Vom 27.-29 Februar treffen sich in der dm-Arena in Karlsruhe rund 10.200 Führungskräfte, ehrenamtliche Mitarbeiter und Interessierte an geistlicher Leiterschaft in Kirchen und christlichen Organisationen, aber auch darüber hinaus. Wer in einer Leitungsposition steht hat auch große Verantwortung. Meine Eindrücke vom ersten Mal dabei sein lest ist hier …
Der musikalische Auftakt am Donnerstag beinhaltete u.a. das Lied „Mittelpunkt“, in dem es heißt: „Sei du der Mittelpunkt in meiner Stärke, der Mittelpunkt in meiner Schwäche“. Das ist scheinbar auch die Motivation vieler Teilnehmer, die sich in christlichen Gemeinden im deutschsprachigen Raum einsetzen – mit ihren Stärken und Grenzen. Der Kongress soll dazu dienen, dass christliche Leitungskräfte neuen Mut für ihre Situationen und Projekte bekommen und sich mit neuer Inspiration und Motivation an ihrem Platz einsetzen, so unterschiedlich diese auch sein mögen.
„Leben mit begrenzten Ressourcen“ – Craig Groeschel
Craig Groeschel, das Gesicht des Leadership Summits sowie Gründer und Leiter der „Life.Church“ in den USA ermutigt die „geistlichen Leiter Deutschlands“, ihr ganzes Wachstumspotential zu entfalten, selbst wenn Ressourcen in Form von Geld, Zeit und Kraft nicht immer ausreichen. Unter dem Titel „Mit begrenzen Ressourcen leben“ stellt er anschaulich dar, dass es manchmal die bessere Entscheidung ist, für etwas weniger zu investieren, um in weniger Zeit und mit weniger Geld ein verhältnismäßig besseres Ergebnis zu erzielen. Perfektionismus halte viele davon ab, wirklich Schritte vorwärts zu gehen. Wer für eine Predigt oder Ähnliches 10h an Arbeit investiere, erziele damit vielleicht ein Ergebnis von 90%, wohingegen die doppelte Zeit lediglich eine Verbesserung von 5% herbeiführe.
Auch die vierfache Investition an Zeit bringe in dem Fall nichts, da wiederum die Qualität leide. Durch eine bewusste Entscheidung für Limitierung könne man so eine „Trendumkehr“ schaffen, die oftmals Kreativität und innovative Ideen freisetzt, um mit begrenzten Ressourcen umzugehen. So hat er sich selbst z.B. durch die Einführung einer Predigt via Videobotschaft, aus der Not heraus geboren, die Möglichkeit geschaffen, andere Kirchen in den USA zu besuchen und zu ermutigen, ohne körperlich anwesend zu sein und dennoch zu predigen. Dass die Mitglieder der Life.Church innovative Köpfe sind zeigt sich auch an der Entwicklung der Bibel-App YOUVersion, die von vielen Smartphones gar nicht mehr wegzudenken ist… „Wenn du dich für das was einsetzt und dich von deinem warum begeistern lässt, wirst du das wie schon herausfinden.“
„Seximus überwinden“ und „Die Kirche, in die meine Kinder gerne gehen wollen“ – Danielle Strickland und Andreas Boppart
In einem zweiten Referat berichtete Danielle Strickland unter dem Titel „Sexismus überwinden“ über ein wichtiges Thema, das ein Drittel aller Frauen weltweit betreffe – von unterschwelliger Beurteilung anhand des Geschlechts bis hin zu sexuellem Missbrauch sei die Bandbreite weit. Es nütze nichts, zu naiv mit diesem Thema umzugehen, genauso wenig sei es fair, Männer in dieser Hinsicht unter Generalverdacht zu stellen. In ihrem Referat gab sie Tipps für Männer und Frauen, wie diese zu sich selbst stehen können und sich für einen Austausch beider Geschlechter auf Augenhöhe einsetzen können.
