will man mehr?“, ergänzt du, die Zufriedenheit steht dir ins Gesicht geschrieben.
„Ja“, erwidere ich, während sich die vielen einsamen Nachmittage in meinem Zimmer vor meinem inneren Auge abspielen.
„Da fühlt man sich gleich wieder viel energiegeladener“, sagst du, und alles an dir sprüht nur so vor Leben.
„Ja“, flüstere ich, weil jeder Satz anstrengend ist und bald ist meine heutige Energie für Gespräche sowieso aufgebraucht.
„Du bist aber einsilbig heute“, wunderst du dich und siehst mich fragend an.
„Echt?“, frage ich, und versuche, mich zu erinnern, über was wir bei unserem letzten Treffen geredet haben. Vergeblich.
„Was hast du nur? Du bist doch sonst auch so ein Sommer-Fan!“, sagst du.
„Ich weiß. Du, sorry, aber ich muss weg!“, sage ich, und es kostet mich meine ganze Willenskraft. Weg, nur weg vom Sommer mit seiner wunderbaren Wärme und Leichtigkeit und Lebensfreude. Weg vom Sommer, den ich so liebe, aber weder sehe noch spüre. In mir ist seit Monaten Winter, der mich ab und an mit ein paar Sonnenstunden beehrt, sich ansonsten aber recht konsequent grau und leblos gestaltet. Weg vom Sommer, weg von dir, weg von mir, zurück zum Winter. Denn, so wenig ich ihn auch leiden kann, wenigstens tut er nicht so, als wäre die Welt in Ordnung.
Hier geht es zu Teil 1 Zwischen grauen und blauen Tagen und Teil 2 Die wütenden Tage der Serie
Informationen und Hilfe zum Thema Depression findest du hier: Deutsche Depressionshilfe
Winter in Summer: life with depression – part 3
Negative thoughts, lack of energy and loss of joy or interest are signs of a depression. But how does it feel to suffer from this mental illness? Our author describes her experiences with it and why sometimes summer feels like deepest winter.
It is one of those wonderful sunny winter days. Sunshine is still rare and for weeks I’ve been talking about how much I miss it. I should be outside soaking up every ray there is. Instead, I sit in my room, still in my pyjamas, hair unkempt and lose myself inside my grey world. Life out there passes by and I feel weak. When I woke up, I knew I had to make plans for getting through the day alright.
I honestly tried, but after three friends saying they didn’t have time, I couldn’t find any more energy to keep asking. And then it’s like something unplugs me. I function, but that’s it. TVs on nonstop because it doesn’t exhaust me, but it makes enough noise to keep my mind from taking a ride down the emotional rollercoaster. I barely get out of the house without listening to music. I need something to soften the noisy thoughts. Nonetheless I often end up in a downward spiral of negative thoughts.
When there’s no magical effect
I would like to believe that the approaching summer works like a magical effect: that its warmth and Vitamin-D would automatically improve my condition. Speaking for myself, sunshine definitely helps to a certain degree (every depression is different, so it does not work for everyone). Nevertheless, fear remains.
The fear of having to watch people getting more active in summer, making plans and enjoying life, while I feel stuck behind a soundproof glass wall, being unable to grasp the sense of joy and looking at my almost empty schedule. Let me try to make this easier to understand through a fictional conversation that reflects what I have experienced.
Fantastic (Depressive) Summer
“What a fantastic summer, don’t you think?” you ask.
“Yes,” I say, as the clouds above my head get darker.
“Sunshine and afternoons at the lake, what would one want more?” you add, looking completely satisfied.
“Sure,” I reply, as the many lonely afternoons inside my room come to my mind’s eye.
“Makes you feel so much more energetic,” you say, bursting with energy.
“Yeah,” I whisper, because every sentence is exhausting and soon my limited energy for conversations will be gone anyways.
“You’re not talking much today,” you wonder, looking at me slightly puzzled.
“Really?” I ask and try to remember what we talked about the last time we met. Without success.
“What’s wrong with you? You usually love summer!” you say.
“I know. Hey, sorry, but I gotta leave now!” I say by sheer force of will.
Leave. Away from summer with its wonderful warmth and brightness and colourful joy. Away from summer that I love, but neither see nor feel. It has been winter inside of me for months – with a couple hours of sunshine here and there – but mostly grey and lifeless. Leave. Away from summer, away from you, away from me, back to winter. For as much as I can’t stand winter, at least it doesn’t pretend like everything is fine.
Read more about life with depression in part 1 Between grey and blue days and part 2 The angry days
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