Zwölf Buchstaben. So wenige Zeichen für ein Wort, das so mächtig ist: Freundschaft. Unerklärlich, unverständlich, unvergesslich, unzerstörbar. Diese Art der Beziehung zwischen zwei Menschen lässt sich schwer fassen. Christian Erxleben erlaubt uns einen Einblick in seine persönlichen Empfindungen und Gedanken.
Freundschaft. Was ist das eigentlich? Wie schwer dieser Begriff zu erklären ist, habe ich erst richtig gemerkt, als ich versucht habe, eine Definition zu finden. Dadurch zeigt sich gleich ein erstes Charakteristikum von Freunden. Man spürt sie nicht. Nicht immer. Freunde sind Menschen, die ein feines Gespür für meine Gefühle und Bedürfnisse haben. Wenn mich etwas bedrückt, spüren sie das sofort und wissen zugleich, dass sie mir Zeit geben müssen, um diese Probleme zu verarbeiten.
Trotzdem sind sie auch um drei Uhr nachts am Telefon erreichbar und haben stets ein offenes Ohr. Egal wie oft man den gleichen Fehler wieder gemacht hat, egal wie oft man aus einem unerklärlichen Grund alte, längst vergessene Liebesbeziehungen aufleben lassen will – wahre Freunde hören sich deine Sorgen, Wünsche und Hoffnungen auch zehnmal an. In diesen Momenten sind sie nicht etwa genervt oder schockiert, wie unbelehrbar man sich nach all der Zeit noch zeigt, sondern sind verständnisvoll.
Es ist dieses unerklärliche Vertrauen, das sich mir selbst in diesen Situationen einfach nicht erklären lässt. Freundschaft ist wie ein unsichtbares Band, das Stärke und Kraft überträgt und zugleich Trauer und Depressionen schmälert. Denn bevor ich einen Psychologen aufsuchen würde, würde ich mich viel eher an einen Menschen wenden, der mich schon seit Jahren, womöglich mein ganzes Leben lang, kennt – mit all meinen Stärken und Schwächen. Einem Freund muss ich nicht erst meine Geschichte erzählen, damit er die tiefsten Abgründe meiner Seele ergründen kann. Er weiß, wie ich ticke und was ich brauche. Eine Intimität intensiver als der erste Kuss. Geborgenheit und Sicherheit.
Was jedoch besonders in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung des Alltags nicht vergessen werden darf, ist ein eigentlich unbedeutend erscheinende Eigenschaft eines Freundes: Im Gegensatz zu flüchtigen Bekanntschaften hat er nicht nur Zeit, um sich im Facebookchat mit dir zu unterhalten. Nein, ein Freund trifft sich mit dir oder hat zumindest die Zeit zu telefonieren. Denn, wie ich erfahren musste, verfälschen die sozialen Medien brutal die Bedeutung der Wörter Freund und Freundschaft. Im Internet sind auch Menschen, die du kaum kennst oder womöglich sogar nicht einmal leiden kannst deine „Freunde“.
Wie unlängst auch wissenschaftlich bewiesen wurde, schafft physische Nähe ein positives Gefühl. Dabei geht es nicht um den Austausch von Zärtlichkeiten, sondern um die reine Anwesenheit in deiner direkten Nähe. Alleine durch die Präsenz meiner Freunde, durch das Gewissen, dass sie mich in meinem Handeln unterstützen werden, gewinne ich an Selbstvertrauen. Das ist nur möglich, weil sich unsere Freundschaft auf gemeinsamen Erlebnissen stützt, die uns geprägt haben und die wir nie vergessen werden.
Meine ersten Erinnerungen vom gemeinsamen Eishockey-Spiel auf der zugefrorenen Wiese oder verrückten Radrennen auf Spielplätzen haben sich bei mir und meinen Freunden auf ewig eingebrannt. Nichts kann geschehen, niemand kann in mein Leben treten, sodass ich den Grundstock meiner Freundschaften vernichten wollen würde.
Und sogar, wenn man seine Freunde aufgrund von Universität, Urlaub, Umzügen oder anderen Unannehmlichkeiten für mehrere Monate nicht sehen kann, verändert sich in einer Freundschaft nichts. Freundschaften überleben Pausen, weil sie mehr sind, als die Bekanntschaft zweier Menschen. Ein Freund ist neben der Familie der wichtigste Mensch in deinem Leben, weil er immer da ist und sich trotzdem ab und zu rar macht. Weil man sich zusammen freut und zusammen streitet. Doch für mich ist bei alledem, was meine Freunde für mich bedeuten, eines besonders wichtig: Ich bin auch ihr Freund. Ihr Helfer. Ihr Seelsorger. Danke für euch.
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