Schon allein die Schöpfungsgeschichte zeige doch, dass Männer und Frauen nicht dazu gedacht sind, gegeneinander zu arbeiten, sondern sich wunderbar ergänzen. Auch Zynismus und Verzweiflung als Reaktion auf Wunden, die mit Sexismus zusammenhängen helfe nicht weiter. Wer aus Angst handle und lebe werde entweder unterdrückt oder unterdrückt selbst andere. Eine schöne Aufforderung an die Männer: „Identifizier dich mit, feier und feuer Frauen an – sei ein Fürsprecher, es wird nicht nur dein Leben verändern, sondern auch die Welt!“
Andreas Boppart, Leiter von Campus für Christus in Deutschland, Österreich und der Schweiz verdeutlichte mit einem Zitat von Madeleine Delbrêl, einer Mystikerin aus dem 20. Jahrhundert, dass Kirche im 21. Jahrhundert neu gedacht werden muss: „Der Glaube wie eine arme Frau. Jedes Volk, jede Kultur und jedes Zeitalter schenken ihr ein Kleidungsstück. Wenn die Zeiten sich wandeln, ist ihr Gewand abgetragen. Sie muss neue Kleider bekommen, wenn sie sich nicht verstecken will.“ Nicht das Evangelium müsse sich ändern, aber die Art und Weise, wie gepredigt und Kultur geprägt wird. Wir befänden uns immer mehr in einer Scham-Kultur anstatt einer Schuld-Kultur. Jungen Leuten komme es v.a. auf Authentizität an und die Fähigkeit, andere zu lieben. Gerade in christlichen Kreisen sei oft eine Denkweise des Rechthabens vorherrschend, wohingegen es doch eigentlich zunächst um Beziehungen gehe – untereinander und zu Gott selbst.
Nennenswert ist auch ein kurzes Interview mit dem Träger des alternativen Nobelpreises 2018, Tony Rinaudo, einem Australier der in jahrelangem Einsatz im Niger (World Vision), einem der ärmsten Länder der Welt zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und Waldgewinnung beigetragen hatte. Er berichtete von Zweifeln, Erfolgen und der Notwendigkeit der Liebe zu den Menschen, denen man helfen möchte als „Startkapital“, um Vertrauen zu gewinnen. Nur so konnte sich seine Methode des Zuschneidens junger Bäume, um ihr Wachstum zu fördern, bei den Menschen vor Ort durchsetzen und erstaunliche Ergebnisse erzielen.
„Warum die Schönheit Gottes wichtig ist“ – Johannes Hartl
Johannes Hartl, katholischer Theologe und Gründer des Gebetshauses Augsburg schloss den Tag mit Gedanken zum Thema Schönheit vs. Nutzen in unserem Privatleben, Kultur und Kirche. Schönheit sei etwas, das zutiefst in uns verankert ist, ein Sehnen jenseits des puren Nutzens. Doch oft ist uns der Blick für Schönheit, nicht nur in der Natur, sondern im Leben generell verloren gegangen. Er sagt: „Wir haben uns einen schnellen, konsumierenden Blick angewöhnt. Wir verlieren den Geschmack am Sein. – Digitales Fasten wird eine Kerndisziplin der Zukunft sein! Eine Schlüsselqualifikation für resiliente, emotional stabile Menschen!“ Passend zu dieser Aussage schloss der erste Tag des Kongresses mit einem improvisierten Musikstück Hartls und seiner Band ab, das bewusst Gelegenheit geben sollte, das Gehörte noch einmal Revue passieren zu lassen und zu bewegen.
Tagesfazit
„Geistliche Leiterschaft“ durchdringt also sämtliche Lebensbereiche, fördert und fordert oftmals Kreativität, Integrität, Disziplin und den Mut, neue Schritte zu gehen. Ich denke, dass der WillowCreek Leitungskongress nicht nur für Christen interessant ist, sondern am Puls der Zeit gesellschaftliche Probleme bewegt und zum Nachdenken anregt.
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