Er studiert mindestens acht Semester, fällt durch chronisches Klugscheißern auf und arbeitet am Ende als Taxifahrer. Den Studenten der Politikwissenschaft bzw. Politologie wird gerne vermittelt, dass sie bis zum Master besser gleich beide Füße in der Tür zur Arbeitswelt haben. Ob das so richtig ist, sei einmal dahin gestellt. Eine Lösung gibt es trotzdem: Praktika. Nur, welche Möglichkeiten hat man?
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Studenten der Politikwissenschaft (kurz PoWi) hören oft, dass vor allem eines bis zum Abschluss wichtig ist: Praxis. Denn, dass man im Beruf nach dem Strukturalismus oder Machiavellis Il Principe gefragt wird, mag in der Wissenschaft wahrscheinlich sein; in der angewandten Politik und der freien Wirtschaft wird das, aller Regel nach, jedoch hinfällig. Es schadet außerdem nie, bereits Bekanntschaft mit fest etablierten Berufstätigen zu machen. Die Preisfrage: Wie soll man Praxis sammeln und diese mit dem etwas weltfremden Studium (hierbei eine entschuldigende Geste an meine Dozenten) verbinden? Der aufmerksame Leser mag es erraten haben – Praktika. Die dauern nicht lange, verschaffen einem wertvolle Erfahrungen und können sich in den meisten Fällen im Studium anrechnen lassen. Eine Auswahl an Möglichkeiten wurde hier im Interessenspektrum von Politologiestudenten zusammengestellt*:
AA – Nein, damit ist nicht der kindliche Ausdruck zur Vermeidung eines bestimmten Wortes gemeint. Das Auswärtige Amt ist als Bundesministerium für die außenpolitischen Beziehungen Deutschlands zuständig. Nebst der Außendiplomatie leisten die Mitarbeiter Informationsarbeit über die politischen und gesellschaftlichen Umstände in den Gastländern der deutschen Vertretungen. In vergleichsweise flexiblen Zeiträumen von sechs bis zwölf Wochen bieten die Botschaften und Konsulate Praktika für Studenten aller Studienrichtungen an. Darüber hinaus sind auch Praktika in Sparten der UN und im Innendienst möglich. Wichtig: Das Grundstudium, also die ersten zwei Semester, müsst ihr bis zum Praktikumsbeginn bereits absolviert haben. Eine Vergütung erfolgt je nach Land, außerdem können sich Praktikanten für ein Kurzzeitstipendium des DAAD bewerben. Der Haken: Nur Pflichtpraktikanten, also solche bei denen das Praktikum im Studiengang schriftlich verordnet ist, dürfen dieses auch tatsächlich absolvieren. Genaueres findet ihr hier.
BKA – Das Bundeskriminalamt bietet seit gar nicht einmal so langer Zeit Praktika von bis zu vier Wochen für Studierende aus mehreren Fachrichtungen an. Hierbei ist interessant, dass Fächer der Sozialwissenschaften – somit auch die PoWi – explizit als wünschenswert genannt werden. Was jedoch das Praktikum tatsächlich mit sich bringt, wird seitens des BKA vage gehalten. Irgendetwas mit Kriminalarbeit eben und höchstwahrscheinlich unter strengster Einhaltung der Schweigepflicht. Jedoch verspricht die temporäre Mitarbeit in einer von Deutschlands führenden Sicherheitsbehörden spannende Erfahrungen bereit zu halten. Zur Informationsseite gelangt ihr hier.
Bundesministerien (im Inland) – Nebst des AA bieten auch andere deutsche Ministerien Praktika mit einer Regelvergütung von 300 Euro monatlich (bzw. gerne auch ohne) an. Auch hier gilt der Regel nach nur die Vergabe von Pflichtpraktika. Eine Auswahl findet ihr hier:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Bundespresseamt – Die Pressestelle unserer Bundesregierung vergibt jährlich Praktika in vier verschiedenen Abteilungen, die sich wiederum in mehrere Referate gliedern. Auch hier wird damit geworben, Studierenden den Einblick in den politischen Arbeitsalltag zu gewähren; vorzugsweise solchen mit einem sozial- und politikwissenschaftlichen Hintergrund. Der Vorteil gegenüber anderen Bundesorganen: Sowohl Pflichtpraktikanten als auch Freiwillige können das Praktikum absolvieren. Über eine Vergütung lässt die Informationsseite allerdings nichts verlauten. Zu den Details gelangt ihr hier.
