Der vierte Adventssonntag erzählt von zwei ganz besonderen Frauen: Maria und Elisabeth sind gegen jede menschliche Logik schwanger geworden. Der Grund: Gott. Er lässt Maria nicht mehr ruhig sitzen und drängt zum Aufbruch, wie Benedikt Bögle berichtet.
Eine gute Geschichte steht und fällt mit ihrem Beginn. Sind die ersten Seiten eines Romans langweilig, wird man das Buch weglegen und nie wieder anfassen. Die Einleitung kann einen Aufsatz adeln oder verderben. Die ersten Worte können Signale für den folgenden Inhalt sein: Wer „es war einmal“ liest, weiß, dass er es mit einem Märchen zu tun hat. Bei der Bibel ist das nicht anders. „Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde“ ist nicht nur der erste Satz der Bibel, sondern auch einer seiner bekanntesten. Der Anfang ist wichtig.
Lukas und sein Buchanfang
Auch dem Evangelisten Lukas. Eine der ersten Geschichten hat die Kirche in diesem Jahr als Evangelium des vierten Adventssonntags vorgesehen (Lukas 1,39-45). Zwei ganz besondere Kinder eröffnen sein Evangelium. Da sind zunächst Zacharias und Elisabeth. Sie können kein Kind bekommen, Elisabeth hat mittlerweile ein Alter erreicht, in dem das Paar daran zweifelt, jemals noch ein Baby auf die Welt bringen zu können. Aber: Gott hat anderes mit den beiden vor. Er schenkt ihnen ein Kind. Elisabeth wird schwanger: Johannes werden sie ihren Sohn nennen. Später wird er als „der Täufer“ bekannt werden.
Maria hat ein Problem
Und da ist Maria. Sie ist nicht verheiratet, wenngleich schon verlobt. Da erscheint ein Engel Gottes und verkündet ihr, sie werde durch das Wirken des Heiligen Geistes ein Kind bekommen. Eine sehr dramatische Situation. Wer würde ihr denn diese Geschichte abnehmen? Würde nicht viel eher jeder annehmen, Maria habe schon vor der Eheschließung mit einem fremden Mann geschlafen und eine sehr abenteuerliche Geschichte erfunden, um den Ehebruch zu vertuschen? Ihr Sohn wird Jesus sein. Unterschiedlicher könnten die beiden Situationen eigentlich nicht sein. Hier das schon in die Jahre gekommene Paar, das sich immer ein Kind gewünscht hat und dessen Wunsch nun endlich in Erfüllung gehen kann. Da eine zunächst alleinstehende Frau, für die nach menschlichem Ermessen die Botschaft des Engels nicht nur Grund zur Freude, sondern vor allem zur Sorge gewesen sein dürfte. Beide Geschichten des Lukas greifen ein grundlegendes menschliches Gefühl auf, dass nämlich Kinder immer ein Geschenk sind – etwas, über das der Mensch nicht verfügen kann.
Zwei Fäden verbinden sich
Es wirkt, als handle es sich hier um zwei unabhängige Erzählfäden im Lukasevangelium – doch sie verbinden sich. Denn Maria und Elisabeth sind verwandt, sie sind Cousinen. Maria geht zu Elisabeth, macht sich auf den Weg, um sie zu besuchen. Aus Angst, aus Sorge, aus Freude? Jedenfalls geht sie los, mehrere Tage lang, auf einem nicht nur beschwerlichen, sondern auch gefährlichen Weg. Jesus ist noch gar nicht geboren und drängt schon dazu, sich auf den Weg zu machen. Maria ist durch die Botschaft des Engels und die beginnende Schwangerschaft Gott begegnet. Diese Begegnung bleibt niemals folgenlos. Für Maria bedeutet es, durch das Bergland von Judäa zu ihrer Verwandten zu gehen. Gott rüttelt auf. Immer wieder, immer neu, jeden auf seine eigene Weise. Das ist das große Thema des Advents, der sich seinem Ziel zuneigt: zulassen, dass Gott das Leben verändert. Sich von Gott ergreifen lassen. Dafür ist es nie zu spät.
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