Eine Deutsche fragt eine Französin auf Englisch: What are your plans for the day? Die Französin antwortet auf Frenglisch: I want to faire les cours. Die Deutsche sagt zu ihrer russischen Freundin auf Italienisch: Andiamo a mangiare una pizza? Die Russin sagt: Ich würde lieber einen Wein trinken gehen. Nastrovje! Die Französin schaut etwas verzweifelt. I didn’t understand anything. But: C’est pas grave!
Ist das ein schlechter Witz? Nein! Es ist pure Lebensrealität. Denn so oder ganz ähnlich kann ein Gespräch in einer multikulturellen Studenten-WG aussehen. Ich lebe gerade in einer solchen. Und Spaß ist dabei garantiert. Aber wie funktioniert das Leben in so einer WG, in der sich noch dazu alle gerade im Ausland befinden?
Unter den vielen Studenten-WGs gibt es inzwischen auch immer mehr, die zum Melting Pot für allerlei Nationalitäten und Kulturen werden. Es gibt deutsch-deutsche WGs, deutsch-gemixte WGs und total gemixte WGs. Und das nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt – und meist da, wo Studenten sind. In Deutschland beispielsweise leben rund 35 Prozent der Studenten in WGs. In Italien (wo wir momentan leben) sieht das ganz anders aus: Hier leben im Schnitt drei Viertel der jungen Leute noch bei ihren Eltern und nur 16 Prozent in Wohngemeinschaften.
Der Mix macht‘s
Sicherlich gibt es noch deutlich wildere Mixe als den einer Russland-Deutschen (die manchmal nicht genau weiß, ob sie mehr Russin oder mehr Deutsche ist), einer aus Israel stammenden Französin und einer sehr präzisen Deutschen, die allesamt in Italien wohnen.
Das Entscheidende aber ist: Es kommt nicht darauf an, wie viele ihr seid, wie multikulti, wie verrückt. Von allem ein bisschen reicht meistens schon aus, um den WG-Alltag mehr oder manchmal auch weniger auf die Reihe zu bekommen.
In einer multikulturellen WG gibt es viele Herausforderungen. Natürlich geht es, wie oben geschildert, schon bei der Kommunikation los. Wir sprechen in unserer WG tatsächlich fünf Sprachen: Ali (Französin) spricht Französisch und Englisch. Dani spricht Russisch, Deutsch, Englisch, Italienisch. Jo (Deutsche) spricht Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch.
Sprachliche (und andere) Herausforderungen
Unsere Lieblingssätze sind: C’est pas grave (Das macht nichts), weil es Alis Lieblingssatz ist. We will see! (Wir werden sehen), weil es in jede Lebenssituation passt. Bisous (Küsschen, wenn wir uns verabschieden) und We are strong (eingeführt, nachdem wir den todesmutigen Kampf gegen unsere Haus-Echse gewonnen haben.) Neuerdings haben wir in den Wortschatz auch noch Je m‘en fiche de lui! aufgenommen: Das bezieht sich auf Männer und heißt so viel wie: Der kann mich mal oder auch (letzter Lieblingssatz) I don’t care!
Die Sprache haben wir also mehr oder weniger im Griff. Wenn wir doch mal nicht weiterkommen, wechselt entweder jeder stur in seine Muttersprache oder, wenn es um Leben und Tod geht, schauen wir auch mal in ein Wörterbuch.
Neben der Kommunikation gibt es allerdings auch noch das Leben drum herum zu bewältigen. Zum Beispiel mussten wir Deutschen unserer Französin erst einmal das Prinzip Mülltrennung beibringen. Oder unserer Russin, dass sie sich nicht immer gleich in russische, apokalyptisch klingende Flüche reinsteigern muss. Oder der Deutschen, dass ein bisschen südländische Unordnung nun wirklich kein Grund zur Aufregung ist.
Wir mussten uns auch erst einmal an unsere verschiedenen Lebensrhythmen gewöhnen. Ali macht sich gefühlt immer erst um Mitternacht Abendessen, während Dani und Jo nach wie vor deutsche Zeiten intus haben. Die Frage „Did you already eat?“ müssen wir daher meistens mit „Yes“ beantworten. Wenn wir es aber doch einmal hinbekommen, unsere verschiedenen Tagesabläufe zu vereinbaren, kommt bei uns alles auf den Tisch: Spanischer Reis, französisches Couscous, die guten alten und von uns heiß geliebten Kartoffeln. Beim Essen wird über alles geredet. Als in Frankreich die Stichwahl stattgefunden hat, haben wir die Stimmauszählung mit Alis französischen Freunden live mitverfolgt. Wenn uns die Weltpolitik mal nicht interessiert, reden wir meist über Männer und entwickeln unsere These, dass Männer wesentlich komplizierter sind als Frauen. Das scheint nämlich in allen Ländern gleich zu sein.
Zugegeben: Manchmal ist es auch anstrengend. Zum Beispiel kann Ali kein Italienisch. Deswegen bleibt die Kommunikation mit unserer Vermieterin oder eventuellen Handwerkern immer an Dani und Jo hängen. Das kann schon nerven. Oder um noch einmal auf unsere Haus-Echse zurückzukommen, wenn wir zum Beispiel am liebsten direkt zur Tat schreiten wollen, um sie zu verjagen, aber uns dann erst einmal in einem italienisch-deutsch-englisch-französischen Diskurs auf eine Strategie einigen müssen.
Respekt und Toleranz sind gefragt
Aber: wir schaffen es trotzdem immer. Und bisher kann jeder von uns von unserer Kombination profitieren. Dani lernt etwas Französisch, Ali etwas Deutsch und Jo von Dani und Ali etwas kochen. Und das ist natürlich längst nicht alles. Das Schönste ist, dass wir wohl für alles offen sind, weil wir wissen, dass das Zusammenleben dann am besten funktioniert. Mit ein bisschen Respekt, Ehrlichkeit und Toleranz kriegen wir auch jede kleine oder große Ungereimtheit (im Putzplan, im Müllrausbringen, im Aschenbecherleeren) gelöst.
Unterm Strich: Wie in jeder WG kann man Glück oder Pech mit seinen Mitbewohnern haben, multinational oder nicht. Vielleicht herrscht in gemischten WGs eine größere Offenheit direkt von Anfang an. Egal, wie es läuft: Es ist eine Erfahrung und eine Riesenbereicherung, in einer multikulturellen WG zu leben. Und en passant lernt man viel über verschiedene Kulturen und viel über Menschen. Wir möchten jedenfalls aus unserer WG eigentlich alle nicht mehr weg.
Die von uns gelebte Vielfalt ist was Schönes. Und deswegen sagen wir uns jeden Abend in einer anderen Sprache „Gute Nacht.“
Schreibe einen Kommentar