Die Autorin berichtet davon, was es heißt, damit konfrontiert zu werden, keine Kinder großziehen zu können. Das Kinder- und Familienthema stellte für sie einen einzigen Kampf dar. Wie er wohl enden wird?
Schlimmer kann es nicht kommen, oder?
Ich befand mich in einer eigentlich blühenden Lebensphase Anfang zwanzig. Schon als Jugendliche träumte ich davon, zu studieren und endlich einen Lebenspartner kennenzulernen. Ich sehnte mich nach einem erfüllten Leben mit lieben Menschen um mich herum. Doch meine Realität sah ganz anders aus. Sie war ein Sammelsurium aus schweren psychischen Diagnosen und einer körperlichen Erkrankung, für die ich noch keinen Namen hatte. Ich lebte einsam und kam mir völlig verloren in der großen Welt vor.
Ein Leben ohne Kinder?
„Ich kann doch nicht mein ganzes Leben lang krank sein!“, schleuderte ich meinem Arzt entgegen. „Sie werden Ihren Weg finden!“, versuchte er, mich zu ermutigen. „Wie ist das mit dem Kinderkriegen?“, fragte ich beharrlich. „Prinzipiell können Sie schon Kinder bekommen, natürlich mit dem Risiko, die Erkrankung zu vererben. Aber was viel wichtiger ist: Sie müssen sich gut überlegen, ob Sie das schaffen werden.
Und da ist das Thema mit den Medikamenten: Sie sind sehr stark erkrankt und es könnte sein, dass Sie die Medikamente ein Leben lang nehmen zu müssen.“ Ich war wie gelähmt, als ich diese Worte hörte, weil ich erst in diesem Moment die Tragweite meiner Erkrankung wahrnahm. Es kam mir vor, als verlöre ich etwas, als sähe ich langsam etwas vor mir verblassen, ohne es auf- oder festhalten zu können.
„Nein, ich kämpfe dafür!“
Nach einem hitzigen Hin und Her an schweren Krisen und zwischenzeitlichen Besserungen nagte der Wunsch, Mutter zu werden, fortwährend an mir. Ich sah vieles aus dieser Brille heraus: „Ich muss von den Medikamenten loskommen. Ich muss mich gesund ernähren. Ich muss auf meinen Körper aufpassen. Ich muss mein Leben besser bewältigen können. Ich muss gesund werden. Ich muss beziehungsfähig werden.“ Irgendwie waren die Gedanken absurd in dieser Lebensphase, weil ich derart erkrankt war und nicht einmal einen Partner an meiner Seite hatte. Trotzdem nahm ich wahr, dass es um ein wichtiges Lebensthema für mich ging.
Fokus auf mich selbst
Eines Tages, nachdem viele Jahre schon vergangen waren und ich über Berge und durch Täler wanderte, kapitulierte ich: „Jetzt geht es erst einmal um mich.“ Es war, als hätte ich jahrelang auf eine verschlossene Tür eingehämmert, bis ich verstand, dass meine Fäuste schon wund geschlagen waren und die Tür sich keinen Millimeter breit geöffnet hatte.
Vor mir lag ein langer Weg, gepflastert mit Therapieangeboten, Klinikaufenthalten, Arztterminen usw. Dafür konnte ich nun mehr Kraft aufbringen. „Ich muss nicht gesund werden, um einen Partner zu finden und Kinder zu bekommen.“ Mir kam es vor, als fiele ein sanfter Lichtstrahl in mein Herz hinein und ich konnte den Schmerz mit dem Familien- und Kinderthema loslassen. Zeitgleich verspürte ich eine Entspannung in meinem Körper. „Es ist so, wie es gerade ist. Ich nehme es so an.“
Einige Zeit später…
Wieder Jahre später erfuhr ich von meiner komplexen Schmerzerkrankung mit einem genetisch bedingten Anteil. Natürlich kam hier wieder das Kinderthema hoch. Wahrscheinlich ist die Frage „Kann ich trotzdem Kinder bekommen?“ eine der meist gestellten Fragen bei Erkrankungen. Mit einigen Hilfsmitteln oder unter Überwachung sei es schon möglich, las ich bei meiner Recherche. „Gut“, dachte ich. „Es darf alles sein. Ich werde schauen, wie alles wird.“
Die Reise, die zum wahren Kern führte
Mit der Zeit stellte ich mir mehr die Frage, welches Bedürfnis sich hinter dem Wunsch, Mutter werden zu wollen, verbarg. Ich entdeckte eine tiefe Sehnsucht in mir nach Identität und dem Wunsch, meinen Platz zu finden und eine Aufgabe zu haben. So malte ich mir das Leben in einer Familie aus. Ich stellte mir einen Partner vor, der für mich auftrat und mich beschützte.
