Die existentielle Angst ereilt mich wieder. Wenn ich an meine Zukunft denke, fängt mein Herz an zu pumpen und fühlt sich beengt. Lieber lenke ich mich mit Kleinigkeiten ab, widme mich Projekten. Vielleicht gehe ich ins Ausland, um zu reisen. Aber in Wirklichkeit tue ich das nur, um nicht daran denken zu müssen, wie es mit mir weiter geht.
Das Studium nach dem Abitur ist der erste Schritt in Richtung Berufsleben. Doch sich für eine Richtung zu entscheiden, fällt den meisten von uns unglaublich schwer. Wenn ich mich für ein Studium entscheide, dann muss ich es mir gut überlegt haben. Ich kann schließlich nicht mitten drinnen abbrechen und viele Jahre meines Lebens verlieren und zusätzlich noch einen schwarzen Fleck im Lebenslauf riskieren. Das Manko „Studium abgebrochen“ zeugt schließlich von einer Orientierungslosigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt ungern gesehen wird.
Dabei brechen ein Drittel aller Studierenden ihr erstes Studium ab
Woher kommt diese Panik, Zeit zu verlieren und zu spät anzufangen? Wir haben doch alle Zeit der Welt, oder? Können wir wirklich die besten Entscheidungen für unsere Zukunft treffen, wenn uns der Angstschweiß dabei auf der Stirn steht? Selbst ich hatte Komplexe, „erst“ mit fast zwanzig mein erstes Studium der Psychologie anzufangen. Meine Mitstudierenden würden doch bestimmt um bis zu zwei Jahre jünger sein als ich. Auch das wäre letztendlich kein Drama gewesen. Doch mein Studium stellte sich als angenehm gemischt heraus. Von achtzehn bis 27 Jahren waren alle Altersgruppen dabei und jeder Dritte hatte zuvor schon etwas studiert oder abgebrochen. Wie manisch meine Ängste gewesen waren!
Ich bin mir sicher, dass dieser Druck vom Schulsystem ausgeht. Natürlich will man uns so schnell wie möglich arbeiten sehen, in einem Deutschland, in dem es immer weniger junge Menschen gibt, die eine große Menge älterer Menschen stützen müssen. Mit G8 hatte man ja bereits versucht, uns schneller in die Berufswelt zu stoßen, doch wir waren unartig gewesen und haben uns ins Ausland geflüchtet. Nun kehren wir langsam von unseren Weltreisen zurück und sind nach wie vor überfordert. Wir sitzen also vor dem dicken Wälzer „Studien- und Berufswahl“ und verzweifeln nur noch mehr.
Man will uns arbeiten sehen, aber beraten will man uns nicht!
An meiner Schule gab es nur sehr wenig Berufsberatung, die auch wenig individuell und eher gruppenbezogen war. Ich bin zweimal an der Uni Köln gewesen, um mich kostenlos beraten zu lassen, doch die Beratung schien eher unenthusiastisch. Kann jemand, der selber wenig Leidenschaft in seiner Arbeit zeigt, mir überhaupt sagen, was der beste Beruf für mich ist? Alle Beratungen der Uni Köln waren natürlich auch sehr auf das interne Angebot beschränkt und eher informell ausgelegt.
Als ich meine Hobbies und Talente aufzählte und nach passenden Berufsgruppen (außer den mir bereits Bekannten) fragte, bekam ich einen verwirrten Gesichtsausdruck statt einer befriedigenden Antwort. Ich habe sonst keine Studienberatung gefunden, die kostenlos angeboten wird. 12 Jahre Schulausbildungen führen ins Nichts, wenn das Bildungssystem sich nicht ein oder zwei Tage nehmen kann, um über Berufsoptionen aufzuklären!
Also wie finde ich nun das richtige Studium?
