Fröhlichkeit in den tristen Krankenhaus-Alltag bringen: Das ist das Ziel der Hannoveraner Klinik-Clowns. Doch nicht jede Situation ist einfach.
Auf dem Krankenbett liegt ein etwa 14-jähriger Junge, der an etliche Schläuche angeschlossen ist. Seine Diagnose: Gehirntumor. Er wirkt angespannt, als sich Klinik-Clown Bert ihm nähert. Das Atmen fällt ihm schwer. Bert begrüßt ihn leise. So, als wäre ihm gerade eine Idee gekommen, hebt er den Zeigefinger und wühlt in seiner Tasche.
Eine Kalimba kommt zum Vorschein. Mit seinen Fingern berührt er vorsichtig eine Klangzunge nach der nächsten. Eine sanfte Melodie ertönt. Die Augen des Jungen öffnen sich einen Spalt weit. Mit einem Mal entspannen sich seine Gesichtszüge. Er schließt die Augen und lauscht der Musik. „Das sind die besonderen Momente“, flüstert der Klinik-Clown beim Verlassen des Zimmers.
Bert ist nur einer von insgesamt siebzehn Klinik-Clowns in Hannover. Sie sind haupt- oder nebenberuflich sowohl in Kinderkliniken als auch in Seniorenheimen unterwegs. Doch wie gehen die Clowns mit den teilweise sehr schwierigen Schicksalen um?
Das Ziel der Klinik-Clowns: Beziehungen zu den Kindern aufbauen
Zwischen den weißen und grünen Kitteln stechen die Clowns optisch deutlich hervor: Bert trägt ein orangefarbenes Hemd mit passenden Strümpfen. „Orange ist meine Lieblingsfarbe“, erklärt Bert lachend. Die graue Hose wird von braun-weiß gestreiften Hosenträgern gehalten. Eine braune Fliege ziert seinen Kragen. Auf dem Kopf trägt er einen beige-rot karierten Hut.
„Unser Ziel ist es in erster Linie, eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen“, sagt er, während er sich seine rote Clownsnase aufsetzt. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) böte in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Chance. „Die Kinder sind hier länger stationiert als das in anderen Krankenhäusern der Fall ist.“ Mit einem Mal betritt eine weitere kostümierte Person den Flur. Es ist Fupp, Berts Duo-Partnerin.
Ablenkung vom Klinik-Alltag
Die Krankheit, die Trennung von den Eltern und eine völlig fremde Umgebung – das sind die Probleme, mit denen die Kinder zu kämpfen haben. Doch wenn donnerstags die Klinik-Clowns kommen, sind die kleinen Patienten für kurze Zeit abgelenkt. „Es ist so eine Freude zu sehen, was unsere Arbeit bewirkt. Du holst die Menschen für einen Moment raus aus ihrem Alltag“, erzählt sie strahlend.
Auf dem Weg zum Fahrstuhl begegnen die Clowns zwei Reinigungskräften. Schon von weitem begrüßen sie die beiden lachend. Sie witzeln herum und Fupp klebt beiden jeweils ein glitzerndes Herz auf ihre grünen Kittel. „Jeder wird hier von uns beachtet und bespielt – von den Reinigungskräften bis zum Oberarzt. Diese Gleichheit ist uns sehr wichtig“, betont Bert. Wie zur Bestätigung kommt ihm ein junger Krankenpfleger entgegen. Er schüttelt ihm die Hand. „Machst du ein Selfie mit mir?“, fragt er im Vorbeigehen.
Spielpartner:innen für kranke Kinder
Alles das, was in den Zimmern passiere, geschehe völlig spontan. So wie bei der kleinen Maria. Die Zweijährige läuft aufgeregt auf die beiden Clowns zu. Die roten Clownsnasen scheinen es ihr besonders angetan zu haben. Sie drückt auf Berts Nase. Ein Quietschen ertönt. Das Mädchen lacht. Dann folgt Fupps Nase. „Au, das war richtig doll“, beschwert sie sich mit verstellt hoher Stimme. Maria klatscht in die Hände. „Wir kommen mit einer Leichtigkeit in das Zimmer rein und suchen jemanden, mit dem wir spielen können. Das wissen die Kinder zu schätzen“, meint Bert.
