Dass die USA nicht gerade zu den Vorreitern gehören, wenn es um das Thema “Umweltbewusstsein” geht, ist keine Neuigkeit. Der durchschnittliche New Yorker produziert zum Beispiel jede Woche fast sieben Kilo Müll, was zu insgesamt über 33 Millionen Tonnen Abfall im Jahr führt. Welche Auswirkungen das für den Alltag im Big Apple bedeuten, erfahrt ihr von unserer Autorin Sonja Wolf.
Ein eisiger Sommer
Ein Sommertag in Manhattan, die Sonne scheint, es sind 33 Grad im Schatten. Der Weg zur Arbeit ist heute angenehm, die sonst so hohe Luftfeuchtigkeit hält sich an diesem Tag in Grenzen. Bei dem Spaziergang durch Midtown betrachte ich beneidenswert die Passanten in ihren luftigen Kleidern und kurzen Hosen.
Beneidenswert deshalb, weil ich mir nur wenige Minuten später beim Betreten meines Bürogebäudes eine lange Hose, Jacke und ein Halstuch herbeisehne. Denn den Tag werde ich trotz strahlendem Sonnenschein heute mal wieder bei gefühlten Minusgraden verbringen. Ganz gleich welches Gebäude man im Sommer in New York betritt, die Räumlichkeiten sind auf Temperaturen herunter gekühlt, die man sonst nur von ungemütlichen Herbst- oder Wintertagen kennt.
Als wäre das nicht bereits absurd genug, antwortet mir der Hausmeister an diesem Tag auf meine Frage, ob man die Klimaanlage nicht ein wenig wärmer einstellen könnte, dass dies leider nicht möglich sei, ich aber doch einfach die Heizung anschalten solle. Zur Gegensteuerung quasi. Welcome to America – dem Land, das man im Duden unter ‚Umweltsünder‘ finden kann. Dasselbe Spiel wie im Sommer, spielt man hier auch im Winter. Tatsächlich sind viele der New Yorker Gebäude alt, sehr alt. Und nicht nur die Gebäude, sondern auch ihre Heizsysteme. Vielerorts lassen sich die Heizungen nicht regulieren, sodass man im Winter notgedrungen das Fenster öffnen muss, wenn es im Zimmer auf einmal zu warm wird. Doch alte Gebäude hin oder her. Warum man im Sommer die Klimaanlagen nicht einfach anders einstellen kann, hat sich mir bis heute nicht erschlossen.
Plastik, Plastik, Plastik
Meine Mittagspause verbringe ich an diesem Tag bei „Pret A Manger“, einer britischen Bistrokette, deren Konzept die tägliche Zubereitung frischer Mahlzeiten wie Sandwiches, Suppe oder Salat beinhaltet. Getreu dem Motto „made today, gone today“ werden nur natürliche Zutaten ohne Konservierungsstoffe verwendet. Was am Ende des Tages übrig bleibt, wird nach Ladenschluss an gemeinnützige Essensausgaben für Bedürftige gespendet.
Vor Verlassen des Restaurants kann man die leeren Behältnisse im Mülleimer entsorgen, der hier für jeden Verpackungstyp eine eigene Öffnung aufweist. Mülltrennung nennen die Europäer das. An diesem Tag beobachte ich die Menschen, die das Restaurant verlassen. Von zehn Personen, nimmt sich eine Frau die Zeit, um ihre Servietten, den Kaffeebecher und eine Plastikschüssel jeweils in die richtige Sparte des Mülleimers zu werfen. Eine andere Frau gibt sich die Mühe und wirft Papierserviette und Deckel ihres Kaffees in die richtigen Öffnungen. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben 100 Punkte. Dann scheint ihr das „Spiel“ jedoch zu viel Arbeit zu bereiten und sie entsorgt den Rest ganz einfach in einem beliebigen Mülleimer. Die übrigen acht Personen die ich für meine kleine Fallstudie ausgesucht habe, schenken den verschiedenen Entsorgungskategorien nicht einmal einen kurzen Blick, sondern werfen ihren Abfall ganz bequem in die größte der Öffnungen.
