Ein Umzug in das Ausland ist meist verbunden mit dem Kennenlernen einer neuen Kultur und einer fremden Sprache. Verschiedene Umstellungen und Überraschungen sind somit vorprogrammiert. Auch mir begegneten Kulturunterschiede sowie Sprachbarrieren bereits am ersten Tag meines Praktikums.
Nach der stressigen Abreise aus Deutschland, verlief meine verbleibende Anreise nach Granada ohne weitere Zwischenfälle. Noch am Tag meiner Ankunft nahm ich einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung wahr und unterzeichnete meinen Mietvertrag für die kommenden sechs Monate.
Neuen Bekanntschaften gibt man zwei Küsschen
Mit einer Mischung aus freudiger Erwartung und Spannung machte ich mich zwei Tage später auf den Weg zu meiner neuen Arbeitsstelle, dem Genomik- und Krebsforschungsinstitut Genyo: Mein sechsmonatiges Laborpraktikum konnte beginnen. Eine erste Überraschung erwartete mich bereits bei der Begrüßung. Anstelle des für Deutschland typischen Handschlags wurde ich von dem leitenden Wissenschaftler und den weiteren Mitgliedern meiner neuen Laborgruppe mit zwei Wangenküssen begrüßt. Zunächst noch etwas überrascht doch mit steigender Sicherheit erwiderte ich diese Geste, denn es wurde mir schnell bewusst, dass es sich hierbei um die normale Begrüßungsform handelte.
Allerdings ist es mir bis heute ein Rätsel wie mir diese spanische Geste bis dahin verborgen geblieben war. Weder während früheren Bekanntschaften mit Spaniern noch im Spanischunterrichts in der Schule, welcher neben Sprachkenntnissen verschiedene kulturelle und geographische Aspekte der spanischsprachigen Welt vermittelt, war von Wangenküssen die Rede gewesen. Während die berühmt-berüchtigte Bîse im Französischunterricht ein großes Thema gewesen war, hatten die Spanischlehrer verpasst uns die typische Begrüßungsform der Spanier vorzustellen.
Andalusisch ist doch auch nur Spanisch, oder etwa nicht?
Seit meine Pläne für mein Auslandspraktikum in Spanien feststanden, hatte ich zur Auffrischung meiner Sprachkenntnisse regelmäßig mit einem spanischen Freund geübt. Demzufolge war ich zuversichtlich in Hinsicht auf meine Sprachkenntnisse. Obwohl ich bereits bei der Wahl meines Auslandspraktikums ich vor dem in Andalusien vorherrschenden Akzent gewarnt wurde, hatte ich diesen Hinweis stets in den Wind geschlagen. Schließlich waren mir verschiedenste Dialekte aus dem Deutschsprachlichen Raum bekannt, was konnte mir ein simpler Akzent groß anhaben?
Außerdem hatte ich als gebürtige Oberbayerin selbst erlebt, dass zwar in vielen Dörfern mit starkem Dialekt gesprochen wurde, dies aber in Großstädten nur selten der Fall war. Besonders in der jüngeren Generation war die regionale Mundart meist verloren gegangen. Demzufolge erwartete ich auch in Granada kaum mit dem „andalusischen Akzent“ in Berührung zu kommen.
Bereits während der Mittagspause meines ersten Arbeitstages sollte ich eines Besseren belehrt werden. Anders als angenommen handelte es sich bei dem Andalusischem nicht nur um einen Akzent, sondern um einen vollständig ausgereiften Dialekt, der von den Bewohnern Andalusiens selbst in der Großstadt beherzt gesprochen wird.
Andalusisch für Anfänger
Der Dialekt kurz erklärt: Grundsätzlich werden viele Konsonanten, die am Wortende stehen schlicht und einfach weggelassen. Besonders häufig sind davon die Buchstraben s, z, d, r und l betroffen. Dabei begrenzt sich das verschlucken der zuvor genannten Konsonanten nicht nur auf das Ende eines Wortes, sondern ist auch am Ende einer Silbe anzutreffen. So wird beispielweise aus den „dos chicos“ (zwei Jungen) „do(h) chico(h)“ und aus der Hafenstadt „Cádiz“ kurz „Cai“.
Wenn die Konsonanten doch einmal ausgesprochen werden, wandeln sie sich meist in einen weicheren Laut. Ein klassisches Beispiel bildet das „J“ welches im Standardspanischen der Aussprache des deutschen „ch“ ähnelt aber in Südspanien zu einem stimmlosen „h“ wird. Somit wird aus dem „José“ vielmehr ein „Hosé“.
Dies bildet nur der Anfang einer langen Liste von sprachlichen und grammatikalischen Besonderheiten, welche in Andalusien gebräuchlich sind. Kurz zusammengefasst bereitete mir dieser ungewohnte andalusischen Dialekt in Kombination mit plötzlichen Themawechseln und schneller Sprechgeschwindigkeit erhebliche Schwierigkeiten und machten es mir schier unmöglich dem Gespräch zu folgen. Mein Gesichtsausdruck schien Bände zu sprechen, denn meine neuen Arbeitskollegen warfen sogleich ein paar englische Kommentare ein und versicherten mir, in Kürze würde ich sie perfekt verstehen. Obwohl ich schüchtern lächelte, stellte ich diese Aussage insgeheim stark in Frage.
Glücklicherweise war zu Beginn meines Praktikums auch ein Masterstudent aus Equador Teil der Forschungsgruppe. Seine langsamere und klarere Sprache ermöglichte mir es doch noch ein Gespräch auf Spanisch zu führen. Nach eigener Aussage hatte selbst ihm der südspanische Dialekt anfangs Probleme bereitet und forderte Gewöhnungsbedarf. Daher war es kaum verwunderlich, dass ich mit Spanisch als Fremdsprache erhebliche Verständnisprobleme hatte. Aber in diesem Sinne, was noch nicht ist kann ja noch werden.
Wie sich der typische spanische Tagesablauf gestaltet werdet ihr in meinem kommenden Artikel erfahren.
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