1. Volksentscheide ermöglichen nur unbewegliche Ja-/Nein-Entscheidungen
Viele Sachverhalte, gerade im steuer- oder haushaltspolitischen Bereich, sind zu vielschichtig, um sie auf eine simple Dafür- oder Dagegen-Wahl zu vereinfachen. Komplexe Themen erfordern eine sorgfältig erarbeitete gesetzliche Regelung, die Flexibilität und individuelle Herangehensweisen zulassen. Für Volksentscheide spricht in diesem Zusammenhang, dass auch Abstimmungen über Gesetzesentwürfe letztlich auf eine Ja-/Nein-Entscheidung hinauslaufen. Politiker können nur in den vorhergehenden Ausschusssitzungen die genaue Ausgestaltung des Gesetzes im Detail diskutieren. Hier wäre allerdings der Volksentscheid ein wichtiges Instrument, um die Sacharbeit der Ausschüsse zu beeinflussen. Denn ein Volksentscheid kann bei entsprechender Berücksichtigung der geforderten Inhalte in den Gesetzesentwürfen des Parlamentes auch zurückgezogen werden.
2. Das Parlament wird geschwächt und verliert an Legitimität
In der deutschen Verfassung nimmt das Parlament die entscheidende Rolle ein. Durch Volkentscheide erhält das Volk allerdings direkte Gesetzgebungsmacht, sodass das Parlament geschwächt wird, was wiederum die Gewaltenteilung in Schieflage bringen könnte. Außerdem wird dem Parlament die gesetzliche Legitimation entzogen, wenn es über grundsätzliche Fragen wie beispielsweise den Haushalt nicht mehr entscheiden darf. Volksentscheide sollen das Parlament nicht ersetzen, sondern sie sollen unser repräsentativ-parlamentarisches System vervollständigen, da alle Macht vom Volk ausgehen soll. Außerdem gewinnen Beschlüsse des Parlamentes eine höhere Legitimität, da die theoretische Möglichkeit eines Volkentscheides offensichtlich nicht genutzt wurde und die Bürger folglich mit der Arbeit des Parlamentes zufrieden sind.
3. Die Volksgesetzgebung schwächt das demokratische System
In einer direkten Demokratie besteht immer die Gefahr, dass durch niedrige Wahlbeteiligung ein verzerrtes Mehrheitsbild entsteht, sodass nicht sicher ist, ob Entscheidungen wirklich dem Willen der Mehrheit entsprechen. Direktdemokratische Elemente wie Volksentscheide beziehen den einzelnen Bürger stärker in politische Entscheidungen ein. Dadurch können sich die Bürger stärker mit der Politik identifizieren und haben eher das Gefühl, etwas bewirken zu können. Dies könnte gerade der niedrigen Wahlbeteiligung entgegenwirken und die Politikverdrossenheit senken.
4. Finanzstarke Lobbygruppen setzen ihre Partikularinteressen durch
Volksentscheide verursachen einen hohen Organisations- und Kostenaufwand und können daher nur von finanzstarken Gruppen durchgeführt werden. Entsprechende Lobbygruppen vertreten allerdings nur Interessen von Minderheiten und sind nicht repräsentativ für den Durchschnittsbürger. Durch die niedrige Wahlbeteiligung und die Mobilisierung eigener Mitglieder kann der Volksentscheid daher durchgesetzt werden und droht daher zu einem Instrument einflussreicher Lobbygruppen zu werden. Durch direktdemokratische Elemente wird die Einflussnahme solcher Lobbygruppen transparenter. Denn diese findet auch im Parlament statt, nur eben hinter den Kulissen. Volksentscheide bieten die Möglichkeit, Gruppierungen, die die Gesetzesinitiative anregen, genauer zu betrachten und öffentlich zu diskutieren. Außerdem müssten die Finanzierungsquellen der Gruppe, die den Volksentscheid anregte, offengelegt werden.
5. Volksentscheide führen zu Populismus und Stimmungsdemokratie
In Volksentscheiden wird überwiegend über „Modethemen“ abgestimmt. Dabei besteht die Gefahr aufgrund der aktuellen Stimmung der Bevölkerung, Sachverhalte zu entrationalisieren und zu instrumentalisieren. Zwischen einer Volksinitiative und einem Volksentscheid liegt allerdings eine so große Zeitspanne, dass aktuelle Stimmungslagen der Bürger nicht von Belang sind. Extremistische Interessen können auch durch Volksentscheide nicht durchgesetzt werden, da diese erst zustande kommen, wenn die Volksinitiative die nötigen Quoren und Unterschriften erreicht, wozu ein breiter Rückhalt vieler Verbände notwendig ist.
Fazit:
Volksentscheide berücksichtigen den einzelnen Bürger mehr, fordern aber auch mehr Verantwortung von ihm. Eine Verantwortung, die vielleicht auch nicht jeder Bürger erfüllen kann/will und daher ein repräsentatives System bevorzugt.
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