Gisela gibt die Hoffnung nicht auf. Es ist wie jeden Sonntag das gleiche Ritual: Der Gottesdienst ist aus, die Leute verlassen die Kirche und zurück bleibt Gisela. Sie versucht es schon seit 30 Jahren und wartet darauf, dass es endlich klappt. So auch heute wieder. Nachdem der Letzte die Kirche verlassen hat, steht sie auf und geht in die Seitenkapelle. Sie wirft eine Münze in den Opferstock, nimmt sich eine Kerze und zündet sie an. Dann kniet sie sich nieder und betet, was sie schon seit 30 Jahren betet: „Lieber Gott, lass mich doch endlich im Lotto gewinnen!“
Je nach Situation kann das Gebet sehr unterschiedlich ausfallen: Schreien, jubeln, weinen, brüllen, lachen, flüstern oder seufzen, manchmal auch nur ein Blick zum Himmel, ein Kopfnicken zum Wegkreuz, ein Griff zum Rosenkranz. „Das Gebet ist“, so sagt der Katechismus der Katholischen Kirche, „die Hinwendung des Herzens zu Gott. Wenn ein Mensch betet, tritt er in eine lebendige Beziehung mit Gott ein“ [KKK 2558-2565]. Beten ist also mehr als das Herunterplappern von Worten; das Herz muss dabei sein. Wenn Gisela also immer wieder kommt und betet, ist das bereits der Anfang der „lebendigen Beziehung mit Gott“. Gott ist kein Satellit, der außerhalb der Erde herumschwebt, zwar alles im Blick hat, aber nirgendwo eingreift. Er interessiert sich für Gisela und freut sich, wenn sie Ihn an ihrem Leben teilhaben lässt. Gott ist Giselas bester Freund.
Gottesbeziehung als Freundschaft
Manuels bester Freund ist ebenfalls Gott. Der Zwölfjährige betet morgens, bevor er zur Schule geht und bevor er eine wichtige Probe schreiben muss. Er dankt Gott, wenn er eine gute Note zurückbekommt und wenn er in der Pause beim Fußballspielen ein Tor schießt, macht er schnell ein Kreuzzeichen wie die Großen im Fernsehen. Wenn Manuel abends im Bett liegt, erzählt er dem lieben Gott, wie sein Tag so war. Er spricht dann über die tolle Mathestunde, die ausgefallen ist, über seine Katze Minka, die bald Junge bekommt und über Vanessa, die ihm irgendwie nicht aus dem Kopf geht. Und manchmal sagt Manuel einfach gar nichts. Wenn es dann ganz im still im Zimmer ist, spitzt Manuel die Ohren. Denn manchmal will auch Gott ihm etwas sagen.
Gott ist auch der beste Freund von Rudolf. Rudolf ist fast 20 Jahre alt und schreibt diesen Artikel. Er spricht mit Gott, wenn er Auto fährt, wenn er wichtige Termine hat oder wenn er am Sonntag zur Messe geht. Dort begegnet ihm Gott direkt beim Empfang der Kommunion und er hat das Gefühl, ganz nahe bei Ihm zu sein. Das ist aber nicht immer so; manchmal hat er auch das Gefühl, dass Gott nichts mehr von ihm wissen will und seine Gebete ungehört im luftleeren Raum verhallen. Und manchmal ist er so wütend, dass er anfängt, mit Gott zu schimpfen und sich über Ihn zu beklagen. Aber Gott ist trotzdem immer bei ihm und hört jedes seiner Gebete, auch wenn Rudolf vor lauter Geschrei die sanfte Antwort Gottes manchmal überhört.
Gott entscheidet, wie er antwortet
Freiformulierte Gebete, die direkt aus dem Herzen kommen, gefallen Gott eigentlich am besten. Du kannst reden, wie Dir der Schnabel gewachsen ist. Deine Lehrer oder Deinen Chef musst du vielleicht siezen – den lieben Gott nicht. In Zeiten der geistigen Trockenheit, in Phasen, in denen Du das Gefühl hast, einfach nicht mehr beten zu können, ist es dagegen ganz gut, dass Du auf vorformulierte Gebete wie das Vaterunser oder die Psalmen aus der Bibel zurückgreifen kannst.
Ein reiner „Wunsch-Erfüllungs-Automat“ ist das Gebet allerdings nicht. Gott hört natürlich jedes Gebet und wird auf jeden Fall darauf reagieren! Aber manchmal eben anders, als du es vielleicht erwartest. Genau genommen gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, wie Gott auf eine Bitte antworten kann. Angenommen, du bittest Ihn darum, eine wichtige Prüfung zu bestehen. Vielleicht antwortet Gott mit „Ja“; dann bestehst du die Prüfung. Vielleicht sagt Gott aber auch: „Ja, aber noch nicht“; du bestehst die Prüfung nicht sofort, musst vielleicht in die Nachprüfung, aber du kommst trotzdem weiter. Und die dritte Antwortmöglichkeit? Vielleicht lächelt Gott nur. Das heißt dann so viel wie „Deine Bitte wurde zur Kenntnis genommen. Ich habe aber etwas Besseres für dich…“ – Du rasselst durch die Prüfung, musst vielleicht sogar das Schuljahr wiederholen, entdeckst dadurch aber rechtzeitig, dass du den falschen Berufszweig gewählt hättest, vielleicht findest du in der neuen Klasse sogar den besten Freund oder gar die Frau fürs Leben. Zu weit gesponnen? Unterschätze Gott nicht!
Nur: Beten, dann die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass einfach alles vom Himmel fällt, geht natürlich nicht! Du musst auch selbst etwas dafür tun, in dem Vertrauen, dass Gott dein Tun segnet und dir entgegen kommt. Oder, anders ausgedrückt: Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt. Und arbeite, als ob alles Beten nichts nützt.
Das hat schließlich sogar Gisela begriffen: Als die Gute eines Tages wieder eine Kerze entzündete und Gott darum bat, sie doch endlich im Lotto gewinnen zu lassen, begann auf einmal die Erde zu beben und hellgleißendes Licht erfüllte den ganzen Raum. Erschrocken warf sie sich auf den Boden und vernahm schließlich die Stimme Gottes, die ziemlich genervt klang: „Gisela, gib mir eine Chance! Füll endlich den Lottoschein aus!“
Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation mit der Stabsabteilung Medien im Erzbistum Köln. Jeden ersten Sonntag im Monat schreiben wir exklusiv einen Gastbeitrag für die Facebook-Seite Firmlinge im Gespräch mit Weihbischof Schwaderlapp.
Schreibe einen Kommentar