Heimat ist ein gefühlvolles und persönliches Thema, das auch schon junge Menschen beschäftigt. Es sind Augenblicke, Gerüche, Worte oder einfach nur ein Kuss, der dafür sorgen kann, dass ein neuer Ort der Geborgenheit entsteht oder ein alter Rückzugsort für immer zerstört wird. Christian Erxleben hat sich auf die Suche nach der Heimat begeben.
Heimat – auf den ersten Blick ein leicht zu definierender Begriff. Doch wenn man sich länger darüber Gedanken macht, fällt die unglaubliche Weite und schwere Fassbarkeit dieses Wortes auf. Der preußische Gelehrte und Mitbegründer der Berliner Universität Wilhelm von Humboldt verstand unter Heimat die „Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten.“
Die Frage nach der persönlichen Bedeutung von Heimat ist vielseitig. In einer ersten spontanen Reaktion würden die meisten wohl ihren aktuellen Wohnort nennen, weil sie hier ihren Alltag verbringen, Freunde treffen und ihren Lebensmittelpunkt haben. Diese Antwort ist jedoch nur kurzfristig befriedigend, denn insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihren Eltern oder für das Studium öfter umgezogen sind, sehen ihren Wohnort mehr als Zwischenstopp auf einer weiten Reise.
Um den Begriff der Heimat zu durchdringen, müssen wir also folglich weiter in unserem Leben zurückblicken. Wir müssen zurückkehren an den Ort unserer Geburt. Der Geburtsort kommt der Heimat schon deutlich näher als der Wohnort. Hier hat man das Licht der Welt erblickt und seine ersten Erfahrungen gemacht. Sprechen und womöglich laufen gelernt. Egal wie lange man in der Welt unterwegs war oder welche beeindruckenden Orten man besucht hat, wenn man an seinen Geburtsort zurückkommt, überkommt viele Menschen ein tiefes, starkes Gefühl der Liebe, Behaglichkeit und Verbundenheit.
Zumindest solange wir diese Stadt oder diese Wohnung mit positiven Gefühlen verbinden. Denn dringt eine schlechte Erfahrung in unser Unterbewusstsein ein, kann sich das wohlige Heimatgefühl schnell wandeln in einen Zustand des Flüchtens und Unfreundlichen. Manchmal wirken einzelne Momente und Augenblicke wie ein Schlüssel zu den Türen des Unterbewusstseins. Eine Emotion dringt an die Oberfläche und verändert uns. Das kann ein Streit mit unseren Eltern oder eine negative Erfahrung im Sportverein sein. Plötzlich wünschen wir uns einen neuen Ort, der uns beherbergt.
Ebenso kann ein einzelner Augenblick aber auch der Grundstein für eine neue Heimat sein. Wer sich auf eine spontane Reise begibt, um eine neue Welt kennenzulernen und dort in absoluter Fremde durch einen Kuss Halt findet, wird all das Negative in Harmonisches verwandeln. So reicht ein Wimpernschlag aus, um in uns ein neues Fundament zu verankern. Eben dieses Gefühl beschreibt die amerikanische Band „Edward Sharpe & the Magnetic Zeros“ in ihrem Lied home, wenn sie singen: „Home is wherever I am with you“.
Wie das mitreisende Pulsieren in unseren Adern und das beschwingte Pochen unseres Herzens, wenn wir frisch verliebt sind, ist auch unsere Nase eng mit unseren Empfindungen verbunden. So kann es durchaus passieren, dass wir durch ein angenehmes Parfum angenehm von einem Fleck auf dieser Erde überrascht sind, dass wir uns niederlassen und eine neue Lebensphase begründen wollen. Im Gegenteil kann der unangenehme Geruch in einer unaufgeräumten Wohnung uns auch jegliches Heimatgefühl innerhalb kürzester Zeit rauben.
Diese unterschiedlichen Gefühlskatalysatoren zeigen, dass nicht nur unser Wohn- oder Geburtsort unsere Heimat näher beschreibt. Es kann genauso eine Umgebung sein, in der man vollkommen im Reinen mit sich ist, seine innere Ruhe findet und die Gedanken schweifen lassen kann – unsere geistige Heimat. Was alle diese emotionalen und lokalen Domizile gemeinsam haben ist, dass sie für dich – und nur für dich – einen geheimen, persönlichen und kraftspendenden Rückzugsort bilden.
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