Die erste eigene Wohnung, Reisen, Studium, Berufseinstieg und Beziehungen – Unsere Zwanziger sind voll von Veränderungen und Neuanfängen. Das alles kann zu Beginn ziemlich beängstigend sein. Ein Bericht über die ersten Schritte in den Zwanzigern.
Als ich meinen mit Marzipanrosen geschmückten Geburtstagskuchen entgegennehme, habe ich für einen kurzen Moment das Bedürfnis, ihn einfach fallen zu lassen. Er fühlt sich nicht mehr so magisch an wie früher, als meine Freunde an meiner Haustür klingeln oder mir einen selbstgebackenen Kuchen in die Schule mitbringen.
Heute setzt er mich unter Druck. Dieser Tag ist wie ein großes Symbol, das vor meinen Augen aufblinkt. Aufschrift: ,,ACHTUNG! DIE ZEIT RENNT!’’ Ich fühle mich in diesem Moment steinalt. Es fühlt sich jetzt schon so an, als würden mir die Stunden wie Sand durch die Finger rinnen. Es macht mir Angst und dabei ist es doch erst mein 22. Geburtstag.
Endlich 20: Der Start eines neuen Kapitels
Den Beginn meiner Zwanziger habe ich mit Wohlwollen gefeiert. Die große 2 vor der 0 war wie die Tür zu einem neuen Leben, der Weg ins Schlaraffenland der Erwachsenen.
Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon meine erste eigene Wohnung dekorieren, auf High Heels durch das Büro schlendern und voller Zielstrebigkeit an meiner Karriere arbeiten. Mein Twentysomething-Ich sollte eine Art Superhero sein. Mutig und bereit, es mit den Herausforderungen des Erwachsenenleben aufzunehmen. Selbstbewusst und geradlinig, um durchzustarten.
Es dauerte allerdings nur ungefähr ein halbes Jahr, bis ich von meiner rosaroten Wolke fiel und auf den Boden der Realität aufklatschte. Schon an der ersten Hürde meines Erwachsenenlebens war ich hängengeblieben: Ich konnte mich schlichtweg nicht entscheiden.
Reisen? Studieren? Ausbildung? FSJ? Praktikum? Frankfurt, Mannheim oder Hamburg? WG oder Einzelwohnung?
Obwohl ich mich vorbereitet und informiert hatte, überforderte mich die Breite und Vielfalt an Möglichkeiten nach meinem Abi.
Die Angst vor falschen Entscheidungen
Und so wuchs gleich zu Beginn meiner Zwanziger eine zuvor unbekannte Angst in mir: Die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Entscheidungen waren schon zuvor ein Teil meines Lebens gewesen, aber die Entscheidungen, die ich nun treffen musste, waren wie riesige Steine, die ich nicht umgehen konnte. Und nur ich allein war dafür verantwortlich. Es war meine Entscheidung. Nur meine.
Unsere Zwanziger sind die Zeit, in der wir die meisten und die grundlegendsten Entscheidungen unseres Lebens treffen. Ein Studiengang, ein Partner, eine neue Stadt, ein Beruf, ein Stadt – wir müssen uns entscheiden. Und immer entscheiden wir mit der Angst, vielleicht nicht das Richtige ausgesucht zu haben, nicht neben dem richtigen Menschen einzuschlafen, nicht in der richtigen Vorlesung zu sitzen oder nicht das Leben zu leben, was wir uns zuvor so schön ausgemalt haben. Unsere Erwartungen lassen wir dabei nie aus den Augen. Sie sind unser größter Antrieb und unser größtes Hindernis zugleich.
Wir verirren uns schnell im Dschungel der Möglichkeiten, neigen zu Umwegen und verschwenden Zeit damit, Affen zuzuschauen, anstatt endlich Entscheidungen zu treffen. Wir suchen Hilfe, vielleicht einen Rat von den Eltern, doch schnell kommt die Einsicht: Sie wissen es auch nicht besser als wir. Vorbei ist die Zeit, in der uns unsere Eltern wie Superhelden vorkamen, die für jedes Problem die richtige Lösung parat hatten. Sie versuchen uns zu helfen, doch letztendlich können wir uns nicht mehr hinter ihnen verstecken. Wir müssen uns selbst raus ins Leben wagen, unsere eigenen Lösungen suchen und am Ende des Tages irgendwie zurecht kommen.