Bundestag – Das deutsche Parlament begleitet je nach Kapazität jährlich Praktikanten durch die Alltagsarbeit in den verschiedenen Ausschüssen. So soll Schülern und Studierenden ein Einblick in die angewandte Politik gewährt werden. Die Bewertung ehemaliger Praktikanten über ihre Zeit im Parlament variiert allerdings je nach den Umständen. Nebst einer ordentlichen Portion Eigeninitiative gehört offenbar auch Glück dazu, ob man sich einem Abgeordneten nützlich macht oder für den gesamten Ausschuss die Brötchen schmiert. Kleines Manko: Weder die Arbeitszeit noch An- und Abreise werden in irgendeiner Weise vergütet. Mehr Informationen findet ihr hier.
NGOs – Nichtregierungsorganisationen gelten, gerade in der PoWi, längst als fest im Sattel sitzende Akteure der Politik. Wer mehr über gemeinnützige Arbeit und ihre Durchsetzungsmöglichkeiten in der Realpolitik lernen will, ist hier genau richtig. Die Arbeitserfahrung in einer NGO, vielleicht sogar in einem Drittweltstaat, wird mutmaßlich auch eine nicht unerhebliche persönliche Bereicherung sein. Dabei ist die Bandbreite vom Umweltschutz bis zur humanitären Arbeit die vermutlich größte in dieser Auflistung. Ihr könnt euch bei einer Reihe von NGOs sowohl in Deutschland als auch international bewerben. Auch hier gilt, dass euch regionale Nebenfächer und ggf. damit verbundene Sprachkenntnisse von Nutzen sein können. Eine Auswahl findet ihr hier:
Gesellschaft für bedrohte Völker
20 der führenden NGOs weltweit
Print- und Onlinemedien – Ob ihr es glaubt oder nicht: Auch in der Zeit absoluter Verfügbarkeit über die Neuigkeiten in der Welt suchen Zeitungen und andere Medien Experten, die das Geschehene richtig einordnen können. Nun befindet man sich als Student – in der Regel – noch lange nicht an diesem Punkt. Dennoch kann ein politikwissenschaftlicher Hintergrund ein gutes Argument für den Praktikumseinstieg in den entsprechenden Sparten von Print- und Onlinemedien sein. Wichtig: Oft wird Erfahrung im journalistischen Schreiben vorausgesetzt. Eine Auswahl an Ausschreibungen findet ihr hier:
Think Tanks – Ein neuartiger Begriff im deutschen Sprachgebrauch. Tatsächlich sind sogenannte Denkfabriken bereits seit Jahrzehnten, hauptsächlich in den USA, aktiv. Der Trend nimmt weltweit zu. Staaten wie China und Russland haben bei der privatwirtschaftlichen Expertise ordentlich nachgerüstet. Die Idee: Experten werden, in der Regel privat, in Unternehmen zusammengeführt, um Strategien zu bestimmten Problemen aus Wirtschaft und Politik zu entwickeln. Erfahrungsgemäß kommen den Think Tanks Praktikanten – sofern nicht bereits entsprechende Stellen eingerichtet wurden – als flexibel einsetzbare Kräfte ganz recht. Soll bedeuten: Scheut euch nicht vor Initiativbewerbungen. Der Nachteil: minimale Bezahlung, wenn überhaupt. Immerhin, einige Think Tanks sind nicht nur prestigeträchtig, sondern auch global vernetzt, sodass Praktika auf buchstäblich jedem Kontinent möglich sind. Erhöhte Chancen bestehen nebst in den USA auch in Asien und im arabischen Raum. Das kann insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn ihr ein regionales Nebenfach studiert, wie beispielsweise Arabistik und Sinologie. Ein Ranking zu den weltweit besten Think Tanks findet ihr hier.
UN – Die Vereinten Nationen gelten für viele Studenten mit Fokus auf den Internationalen Beziehungen als Top-Adresse – sowohl hinsichtlich der Praktika, wie auch mit Blick aufs spätere Berufsleben – und bieten über das Angebot des Auswärtigen Amtes hinaus eigene Praktikumsstellen weltweit an. Hierbei werden oft bereits spezielle Kenntnisse aus der Statistik und anderen Fachbereichen bzw. der Abschluss des Grundstudiums vorausgesetzt. Praktikumsstellen sind dabei nicht nur im Hauptsitz in New York, sondern auch in den weltweiten Dependancen zu vergeben. Die derzeitige Liste findet ihr hier.
“The Fancy Stuff” – Wem alle bislang genannten Möglichkeiten nicht zusagen, der möchte vielleicht noch ausgefallenere Möglichkeiten nutzen, um sein eigenes Sichtfeld auf die Berührungspunkte von Politik und speziellen Arbeitsbereichen zu vergrößern. Möglichkeiten hierzu gibt es im Folgenden:
North Atlantic Treaty Organization
*Angaben nach Stand vom 01.09.2018, ohne Gewähr.
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