Die Klinik-Clowns haben alle eine professionelle Ausbildung absolviert. Improvisationstalent, Einfühlungsvermögen und Empathie sind wichtige Fähigkeiten, die man für diesen Job mitbringen muss. „Wir nähern uns an die Kinder, Eltern und Geschwister heran. Das bedarf einer hohen Sensibilität. Ich klopfe immer, bevor ich ein Zimmer betrete. Die Patienten haben dadurch die Möglichkeit, mich reinzuholen oder rauszuschmeißen“, erklärt Bert seine Vorgehensweise, „Alles, was wir in den Zimmern tun, passiert dann völlig spontan.“
Verschiedene Reaktionen der jungen Patient:innen
Trotzdem seien die Reaktionen der Kinder ganz unterschiedlich: Das Spektrum reiche von lautem Schreien über jämmerliches Weinen bis hin zu ausgelassenem Lachen. „Ich liebe dieses Improtheater in den Zimmern, weil man nie weiß, was auf einen zukommt“, sagt Fupp begeistert. Sie holt ein blaues Portemonnaie aus ihrer Hosentasche hervor, in dem sich Sticker, Tattoos und kleine Leuchtsterne befinden. „Zum Abschied schenken wir den Kindern immer ein kleines Geschenk.“
Eine junge Frau winkt die beiden Clowns überschwänglich in ihr Zimmer. „Du brauchst keine Angst zu haben“, beruhigt die Mutter ihre verängstigte Tochter. Die Clowns versuchen, die Stimmung durch ein Versteckspiel zu lockern. Bert streift Fupp ein durchsichtiges Tuch über den Kopf. „Siehst du, wo sie ist?“, fragt er das Mädchen. Sie zeigt in Fupps Richtung. Während Bert im Mülleimer, unter dem Krankenbett und hinter der Tür nach seine Duo-Partnerin sucht, verlässt die Mutter des Kindes zum Telefonieren das Zimmer. Nervös kaut das Mädchen auf ihren Fingern.
Einstellung der Eltern entscheidend für Improvisation
„Für mich stellen Handys und Tablets die größten Herausforderungen dar. Es ist nämlich alles andere als leicht, dagegen anzuspielen“, berichtet Fupp. Bert schaut nachdenklich auf den Boden, bis er ergänzt: „Kritisch wird es auch, wenn die Eltern skeptisch sind. Kinder haben ein feines Gespür dafür. Dann ist es für mich schwierig, einen Startpunkt zu finden.“
Bert klopft an die nächste Tür. Die Mutter nickt zur Begrüßung. Sie hält einen einjährigen Jungen auf dem Arm. Das Baby sieht beim Anblick des Fremden erst verängstigt aus. Doch, als der Clown mit seinen bunten Tüchern jongliert, grinst das Kind leicht. Fupp pustet derweil lauter Seifenblasen durch das Zimmer. Bert zeigt auf den Boden: „Schau mal, ein ganzer Seifenblasenteppich“, erklärt er dem Kind. Die Augen des Babys beginnen, zu leuchten. Es kommt nicht mehr aus dem Staunen heraus.
Die beiden Clowns schmunzeln einander an, während sie die Tür vorsichtig hinter sich schließen. Für heute war es das letzte Zimmer. Der Fahrstuhl führt Fupp und Bert in den Keller des Krankenhauses. Dort steuern sie geradewegs ihre Schließfächer an. Während ihre Kostüme darin verschwinden, holen sie ihre Taschen und Jacken heraus. Voll bepackt mit neuen Eindrücken, Erfahrungen und Erinnerungen verlassen sie die Kinderklinik. Nächsten Donnerstag erwarten sie neue kleine Patient:innen.
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