Das Hitler-Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 gilt als herausragendstes Beispiel aktiven Widerstands gegen das Nazi-Regime. Es jährt sich dieses Jahr zum 75. Mal. Der Weißen Rose als wohl bekanntester „passiven“ Widerstandsgruppe wurde am 15. Juli in München gedacht und über eine Ethik des Widerstands für die heutige Zeit nachgedacht.
Die Gedenk- und Vortragsveranstaltung begann mit der Niederlegung weißer Rosen am Denkmal der studentischen Widerstandsgruppe im Lichthof der Münchener Universität – jenem Ort, an dem Sophie Scholl die gegen Hitler und sein Regime gerichteten Flugblätter der Weißen Rose verteilte und dabei entdeckt wurde. „Weil sie die Menschlichkeit hochhielten, starben sie einen unmenschlichen Tod“, steht auf der Gedenktafel im zweiten Stock. Die Geschwister Scholl und weitere Mitglieder der Weißen Rose bezahlten den Widerstand mit ihrem Leben.
Mehrere von ihnen waren angehende Sanitätsoffiziere, weshalb das Gedenken an die Weiße Rose auch für die Angehörigen der Bundeswehr und ihres Sanitätsdienstes von besonderer Bedeutung ist. Das Gedenken an die Widerständler gegen das Hitler-Regime gehört zur Traditionspflege und Erinnerungskultur der Bundeswehr. Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck stand betend vor dem Bronzerelief der Weißen Rose, an dem die weißen Rosen niedergelegt wurden.
Die zentrale Bedeutung des Gewissens
In seinem anschließenden Vortrag in der Aula der jesuitischen Hochschule für Philosophie betont er, dass eine Ethik des Widerstands in vielfacher Art auch heute zu den Tugenden der Christinnen und Christen gehören sollte. Dabei spiele das Gewissen eine zentrale Rolle, wie es auch bei den couragierten Mitgliedern der Weißen Rose der Fall war. Viele Menschen wurden angesichts der verbrecherischen Nazi-Herrschaft und des grausamen Kriegs in Gewissenskonflikte gebracht, so Overbeck. Doch je totalitärer der Staatsapparat, desto größer die Lebensgefahr, weshalb viele untätig blieben.
Der Bischof betont: Auch die Weiße Rose war sich des enormen Risikos sehr bewusst. Dennoch folgten sie ihren christlich inspirierten moralischen Prinzipien. „Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen“, schrieben die Mitglieder der Weißen Rose im vierten ihrer insgesamt sechs Flugblätter. Mit ihnen wollten sie alle Deutschen für den Weg des passiven Widerstands ermutigen und ihnen ihre moralische Verpflichtung ins Gewissen reden.
Ethik des Widerstands heute
Zur Frage, wie die Geschwister Scholl auch für uns heute Vorbild sein können, ermahnt in der anschließenden Podiumsdiskussion der christliche Sozialethiker Prof. Dr. Markus Vogt nicht zuletzt auch die katholische Kirche zu einem kritischen Blick auf ihre Erinnerungskultur: Viel häufiger wird Heiligen aus Antike und Mittelalter gedacht als jenen des 20. Jahrhunderts. Über Konfessionsgrenzen hinweg haben die Mitglieder der Weißen Rose gemeinsam Widerstand geleistet. Daher böte sich hierbei nach Vogt Chance zur Entfaltung einer ökumenischen Erinnerungskultur gemeinsam mit der evangelischen Kirche.
Auch eine weitere Frage war Thema: Die Erlebnisgeneration des Widerstands gegen die Nazi-Diktatur ist kaum mehr unter uns; Traute Lafrenz, die letzte Überlebende der Weißen Rose, ist dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Wie können wir ihren Geist weitertragen? Das Erstarken nationalistischer Kräfte wie der AfD, in der das Andenken an die Weiße Rose, deren Geisteshaltung doch in krassem Kontrast zum Ungeist von Höcke und seines immer einflussreicheren Flügels steht, bereits schändlich missbraucht wurde, und nicht zuletzt der rechtsextremistische Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeigen, dass eine Ethik des Widerstandes auch aktuell vonnöten ist. Auch heute braucht es Menschen, die das böse Gewissen all derjenigen sind, die Menschenwürde, Menschenrechten und Demokratie – sei es offen oder kaschiert – Verachtung entgegenbringen.
Was sind heute die Gewissensfragen; wo sind wir heute zu Widerstand aufgerufen?
Karolina
Großenteils gelungener Artikel, nur dieser billige und missbrauchende Gedankengang „Die Weiße Rose würde heute Widerstand gegen die AfD leisten“ stört mich massiv, weil er historisch einfach falsch ist:
Es gab nämlich ein paar Mitglieder der Weißen Rose, die den Krieg und die Nazizeit überlebt hatten. Die Geschwister Susanne und Hans Hirzel zum Beispiel, die genauso unter Lebensgefahr gegen die NS-Diktatur gekämpft hatten wie Sophie Scholl.
Die Geschwister Hirzel waren später in der Bundesrepublik erneut politisch aktiv. Aber nicht bei den Linken, den Grünen oder der SPD, sondern bei den rechts-konservativen „REPUBLIKANERN“.
Für viele war das der politische Super-Gau, weil es nicht sein konnte, dass zwei Widerstandskämpfer plötzlich „rechtsextremes“ Gedankengut vertreten. Man unterstellte ihnen sogar, dass sie „senil“ geworden sein müssen. Anders konnte man sich das nicht erklären…
Für die Geschwister Hirzel war es aber kein Widerspruch als Widerstandskämpfer später politisch rechts zu sein, im Gegenteil! Auf die Frage, ob die „Weiße Rose“ denn auch patriotisch motiviert gewesen sei, antwortete Susanne Hirzel im Jahr 2002:
„Auf jeden Fall, man handelte bewußt für Deutschland, hatte eine Zukunftshoffnung für unser Vaterland…“
[Quelle des Zitats: http://www.jf-archiv.de/archiv02/092yy29.htm%5D
Lars Schäfers
Guten Tag Karolina,
“unhistorisch” scheint mir vielmehr zu sein, durch Verweis auf Hans und Susanne Hirzel darauf zu schließen, dass deren späteres(!) politisches Engagement in einer rechtsextremistischen Partei ideologisch völlig widerspruchslos zu ihrem Engagement in der Weißen Rose stünde. Da die AfD insbesondere mit ihrem Höcke-Flügel immer mehr offenbart, dass in ihr ein Ungeist herrscht und herrschen darf, der dem der Nationalsozialisten zunehmend ähnlicher wird, kann man zu Recht den Widerstand der Weißen Rose als ein Vorbild gewaltlosen Widerstandes gegen jedwede Verharmlosung bis Propagierung von Nationalismus (der übrigens nicht gleichzusetzen ist mit Patriotismus, und schon gar nicht so, wie REP und AfD diesen verstehen) und rechtsextremistisches Gedankengut deuten.