Ein Hahn kräht, ein Schwein grunzt und der Fuchs wünscht dem Hasen eine gute Nacht. So stellen sich viele Städter die Idylle des Landlebens vor. Ein Auto hupt, die Tram quietscht auf den Schienen und alle rennen geschäftig der Zeit hinterher. So stellen sich Landeier das Leben in der Stadt vor. Ein ironischer Blick auf beide Stereotypen:
In der Stadt
Tick, Tack, Tick, Tack, riiiing! riiiing! Hämisch kreischt der Wecker, Herr Schmidt schreckt aus dem Schlaf, setzt sich die Brille auf, trinkt ein Vitaminshake und eilt zur Arbeit. Die Bahn verpasst er um wenige Sekunden. Genervt setzt er sich ins Wartehäuschen, denn die nächste Bahn fährt erst in fünf Minuten. Er ist schon wieder viel zu spät, sein Chef wird wütend sein, wenn er erst um 8:02 Uhr das Firmengebäude betritt. Er hat eine Idee. Er nimmt sein Smartphone aus der Tasche und ruft sich ein Taxi. Das ist alle Mal schneller, als wenn er auf die nächste Bahn warten würde. Er wartet und wartet und wartet. Mit der Zeit sind drei Bahnen vorüber gefahren, dann kommt endlich das Taxi. Er hat schon 15 Minuten Verspätung. Hoffentlich erhält er dafür nicht schon eine Verwarnung. Das Auto fährt los. Fünf Meter weiter wartet schon das nächste Desaster, eine rote Ampel. Ungefähr 80 Autos stehen zwischen Herrn Schmidt und der Ampel. Wenn doch nur diese Ampeln einfach verschwinden würden, dann könnte er einfach an den Autos vorbeifahren und wäre dann vielleicht sogar noch halbwegs pünktlich in der Firma. Als er die Ampel erreicht hat, sind es schon 45 Minuten Verspätung. Das ist ein unverzüglicher Kündigungsgrund. Schwitzend schaut er auf sein Handy, sollte er es vielleicht ausschalten? Dann kann sein Chef ihn nicht erreichen und ihm sagen, dass er fristlos entlassen ist.
Auf dem Land
Kikeriki, kikeriki! Es ist 4:00 Uhr morgens, erbarmungslos kräht sich der Hahn die Seele aus dem Leib. Völlig übermüdet schält sich Bauer Heinrich aus dem Bett. Er schnappt sich die Mistgabel, welche er zum Glück am vorigen Abend schon unter seinem Kopfkissen drapiert hat. So tritt er vor die Haustür. Draußen begrüßt ihn schon seine Hofkatze. Genervt schiebt er sie mit der Mistgabel zur Seite und betritt den Kuhstall. Das Heu muss getauscht und die Kühe gemolken werden. Schlecht gelaunt beginnt er damit, den Mist in die Schubkarre zu laden. Elsa, seine jüngste Kuh scheint es sich jedoch einen Spaß daraus zu machen, ihn mit ihrem Schwanz auszupeitschen. Immer wieder holt sie aus. Bauer Heinrich ist kurz davor, ihr mit der Mistgabel zu zeigen, wer der Herr im Haus, oder eher gesagt im Stall ist. Er holt aus und dann fällt ihm ein, dass Elsa seine beste Milchkuh ist. Er kann sie unmöglich verletzen. Dummerweise ist sich Elsa diesem Umstand ebenso bewusst, sie holt zu einem letzten, ganz gemeinen Zug aus. Noch bevor sich Bauer Heinrich in Sicherheit bringen kann, hat er einen großen, braunen Kuhschiss im Gesicht. Jetzt reicht es. Er wird sich an ihr rächen, er weiß nur noch nicht wie.
Von der Stadt aufs Land
Linda M. Ist schwanger und muss in eine größere Wohnung umziehen. Etliche Wohnungen hat sie bisher besichtigt und jedes Mal fiel die Wahl auf jemand anderes. Sollte es nicht eigentlich aufgrund der hohen Anzahl an Wohnungen in fast jedem Gebäude viel zu viele Wohnungen geben? Warum gibt es denn für sie keine? Es ist fast so, als ob die riesigen Plattenbaugebäude die Menschen verschlingen und sie nie wieder loslassen. Vielleicht sollte sie sich überlegen, ob sie es mit einem Haus auf dem Land versuchen soll … Gestern, in der Zeitung, wurde ein kleines Häuschen im Grünen zum Kauf angeboten. Gedacht, getan, das Haus gekauft. Ohne Besichtigung, einfach mal so ein bisschen Geld in die Hand genommen und ein Haus erworben. Nachdem sie sich den Schlüssel beim Verwalter abgeholt hat, fährt sie zu ihrer neuen Bleibe. Ein langer Weg über holprige Straßen, Schlaglöcher und Pfützen vom letzten Regen führt sie zu einem kleinen, niedlichen Häuschen mitten im Nirgendwo. Vor ihr passiert ein Reh den Weg und hinter ihr läuft ein Wildschwein. Sie betritt das Häuschen und ist geschockt. Hier gibt es ja weder Strom noch fließendes Wasser. Von Internet brauchen wir gar nicht zu sprechen. Schnell ist klar, es muss noch viel getan werden, bevor das Leben in der Idylle möglich ist.
Vom Land in die Stadt
Auf einer Lichtung, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, steht ein kleines Hexenhäuschen. Bewohnt wird es von einer sehr jungen Dame, sie hat es geerbt und ist daraufhin von zu Hause ausgezogen. Schnell hat sie gemerkt, dass das Leben auf dem Land nicht für sie geeignet ist. In ihrer alten Heimat gab es wenigstens Internet. Dieses Häuschen hat weder Internet noch Strom. Kurzerhand entschließt sie sich zum Verkauf des Häuschens und sieht sich nach einer Wohnung in der Stadt um. Zufälligerweise ist gerade eine frei geworden. Zur Besichtigung kommt sie 30 Minuten zu spät, der Stadtverkehr ist nicht ihr Ding. Sie hat nicht eingeplant, dass Städte so voll sind, dass man nur Schrittgeschwindigkeit fahren kann. Auf dem Land kann sie problemlos mit 120 Km/h über die Landstraße brettern. Die Wohnung ist schön, sie möchte sie haben. Der Mietvertrag ist schnell geschlossen. Wenige Tage später zieht sie ein. Sie liegt abends im Bett, draußen blinkt es, draußen lärmt es und die Luft ist stickig. Noch bevor der Wecker klingelt, wacht sie mit rasenden Kopfschmerzen auf. Wie können denn so viele Leute auf so kleinem Raum leben? Ist das Leben da noch gesund?
Wie man sieht: das Leben auf dem Land hat viele Vorzüge. Das Leben in der Stadt doch umso mehr. Staus, Lärm und Gestank sind die besten Vorteile einer Stadt. Wer völlig ungesund leben möchte, ist hier am richtigen Ort. Das Landleben ist vor allem für Leute mit einer Vorliebe für Internet-Freiräume, mit Hass gegenüber fließendem Wasser und Strom. Arbeit gibt es überall genug, auf dem Land im Kuhstall, auf dem Feld und an Bäumen. Wer große Maschinen wie Mähdrescher mag, ist hier genau richtig. In der Stadt sind die Möglichkeiten, einem Beruf nachzugehen, deutlich vielfältiger. Vom Bürohengst über die Kirchenmaus bis hin zum Haustierritter und noch vieles mehr ist alles möglich. Jeder findet irgendwo den idealen Platz für sich, auch wenn es manchmal etwas länger dauert.
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