Zunächst einmal, mit dem richtigen Maß an innerer Ruhe. Viele fangen erst sehr spät an zu arbeiten und wenn man merkt, das falsche Studium angefangen zu haben, sollte man sich nicht vor einem Abbruch scheuen. Besser spät das richtige Studium anfangen, als nie das falsche Studium abbrechen. Oft merkt man erst, das etwas nicht das Richtige ist, wenn man es ausprobiert hat. Ich selber hatte mich vor meinem Psychologiestudium an der Uni in Bochum für Italienisch und Germanistik eingeschrieben. Ich war mir bei dieser Entscheidung sehr unsicher. In dem Moment in dem die Immatrikulation beendet war, wurde mir urplötzlich klar: das ist nicht das Richtige!
Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können. Indem ich herausfand, was ich nicht wollte, kam ich dem was mich wirklich interessierte einen großen Schritt näher. Ein Praktikum kann da auch sehr hilfreich sein. Wenn man sich für mehrere Studiengänge interessiert, kann man in eine Vorlesung gehen, um in den jeweiligen Studiengang hinein zu schnuppern. Oft wird so klar, was für einen interessant ist und was nicht. Der Vorlesungsplan ist oft online oder auf Nachfrage bei der Uni einzusehen.
Viele stellen sich auch die Frage nach der finanziellen Sicherheit. Es kann gut sein, dass unser Traumberuf auch gleichzeitig unserem Portemonnaie schmeichelt, oft ist dies jedoch nicht unbedingt der Fall. Was ist uns in solchen Fällen also wichtiger? Genug Geld oder Spaß an der Arbeit? Ich würde mich in jedem Fall für den Traumberuf entscheiden. Ein Großteil unserer Lebenszeit fließt schließlich in die Arbeit. Da sollte man auch nicht auf die Großeltern hören, die einem aus einer Fürsorge heraus zu einem ökonomisch profitablen Job raten.
Viele lassen sich auch zu schnell von prestigeträchtigen Berufen beeindrucken. Stelle dir also am besten die Frage: Werde ich in diesem Arbeitsfeld wirklich Spaß haben und leistungsfähig sein oder gefällt mir beispielsweise nur die Vorstellung vom „Halbgott in weiß“. Es bringt wenig, ein Berufsfeld zu wählen, das gar nicht zu mir passt. Banal, aber oft wird die einfache Frage nach den eigenen Talenten und Interessen vor lauter Studierpanik völlig vergessen. Wer noch nie gut in Mathe war, sollte vielleicht keine Bankerin werden und wer sich vor Körperflüssigkeiten ekelt kein Arzt.
Bringst du die Eigenschaften mit, die das Berufsfeld für das du studierst fordert?
Oder anders gefragt: Welches Berufsfeld passt bezogen auf deine Stärken, Interessen und Talente zu dir? Wenn du es selber nicht weißt, frag doch einfach deine Freunde und Familie, was deine Stärken sind. Was sind Dinge, die du ohnehin schon in dein Leben integriert hast? Du liebst deine Orchideensammlung? Vielleicht wäre die Botanik interessant für dich. Du weißt alles rund um`s Bier und Hopfen? Mach doch mal ein Praktikum in einer Brauerei! Ich kann nur allen raten, jegliche Disziplin zusammen zu raffen und sich rechtzeitig mit diesen Fragen zu beschäftigen.
Wer die Bewerbungs- und Einschreibefristen für Sommer- und Wintersemester ausreizt, bekommt zum Ende hin nur unnötige Panik. Eine Bewerbung für zulassungsbeschränkte Studiengänge (mit NC) kann nämlich sehr komplex sein und die Besorgung aller Dokumente oft zeitaufwändig. Außerdem schickt man im besten Fall ja auch mehrere Bewerbungen ab, um die Chance angenommen zu werden, zu vergrößern. Nehmt euch ausreichend Zeit, um nach Unis und Studiengängen zu recherchieren. Ich selber habe mehr als eine Woche zur Recherche gebraucht und dabei ging es nur um den Studiengang Psychologie.
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