Nur einen Klick sind wir vom aktuellen Weltgeschehen entfernt. Und oft genug erfahren wir von negativen Nachrichtenmeldungen, die unsere Seele betrüben und unsere Stimmung stark beeinflussen. Manchmal sogar so stark, dass es einem so vorkommt, als würde das Leid der Welt auf den eigenen Schultern lasten.
Ständig erscheinen auf meinem Display neue Nachrichten und ich bin sofort mit der Negativität dieser konfrontiert. Die Benachrichtigungen handeln von Armut, Ungerechtigkeit, Artensterben, Umweltkatastrophen und der aktuellen Entwicklung der Coronapandemie, nur um einige genannt zu haben. Im Radio höre ich von schrecklichen Ereignissen oder ich sehe im Fernsehen fürchterliche Bilder von verheerenden Waldbränden, Geflüchteten in desaströsen Verhältnissen in Flüchtlingslagern und Corona-Patienten, die um ihr Leben ringen.
Ich bin tagtäglich umgeben von all den Schreckensmeldungen und mir wird schnell alles zu viel. Am liebsten möchte ich schreien vor Wut, Ärger und Hoffnungslosigkeit darüber, dass ich nicht direkt etwas unternehmen kann, um die Welt vom Leid zu befreien. Die Bilder und das Gehörte möchte ich am liebsten vergessen. Radio und Fernsehen schalte ich einfach aus. Eine Ablenkung muss her. Ich bin zwar gut im Verdrängen, doch die Schreckensmeldungen machen was mit mir: Das Weltgeschehen hinterlässt Spuren. Es lässt ein Gefühl da, das von Trauer und Melancholie gefüllt ist.
Was ist Weltschmerz?
Der Begriff „Weltschmerz“ wurde im 19. Jahrhundert erstmals vom deutschen Schriftsteller Jean Paul (1763-1825) geprägt. Damals ist unter Weltschmerz der „Genuss am Leid“ gemeint. In der Musik und Literatur wurde zu dieser Epoche dieses Verständnis von Weltschmerz thematisiert. Heute beschreibt Weltschmerz das Gefühl der Trauer und einer schmerzhaft empfundenen Melancholie, das jemand über die Unzulänglichkeit der Welt empfindet.
Hilfslosigkeit, Ohnmacht und Frust können angesichts der Realität, in der wir leben, entstehen. Menschen, die Weltschmerz empfinden, neigen außerdem zu Pessimismus und Resignation. Infolgedessen treibt es sie in die Realitätsflucht. Weltschmerz tritt besonders dann auf, wenn die eigenen Wunschvorstellungen über den Idealzustand der Welt mit der selbstempfundenen Realität auseinanderklaffen. Demzufolge hängt das Empfinden für Weltschmerz von der Persönlichkeit des Menschen sowie von seinen individuellen Wünschen, Erwartungen und Werten ab.
Drei wichtige Punkte, die dir helfen, Weltschmerz in Positives zu transformieren
Vorweg ist festzuhalten, dass Weltschmerz oft als „Luxusproblem“ oder „First World Problem“ angesehen wird. Natürlich geht es dem größten Teil der westlichen Gesellschaft gut und wir dürfen uns nicht beklagen, ein wenig Weltschmerz zu haben. Es gibt Menschen, denen es schlechter geht und die tagtäglich ums Überleben kämpfen. Doch Weltschmerz kann überfordern und in eine Depression führen, die Betroffene handlungsunfähig macht. Falls du Anzeichen von Weltschmerz haben solltest und dich damit sehr bedrückt fühlst, dann suche dir professionelle Hilfe.
1. Bewusstsein und Achtsamkeit
Durch Globalisierung und Digitalisierung sind wir weltweit vernetzt. Wir werden überflutet von Nachrichten, die uns überall, in Form von Feeds auf Instagram, Facebook und Twitter, begegnen. Erstens ist es wichtig, die Arbeit der Zeitungs-, Online- und Fernsehredakteure zu verstehen. Die Nachrichten werden schließlich aktiv von ihnen gewählt. Und sie wissen, dass negative Schlagzeilen eine höhere Aufmerksamkeit erreichen als einfach gehaltene positive Schlagzeilen.
Mache dir deshalb jeden Tag bewusst, dass da draußen in der Welt auch viele positive Ereignisse geschehen. Lasse dich nicht von der Negativität der Welt erdrücken und versuche, dich der Welt zu öffnen und in ihr das Gute zu sehen. Um die positiven Eindrücke im Tagesablauf besser festzuhalten, kannst du ein Tagebuch führen, wie z.B. ein Dankbarkeitstagebuch. Beim Schreiben fokussierst du dich nur auf das Positive, welches du im Alltag erfährst. So trainierst du, dich positiv zu stimmen. In einer Studie des Psychologen Robert Emmons zeigte sich, dass Menschen, die Dankbarkeitstagebücher führten, vitaler, optimistischer und lebensfreudiger sind.
Gesundes Medienverhalten als Schlüssel zum Glück
Nachrichten sind zwar überall und jederzeit verfügbar. Aber du bist der Nutzer von Medien und es liegt in deiner Hand, wann du Medien konsumieren möchtest. Reflektiere dazu deinen Medienkonsum und erreiche ein gesundes Medienverhalten. Neurowissenschaftlerin Maren Urner spricht hier von der „Medienhygiene“. Wir achten schließlich auch auf Körper- und Gesundheitshygiene, sowie auf unsere Ernährung.
