Niemand glaube an die Gefängnispastoral. Frage man die Menschen, dann müsse man sich nicht darum kümmern. Maria Christina Santacruz, Koordinatorin der Gefängnisseelsorge auf dem Gebiet der Erzdiözese Guayaquil im Westen von Ecuador, aber weiß: „Die Bibel sagt mir, dass die Barmherzigkeit Gottes auch für die verstocktesten Sünder da ist.“
Fünf Gefängnisse mit über 12.000 Insassen gilt es, zu betreuen
Ihr Bekenntnis könnte für trotzig gehalten werden angesichts und gerade trotz der Arbeit, die zu tun ist: Fünf Gefängnisse sind zu betreuen – mit über 12.000 Menschen als Inhaftierte. Die Tendenz ist steigend, denn Ecuador, das einst als eines der sichersten Länder Lateinamerikas galt, versinkt in Bandenkrieg und Chaos. Die Mordrate stieg, staatlichen Angaben zufolge, im vergangenen Jahr um fast 70 Prozent.
Zum zweiten Mal seit November 2023 hat der amtierende Präsident Daniel Noboa den Ausnahmezustand ausgerufen und Gefechte zwischen Militär und dem organisierten Verbrechen bestimmten den Alltag. Durch die unübersichtliche Lage sind die Gefängnisse dementsprechend überfüllt. Teilweise brachen auch dort Revolten aus, die erst nach Wochen unter Kontrolle gebracht werden konnten.
Maria Christina Santacruz: „Die Verachteten lieben“
Herausfordernd sei es, die „am wenigsten Geliebten, die Unbedeutenden und die Verachteten zu lieben und sich für sie einzusetzen“, sagt Maria Christina Santacruz. Viele der Inhaftierten sind zwischen 15 und 27 Jahren alt. Einige von ihnen würden in den Gefängnissen für eine kriminelle Karriere rekrutiert. Damit es nicht dazu kommt, brauche es Umkehr und jemanden, der ihnen neue Perspektiven aufzeige. Das tut Santacruz nicht allein, sondern mit ihrem Team von rund 100 Personen, die in der Gefängnisseelsorge tätig sind. Das weltweite katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt deren Ausbildung und fachliche Begleitung. Außerdem fördert das Hilfswerk den Bau und den Unterhalt von Gefängniskapellen.
Aleida Mejia ist eine der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Ob sie Angst habe, mit Schwerkriminellen zu arbeiten? Ja, bekennt sie, und ihrer Familie falle es schwer, sie in den Dienst gehen zu lassen. Aber sie ist überzeugt: „Genau hier will Jesus uns haben. Er ruft uns auf, alle seine Kinder zu lieben.“
Kurse für ein Leben nach dem Gefängnis
In den Gefängnissen würden regelmäßig Gottesdienste gefeiert und darüber hinaus hielten Aleida Mejia und ihre Kollegen Kontakt zu den Angehörigen. Schwerpunkt sind auch verschiedene Kurse, um die Insassen auf ein Leben nach dem Gefängnis vorzubereiten und über Perspektiven jenseits der Kriminalität zu informieren. Sie seien gut besucht und es werde sichtbar, wie Mejia betont: „Viele haben nach dem Gefängnis Familien gegründet, sie gehen ehrlicher Arbeit nach. Wir haben hier auch tiefe Bekehrungen erlebt. Jesus befreit diese belasteten Seelen.“
Es gibt Bekehrungen, aber auch Zweifel an der Botschaft Jesu Christi
Es gebe einen großen Bedarf nach der Gefängnisseelsorge, was mehr Mitarbeiter nötig mache. „Diese Mission ist so wichtig. Wir tragen das Wort Gottes weiter und verkünden, dass es einen Gott gibt, der uns liebt und uns befreit“, erklärt Aleida Mejia. Bei den Besuchen in den Gefängnissen erlebe sie neben dem Interesse aber auch viel Skepsis bis hin zu offener Ablehnung von Seiten des Personals.
Außerhalb der Gefängnisse würden viele Menschen der Seelsorge keine Beachtung schenken. Maria Christina Santacruz aber weiß: „Es lohnt sich; ich erlebe es täglich.“ Sie sei dankbar, dass Gott sie zur Seelsorge an den Gefangenen berufen habe; ihr tägliches Gebet laute: „Hier bin ich, Herr, um deinen Willen zu tun und die Gefangenen zu trösten und in die Freiheit zu führen, wie du mich befreit hast.“
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