Immer wieder wird uns suggeriert, unser alltägliches Verhalten könne die Welt verändern. Wieso das nur bedingt stimmt und was es stattdessen braucht, erfahrt ihr hier.
Das Thema Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit ist in den vergangenen Jahren in einem Großteil der Gesellschaft mehr als angekommen. Überall wimmelt es von Rezepten zum Herstellen von Deos oder Putzmitteln. Wir werden überhäuft von Angeboten, mit denen wir angeblich die Welt verändern oder sogar retten können. Wer sich diesem Moralkodex verweigert, muss mit schiefen Blicken rechnen. Dabei ist die Aussage, unser Kassenbon sei unser Stimmzettel, nicht mehr als eine reine Fassade.
Unser Verhalten verändert die Welt
Es steht außer Frage. Unser kollektives Verhalten beeinflusst den Planeten, auf dem wir leben derzeit vor allem negativ. Ein klassisches Beispiel ist der Plastikmüll, der in den Weltmeeren schwimmt. Rund zwei Lastwagenladungen gelangen pro Minute in die Weltmeere. Davon schwimmt nur ein geringer Teil auf der Oberfläche. Der Rest wird in tiefere Gewässer oder auf den Meeresboden verfrachtet und ist kaum zurückzuholen. Nach Schätzungen befinden sich dort derzeit etwa 80 Millionen Tonnen. Die Folgen? Der Plastikmüll landet in den Mägen der Tiere und beschädigt Korallenstöcke. Zudem enthalten viele Kunststoffe umwelt- und gesundheitsschädliche Substanzen wie Flammschutzmittel oder Weichmacher.
Es sind aber nicht nur Ökosysteme, die nachhaltig mit den negativen Auswirkungen unseres Konsums zu kämpfen haben. Auch menschliche Lebensräume müssen – beispielsweise durch den Abbau von Braunkohle – weichen, damit wir diesen Rohstoff dann zur Energieerzeugung nutzen können. In Deutschland sind vor allem Dörfer im Rheinland, der Lausitz oder im Leipziger Land vom Abbau dieses Rohstoffes gefährdet. Menschen verlieren ihr zu Hause, nur damit wir klimaschädlichen Strom produzieren können.
Wir dürfen das Problem nicht individualisieren
Um diese Probleme zu lösen, kann es natürlich sinnvoll sein, den eigenen Plastikkonsum zu reduzieren oder den Stromanbieter zu wechseln. Immerhin haben Veganer:innen es durch ihren Konsum auch geschafft, die Supermarktregale mit einem umfangreichen Angebot zu füllen. Dies darf allerdings nicht die ultimative Lösung sein. Die Entscheidung, nachhaltig zu leben, ist nämlich zum einen eine Klassenfrage. Es ist ein Privileg, in der Drogerie nach nachhaltigen Produkten greifen zu können, da diese meistens einen höheren Preis mit sich bringen und dieser nicht für jede:n Bürger:in bezahlbar ist. Gleichzeitig wird uns suggeriert, dass unser Konsum die Welt retten wird. Dabei ist der Konsum ja eigentlich der Kritikpunkt. Und wie oft haben wir schon Produkte gekauft, nur, weil sie als ein grünes Siegel tragen oder als ökologisch sinnvoll bezeichnet werden, obwohl wir sie eigentlich nicht brauchen?
Der Fokus auf einen nachhaltigen Lebensstil lenkt zudem von politischen Hebeln ab. Denn: Wir denken nicht darüber nach, ob das neue Klimaschutzpaket der Bundesregierung ausreichend ist, während wir überlegen, welche pflanzliche Milch nun den geringeren ökologischen Fußabdruck hat. Wir haben auch nicht die Zeit, um Versammlungen, Proteste oder Demonstrationen zu planen, während wir damit beschäftigt sind, neue Rezepte für die vermeintlich perfekte Deo-Creme auszuprobieren.
Wir müssen politisch werden
Fakt ist: Wir brauchen nicht die besseren Menschen, sondern die bessere Politik. Wir dürfen das Problem nicht individualisieren. Es bringt nichts, wenn ich mich dazu entscheide, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Supermarkt zu fahren, wenn die Regierung nicht die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellt. Genauso wenig sinnvoll ist es ein E-Auto zu fahren, wenn der Strom daraus aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Das bedeutet nun aber nicht, dass unser Verhalten vollständig egal ist. Eine klimagerechte, nachhaltige Zukunft erreichen wir durch ein wissensbasiertes Zusammenspiel von Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft sowie Industrie. Unsere Rolle umfasst dabei mehr als nur die Reflexion unseres Konsums.
Zusätzlich sollten wir politisch werden! Sei es durch das Unterschreiben einer Petition oder das Demonstrieren auf der Straße – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um einen Einfluss auf das politische System auszuüben. Allerdings ist es auch hier wichtig, sich bewusst zu sein, dass politische Partizipation nicht für alle Menschen zugänglich ist. So sind beispielsweise Menschen mit Behinderungen nicht immer dazu in der Lage, an einer Versammlung teilzunehmen, wenn diese nicht als barrierefrei deklariert worden sind. Doch egal, wie es uns möglich ist, wir dürfen nicht mehr zulassen, dass die Last ökologischer Probleme auf unsere Schultern abgeladen wird.
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