Papst Franziskus hat mehrfach betont, wie wichtig der interreligiöse Dialog ist, dem sich die katholische Kirche verschrieben hat. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Buddhismus? Und was sind Unterschiede, gar Gegensätze? Lars Schäfers ist diesen Fragen nachgegangen und hat das Verhältnis zwischen Christentum und Buddhismus ausgelotet.
Eine große goldene Buddha-Statue in Thailand. Eine heilige Stätte, die so reich verziert und vergoldet ist, dass so manche katholische Barockkirche da nicht mithalten kann. Die meist jungen Gläubigen ziehen vor dem Betreten des Gebetsraumes ihre Schuhe aus, begeben sich zur Statue und entzünden ihre Räucherstäbchen an dem reich geschmückten und blumenbesetzten Altar. Sie knien sich hin, werfen sich in regelmäßigen Abständen zu Boden und sprechen leise ihre Gebete. Sie gehören zu den vielen Millionen Menschen weltweit, die – so ihr Glaubensbekenntnis – ihre Zuflucht zum Buddha, zum Dharma (zur Lehre) und zum Sangha (zur Glaubensgemeinschaft) nehmen.
Der indische Fürstensohn Siddharta Gautama, des Lebens am Hof überdrüssig, revolutionierte nach seiner Konfrontation mit der Vielfalt menschlichen Leidens und seiner darauffolgenden Erleuchtung die bisherigen Denkweisen der hinduistischen Tradition und wurde so zum Begründer einer neuen Religion. Heute ist sie eine weitverbreitete Weltreligion und eine derjenigen, von der die katholische Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Dokument „Nostra Aetate“ sagt, sie lehne „nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“ Das ist die doktrinelle Grundlage des katholischen Christentums für den interreligiösen Dialog.
Das Ziel: Frieden unter den Religionen
Ein solcher Dialog ist in unserer heutigen Zeit wichtiger denn je. Wenn man bedenkt, dass viele aktuelle Konflikte und Krisen in der Welt häufig auch auf religiösen Ursachen beruhen, zeigt sich, dass es keinen Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen geben kann. Besonders Papst Johannes Paul II. hat dies erkannt und sich wie kein anderer Papst zuvor für den Dialog der Kirche mit den anderen Religionen eingesetzt. Dieses Bemühen gipfelte in den Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi, zu dem die Päpste seit 1986 bereits viermal eingeladen haben.
Auch mit den Buddhisten pflegt die Kirche seither den Dialog, nicht zuletzt auch durch die verschiedenen Treffen der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mit dem Dalai Lama. Der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog sendet jährlich eine Botschaft zum buddhistischen „Vesakh/Hanamatsuri-Fest“, in der gemeinsame Überzeugungen und Werte, die beide Religionen miteinander verbinden, dargelegt werden. Die katholische Kirche erkennt nämlich in Nostra Aetate an, dass im Buddhismus „das radikale Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt [wird], auf dem die Menschen mit frommem und vertrauendem Sinn entweder den Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder – sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu gelangen vermögen.“
Ein Ethos der Achtsamkeit und Selbstlosigkeit
Die größte Gemeinsamkeit zwischen Christentum und Buddhismus besteht zweifelsohne auf dem Gebiet der Ethik. Die „Vier Edlen Wahrheiten“ Buddhas über das Leiden sind mit dem achtfachen Pfad zum Nirwana, zur endgültigen Befreiung vom Leid verknüpft. Es handelt sich um ein Ethos der Selbstlosigkeit, das genau wie die christliche Tugendlehre vor extremen Haltungen und Handlungen warnt und auf den allgemeinen Sittengeboten „nicht töten“, „nicht lügen“, „nicht stehlen“ und „nicht Unzucht treiben“ gründet, die so auch in den jüdisch-christlichen Zehn Geboten zu finden sind. Genau wie im Christentum gibt es im Buddhismus ein Mönchtum, in dem die entsprechenden Lebenshaltungen intensiv gelebt und eingeübt werden, nur dass die Mönche im Buddhismus einen viel höheren Stellenwert einnehmen als im Christentum. Das buddhistische Mönchtum mit seinen reichhaltigen Weisheitslehren, seinem Streben nach Achtsamkeit und seinen Meditationstechniken übt eine große Faszination auf den modernen westlichen Menschen und auch auf Christen aus. Letztere können in diesem Mönchsethos viel Wahres und Heiliges entdecken, was auch für ihr Glaubensleben fruchtbar gemacht werden kann.
So sehr es im Christentum auch um die Minderung des Leidens in der Welt durch tätige Nächstenliebe geht, so sehr unterscheidet es sich doch hier vom Buddhismus durch den Glauben an Jesus Christus, der das Leiden im Letzten nicht vermieden, sondern auf sich genommen hat. Das hilft den Leidenden, sich von ihm angenommen zu fühlen und zu wissen, dass Gott das Leid der Menschen kennt und sich ihm selbst ausgesetzt hat. So können sie ihrem Leiden einen Sinn geben, wenn es schon in dieser Welt nie vollständig gelindert werden kann. Am wenigsten Schnittpunkte zwischen beiden Religionen gibt es bei den Fragen nach dem Woher und Wohin von Welt und Mensch. Hier geht der Buddhismus mit der Lehre von Karma und Wiedergeburt und der Vorstellung vom Nirwana, das im Gegensatz zum personalen Gottesbild des Christentums ein unpersönliches Absolutes meint, ganz andere Wege.
Zusammenwirken statt Proselytismus
Die gemeinsamen ethischen Überzeugungen sind deshalb der Anknüpfungspunkt, von dem aus beide Religionen nicht nur im Dialog, sondern auch im konkreten Handeln zusammenwirken können. Dies gilt insbesondere für die buddhistisch geprägten südostasiatischen Länder wie Thailand, wo Armut, Korruption und soziale Ungleichheiten ein gemeinsames caritatives Handeln beider Religionen fordern. In dem aufsehenerregenden Interview mit der Zeitung „La Repubblica“ brachte Papst Franziskus es in bemerkenswerter Klarheit auf den Punkt: „Proselytismus ist eine Riesendummheit, er hat gar keinen Sinn. Man muss sich kennenlernen, sich zuhören und das Wissen um die Welt um uns vermehren […]. Die Welt ist durchzogen von Straßen, die uns voneinander entfernen oder die uns näher zusammenbringen, aber das Entscheidende ist, dass sie uns zum Guten hinführen.“ Dies gilt auch für den Dialog und das Zusammenwirken zwischen Christentum und Buddhismus.
Schauen wir nicht einseitig auf die Unterschiede zwischen beiden Religionen und auf diejenigen Dimensionen des Buddhismus, die für Christen fremd sind, sondern gehen wir gemeinsam auf der Straße des Guten, um hier Gemeinsames zu entdecken. Wenn in Südost- und Ostasien, wo der Buddhismus am meisten verbreitet ist, nicht die Bekehrung der jeweils anderen, sondern das gemeinsame Wirken für die Menschen in dieser Weltregion im Vordergrund steht, kann hier die Botschaft Jesu Christi vielleicht so auch die Herzen mancher Menschen erreichen, ohne dass sie die wertvollen Weisheiten und Lebenshaltungen Buddhas deshalb aufgeben müssten.
Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation mit der Stabsabteilung Medien im Erzbistum Köln. Jeden dritten Sonntag im Monat schreiben wir exklusiv einen Gastbeitrag für die Facebook-Seite Erzbistum Köln.
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