Eigentlich wünschte ich mir sehnlichst, selbst ein beschütztes Kind zu sein, das ich nie war. In der Zeit des Loslassens bekam ich Zugang zu meiner eigenen Trauma-Geschichte und erkannte, dass ich das Bild einer „Wunschfamilie“ kreiert hatte – vielleicht, um den Schmerz zu verarbeiten, den ich aus meiner Herkunftsfamilie kannte.
Überrascht von Selbsterkenntnis
Die Erkenntnis, dass ich eine Familie wollte, um mich nicht mit mir selbst beschäftigen zu müssen, verletzte mich. Ich wollte mich erneut um andere kümmern. „Nur nicht allein in der Welt irgendwo herumstehen“, dachte ich. Diese Gedanken habe ich im Gespräch mit einer Freundin erkannt, als diese von ihrem Singleleben berichtete. „Weißt du, im Nachhinein bin ich dankbar, keine eigene Familie gehabt zu haben. Ich hätte mich nur hinter dem Mann und den Kindern versteckt“, sprach sie aus ihrer eigenen Erfahrung. Ich erkannte mich darin wieder, wohlwissend, dass die meisten Frauen nicht Mütter sind oder werden wollen, um sich verstecken zu können.
Und heute?
Heute lebe ich als Single und bin dankbar, viel Zeit für mich selbst zu haben, weil ich alle Kraft brauche, meinen Alltag zu bestreiten. Ich lebe mit den chronischen Erkrankungen und verspüre nicht mehr den Druck, gesund werden zu müssen, um etwas sein oder machen zu können. Auch lerne ich immer mehr, für mich selbst einzustehen und selbst für einen Schutzraum zu sorgen. Ich habe erkannt, dass ich in erster Linie für mein Leben und meine Bedürfnisse verantwortlich bin. Heute nehme ich mich als vollständig war, auch wenn ich keine eigene Familie habe.
Single versus Familien
Natürlich kenne ich den Schmerz, wenn Freundinnen um mich herum schwanger werden und die kleinen Babys auf ihrem Arm kuscheln. Auch weiß mein Verstand zeitgleich einen Kommentar zu melden: „Das sieht schöner aus, als es ist. Es ist alles sehr anstrengend.“ Auch fühle ich mich manchmal minderwertig oder verloren, wenn mein Bruder mit seiner Familie kommt. Das empfinde ich manchmal so, als stünde ich allein da und müsste mich für meine Interessen stark machen, während die vierköpfige Familie einfach durch ihre Vielzahl ein größeres Gewicht darstellt. Da bin ich erneut eingeladen, trotzdem für mich einzustehen und mutig mein Leben im Einklang mit Gott, meinem Nächsten und mit mir selbst zu leben. Das ist zumindest meine Lebenseinstellung.
Neue Ideen ziehen in mein Leben ein
Mittlerweile kann ich mir gut vorstellen, in einer Wohngemeinschaft mit Gleichgesinnten zu leben. Gemeinsame Werte, wie Respekt, Wertschätzung und Akzeptanz, leben und einen Garten zusammen zu bewirtschaften. Staunend blicke ich auf die zahlreichen Türen, die sich in meinem Leben verschlossen haben und entdecke das eine große Tor, durch das ich in eine neue Freiheit gehen durfte: weg von meinem Einbahnstraßen-Denken hin zur Vielfalt und dem Reichtum, wie ich mein Leben gestalten kann.
Und du?
Was sind deine Erfahrungen mit dem Thema Kinder bekommen und in einer Familie seinen Platz zu finden?
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