Freiheit kann anstrengend sein
Ich entschied mich am Ende – nach langem Abwägen – dafür, eine Weltreise zu machen (Was ich übrigens nur empfehlen kann!). Auf meiner Reise lernte ich, Verantwortung für mich selbst und meine Taten zu übernehmen. Ich wurde nicht nur einmal übers Ohr gezogen, doch ich hatte gar keine andere Wahl, als mich zusammenzureißen und auch aus schwierigen Situationen das Beste zu machen. Nach der Reise dachte ich, ich sei nun gewappneter für das Twentysomething-Leben, doch es kamen weitere Herausforderungen, die mein Leben in ein kunterbuntes Chaos verwandelten.
Ich musste mich wie eine Kandidatin bei Heidi Klum auf Wohnungs-Castings vorstellen, für meinen Bafög Antrag die Karriere meiner 10-jährigen Schwester darlegen und in einem Irrgarten aus Universitätsgebäuden das Prüfungsamt ausfindig machen. Omas leckere Gerichte wurden durch fünf Mal die Woche Nudeln mit Tomatensoße oder wahlweise Döner ersetzt, die Ikea Möbel mussten ohne Männerhilfe aufgebaut werden und das wöchentliche Einkaufen ersetzte ab diesem Zeitpunkt mein Krafttraining.
All die Freiheit, die ich mit dem Erwachsenwerden erhielt: in einigen Momenten hätte ich sie lieber gegen die familiäre Geborgenheit und alten Regeln zurückgetauscht. Einerseits genoss ich es, mein Leben endgültig selbst in die Hand nehmen zu können ungebunden und unabhängig zu sein. Doch andererseits war es irgendwie beängstigend, nun selbst all die Verantwortung für mein Glück zu tragen.
Zu Beginn unserer Zwanziger machen wir uns einen Plan. Ein Plan, der uns dabei helfen soll, glücklich zu werden. Es spuken bereits genaue Vorstellungen in unserem Kopf herum. Allerdings sind die Zwanziger für viele von uns so etwas wie eine Umbruchphase. Wir grübeln über Dinge nach, zu denen wir zuvor nicht mal einen Gedanken verschwendet haben. Wir hinterfragen Entscheidungen und gesellschaftliche Prinzipien. Und dann setzten die Zweifel ein. Zweifel, ob wir die richtigen Ziele verfolgen. Zweifel ob wir überhaupt eine Karriere machen wollen. Zweifel, ob wir den richtigen Werten folgen.
Werte verändern sich
Durch die Erfahrungen (Reisen, Unileben, Umzüge, Partys), die ich in den ersten Jahren meiner Zwanziger gemacht habe, haben sich viele meiner früheren Ansichten und Werte wesentlich verändert. Geld, Ruhm und Berufserfolg erscheinen mir von Tag zu Tag weniger wichtig, während Freundschaft, Liebe und Familie immer stärker an Bedeutung gewinnen.
Ich stellte beispielsweise vor einiger Zeit fest, dass ich nicht jeden Tag acht Stunden mit High Heels und strengem Dutt am Rechner sitzen will. Das typische Karriebild verblasste und ich begann, meine Vorstellungen von Erfolg und Leben noch einmal von Grund auf neu zu ordnen. Dieser Schritt war unerwartet und hat mich ein bisschen aus der Bahn geworfen. Ich musste meine Ziele noch einmal komplett neu gestalten, mir überlegen, was für ein Leben ich später führen möchte. Doch so ist es in den Zwanzigern.:
Wir bauen nun unser Leben auf, suchen unsere eigenen Werte und einen vernünftigen, neuen Plan. Mit jeder Erfahrung, die wir Anfang Zwanzig machen, öffnen wir uns die Türen zu neuen Ansichten und Meinungen. Manche Ansichten werfen wir über den Haufen, manche werden für immer bleiben. Da kann es normal sein, dass man sein Leben manchmal zu 180 Grad dreht und noch einmal eine andere Sichtweise sucht.
Die Zeit rennt
Bei all der Veränderung und Sinnsuche haben wir schnell das Gefühl, uns laufe die Zeit davon. Ehe wir uns versehen, sind wir schon 22, dann 25 oder 28. Die Zeit scheint von Jahr zu Jahr schneller an uns vorbeizufließen und wir versuchen verzweifelt, all die wunderbaren Momente unserer Jugend festhalten.