Genauso wichtig sei dementsprechend unsere Medienhygiene, bei der wir darauf achtgeben, welche Nachrichten wir konsumieren. Wir sollen uns vor Überflutung, insbesondere vor „Vermüllung“, unserer Gehirne schützen. Achtsamkeit ist auch hier der Schlüsselbegriff: Du kannst dir ein Zeitfenster nehmen, indem du festlegst, wann du was erfahren möchtest und wie lange du dich dann mit einer Thematik beschäftigst. Wenn du überhaupt nicht bereit bist, Nachrichten aufzunehmen, dann ist es eben so. Du wirst nicht sofort „weltfremd“, wenn du mal einen ganzen Tag abseits der Nachrichtenwelt gelebt hast.
2. Akzeptanz und Mitgefühl
Das Gesetz der Polarität besagt, dass alles Leben auf der Welt ein Wechselspiel von zwei Seiten sei: Tag und Nacht. Gut und Böse. Plus und Minus. Freude und Schmerz. Oder mit dem Sprichwort von Goethe gesagt: „Wo Licht ist, ist auch Schatten.” Ein ständiger Kampf gegen die Realität lässt den Schmerz nicht weniger werden. Aus diesem Grund ist das Annehmen und Akzeptieren des aktuellen Zustands so wichtig. Akzeptanz wirkt zwar wie ein Achselzucken, aber es darf nicht mit Ignoranz verwechselt werden. Ein Kampf gegen die Realität würde zu viel Kraft kosten. Und Ignoranz und Schwarzmalerei führen eben auch zu Nichts. Auch wenn wir uns bemühen, Weltverbesserer zu werden, lässt sich vieles nicht innerhalb kürzester Zeit verändern. Auch dies solltest du akzeptieren.
Außerdem muss Weltschmerz nicht unbedingt negativ behaftet sein. Es zeigt, dass du empathisch bist und du dich durch Einfühlungsvermögen auszeichnest. Dir ist es nicht gleichgültig, wenn Menschen, Tiere und Umwelt leiden. Mitgefühl und Empathie helfen dir dabei, mit einer wohlbesonnenen Haltung das Geschehen auf der Welt zu betrachten und dein Herz für all das, was da ist, zu öffnen – dies gilt auch für das Leid im Leben. Auch du selbst solltest mit all deinen Gefühlen und Gedanken erkennen, was in dir vorgeht und dich selbst akzeptieren, so wie du eben bist. Gestehe dir ein, dass du nur ein Mensch bist, der leider keine Superkräfte besitzt und eben nicht die ganze Welt retten kann.
3. Aktiv werden ohne Eigendruck
Du kannst leiden und solltest dich auch deinen Gefühlen widmen. Denn sie versuchen dir, einen Einblick in dein Inneres zu gewähren. Der Melancholie sollten aber auch Taten folgen und keine Passivität. Die Augen vor Leid und Elend zu verschließen und der Realität zu entfliehen, ist nicht sehr verantwortungsbewusst. Du kannst versuchen, im Rahmen deiner eigenen Grenzen wirksam zu werden. Maß und Umfang, in dem du dich für eine bessere Welt einsetzt, bestimmst du. Für manche bedeutet es, sich vegan zu ernähren oder auf Plastik zu verzichten. Andere werden Teil einer Bewegung, wie der Klimagerechtigkeits-bewegung „Fridays for Future“.
Einer Gruppe, zu der du dich zugehörig fühlst, kann dir deine Hoffnungslosigkeit nehmen und dich durch das Gefühl der Verbundenheit stärken. So ist es auch in Gesprächen mit dir nahestehenden Personen. Du wirst merken, dass du mit deinen Sorgen nicht alleine bist. Und sicherlich bist du nicht die Einzige / der Einzige, der diesen Weltschmerz verspürt. Wieder andere finden Glück und Selbsterfüllung in einem Ehrenamt, wie das Gassi-Gehen mit Hunden aus dem Tierheim. Es gibt Menschen, die in Krisengebiete gehen und vor Ort helfen. Aber lass dich von diesen Beispielen nicht unter Druck setzen. Du kennst dich selbst und deine eigenen Fähigkeiten am besten. Auch wenn der eigene Beitrag so klein erscheint, kann er Großes bewirken. Beispielsweise hätte die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die damals jeden Freitag vor dem schwedischen Parlamentsgebäude für Klimagerechtigkeit demonstrierte, sicherlich niemals gedacht, dass sich ihr mit der Zeit einmal so viele Menschen anschließen würden.
Die Philosophin Sabine Döring meinte in einem Gespräch mit der ZEIT, dass gewisse Entwicklungen in dieser Welt unaufhaltsam, aber sich in der Tat steuern ließen. Aus ihrer Sicht können wir zu autonomen Individuen mit einer zweifellosen Gestaltungsmacht werden, wenn wir erkennen, dass wir nicht all den Prozessen hilflos ausgeliefert sind. Jeder kann im realistischen Rahmen seiner Möglichkeiten wirksam werden, um einen Beitrag für ein gutes Leben zu leisten und damit sogar Positives zu bewirken.
René Stäuble
Herzlichen Dank für diesen Artikel, er hilft mir ein wenig, mit dem täglich schier erdrückenden, sehr belastenden “Weltschmerz”, im ausgeprägtesten Sinne zurecht zu kommen.
Liebe Grüße
R. Stäuble