Tatsächlich wird in New York Müll recycled. Nur weiß das anscheinend niemand. Vielleicht, weil die Ergebnisse bisher kaum der Rede wert sind. Der durchschnittliche New Yorker produziert jede Woche fast sieben Kilo Müll, was zu insgesamt über 33 Millionen Tonnen Abfall im Jahr führt. Diese werden auf drei verschiedene Arten verarbeitet: sie werden recycled, per Zug oder Schiff zu Mülldeponien beispielsweise nach South Carolina, Virgina oder Pennsylvania verfrachtet oder als erneuerbare Energiequelle genutzt. Traurig: stolze 76 Prozent des Abfalls werden in die Mülldeponien gebracht, nur 14 Prozent recycled und 10 Prozent in Energie umgewandelt. Dabei verursacht gerade das Verfrachten des Abfalls zu den Mülldeponien außerhalb des eigenen Bundestaates mit 350 Millionen US-Dollar pro Jahr am meisten Kosten.
Zehn Cents for bag? Are you kidding me?
Auf dem Weg nach Hause laufe ich an den vielen Wolkenkratzern vorbei, die über mir in der Dämmerung beginnen zu strahlen. Die ganze Nacht über wird diese unvergleichbare Skyline Manhattans den dunklen Himmel erleuchten. Keine Frage, ein schöner Anblick. Doch wenn man mal bedenkt, dass sich in diesen großen Gebäuden nachts nur noch vereinzelt Personen aufhalten, möchte man diesen den Strom doch am liebsten höchstpersönlich abschalten.
Schnell springe ich noch in eine Drogerie, kaufe mir ein neues Shampoo und eine Packung Kaugummis. Ehe ich die Einkäufe bezahlt habe, verschwinden sie schon in nicht einer, nicht zwei, auch nicht drei, nein in vier übereinander gezogene Plastiktüten. Warum auch nicht? Wenn es um ihre geliebten Plastiktüten geht, gönnen sich die New Yorker so einiges. Um genau zu sein jährlich an die 620 Plastiktüten pro Kopf. Für mich ist dieser Verpackungswahn auffällig. Ganz sicher nicht positiv. Womöglich weil Deutschland und Europa den USA in Sachen Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien und Abfallwirtschaft um einiges voraus sind. Und das, obwohl selbst dort noch viel zu viel Müll produziert wird. Wahrscheinlich, weil ich mit dem Bewusstsein aufgewachsen bin, dass Müll getrennt und Licht ausgeschaltet wird, wenn man es nicht braucht und man für Lebensmitteleinkäufe seine eigenen Transportbehältnisse mitnimmt.
Fairerweise muss man sagen, dass es inzwischen viele Ansätze gibt, New York umweltfreundlicher zu machen. Seit längerem ist beispielweise eine „Bag Tax“ im Gespräch, wodurch eine Plastiktüte in Geschäften in Zukunft 10 Cent kosten soll. Umgesetzt ist diese noch nicht. Der Aufschrei war hingegen groß. „Help stop the bag tax in NYC!“ Sogar Petitionen wurden gestartet. Ein Argument: die Bag Tax belaste vor allem die ärmeren Familien. Dass die Anschaffung einer Stofftasche auf Dauer günstiger ist und dabei auch noch belastbarer als vier Plastiktüten zusammen, hat man also anscheinend noch nicht überall verstanden. Nein, im Gegenteil. Diese Teufelsdinger seien auch noch viel anfälliger für Bakterien und Keime. C’mon – Seriously?
Doch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung erfolgte erst April 2015 als Bürgermeister Bill de Blasio den sogenannten „OneNYC Plan“ vorstellte. Eine Agenda für ein nachhaltigeres New York. Darin wird unter anderem angestrebt, die CO2 Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren und bis zum Jahr 2030 keinen Abfall mehr in externen Mülldeponien zu entsorgen. Die Ziele sind hoch gesteckt, doch wie sollte es anders überhaupt funktionieren? Ob de Blasio damit tatsächlich etwas bewirken kann, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Denn seien wir mal ehrlich, niemand braucht 620 Plastiktüten im Jahr.
Christian
Hey,
ich war selber schon öfter dort. Und es ist schon fast zum lachen, wenn es nicht so traurig wär. Vor allem der Teil mit der Klimaanlage und der Heizung..