Als ich vor kurzem einen guten Freund aus der Abi-Zeit traf, dachte ich abends auf dem Nachhauseweg: „Vor drei Jahren saßen wir noch alle zusammen auf der Schulbank und jetzt schwirren wir alle irgendwo in der Welt umher, erschöpft und zugleich angetrieben von diesen Jahren, die wir uns als die schönsten unseres Lebens vorgestellt haben.“
Wieder erfüllte mich Angst. Angst, dass ich nicht all das schaffe, was ich mir vorgenommen haben, dass ich keinen Partner finde oder das Leben nicht genug ausnutze, bevor ich 30 werde. Wir sind hin alle und hergerissen zwischen der Jobsuche und der Suche nach Abenteuer. Lieber Reisen? Oder doch besser Arbeitserfahrung sammeln und den Lebenslauf polieren? Langsam realisierte ich, dass es nicht den einen Zeitpunkt gibt, auf ich so gewartet hatte.
Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem wir ins Paradies der Erwachsenen taumeln und auf einmal wunschlos glücklich sind. Auch wenn wir mit dem Studium fertig sind oder den Menschen gefunden haben, mit dem wir unser Leben verbringen wollen, heißt das nicht, dass plötzlich alle Sorgen verschwinden. Das Leben wirft uns immer wieder neue Hindernisse in den Weg, mit denen wir lernen müssen, umzugehen. Anstatt zu verzweifeln, müssen wir in unseren Zwanzigern lernen, das Beste aus schwierigen Situationen zu machen und daran zu wachsen. Der eine Moment, an dem wir komplett glücklich sind, wird nämlich nie kommen, wenn wir ihn nicht selbst erschaffen und lernen, das Schöne schon auf dem Weg zu finden und nicht erst am Ziel.
Früher habe ich immer geglaubt, ich wäre glücklich, wenn ich erst einmal erwachsen bin. Bullshit. Keiner von uns wird an irgendeinem Moment in seinem Leben automatisch glücklich. Wir müssen selbst an unserem Erfolg arbeiten, in jedem noch so anstrengendem Tag ein Funken Freude finden und dürfen nicht von der Welt erwarten, dass sie uns glücklich macht. Das Leben besteht aus Herausforderungen und ist oft nicht einfach, doch wie könnten wir uns auf die guten Momente freuen, wenn es keine schlechten Momente gäbe? Wir wir die Dinge betrachten, das können wir selbst entscheiden. Und genau das kann der entscheidende Unterschied sein.
Unsere Zwanziger sind eine Chance
Als ich darüber nachdachte, realisierte ich, dass trotz all der Ängste, die die letzten Jahre mit sich gebracht hatten, all der Unsicherheit und den Zweifeln, meine Zwanziger mich bereits verändert haben:
Ich bin selbstsicherer geworden, einfühlsamer und besonders wegen all der Dinge, die ich nicht ändern kann, habe ich ein großes Stück Gelassenheit dazu gewonnen.
Neben all den gesellschaftlichen Erwartungen und neuen Problemen, bringen unsere Zwanziger vor allem eines mit: Eine Chance zu Veränderung und Besserung. Teilweise mag diese Chance wie eine Pflicht erscheinen. Wir müssen uns verändern. Doch genau das bietet uns wieder die Freiheit selbst zu wählen, selbst darüber zu entscheiden, wer wir sein wollen.
Anstatt über Entscheidungsmöglichkeiten zu verzweifeln, sollten wir versuchen, uns selbst so gut wie möglich kennenzulernen, herauszufinden, wo wir unsere Prioritäten setzen möchten im Leben. Dass das schwierig ist, weiß ich aus einiger Erfahrung.
Doch eines weiß ich besser als damals an meinem 22. Geburtstag:
Unsere Zwanziger sind zu kurz, um verängstigt zu sein. Also lass uns gemeinsam die Angst über Bord schmeißen und unseren Weg gehen.
Lass uns Reisen gehen, viel lernen, unsere Träume und Ideen verwirklichen und jedes neues Lebensjahr feiern als ein neues Stück Erfahrung, das wir dazu gewonnen haben.
Unsere Zwanziger haben ihre ganz eigene Magie.
Jonas Claasen
Das ist tatsächlich ein großes Problem unserer Zeit! Im dritten Jahrzent unseres Lebens wollen wir Ihn finden, den Sinn dahinter. Ich finde, Du hast den Nagel mit Deinem Artikel auf den Kopf getroffen. Ganz große Klasse! Es lohnt sich Hoffnung, Mut und Selbstvertrauen zu verlieren wenn man diesen flachen Artikel liest. Mal im Ernst – da steckt wirklich gar keine Message hinter dem, was Du geschrieben hast verbirgt sich eine junge Frau, die Den Sinn des Lebens hinerfragt! Weiter so! F1rstlife leistet einen super Beitrag!