Martha Zöggeler aus Südtirol entschied sich mit ihrem Mann nach jahrelanger kinderloser Ehe für eine Adoption. Sie wagte damit ein ganzes Abenteuer, das sie nie bereut hat. “Unendliche Dankbarkeit” – so beschreibt sie ihre Gedanken dazu, wunderschön!
Neulich erzählten die Schwestern Sarah und Katharina Zöggeler ihre Geschichte: “auch wenn’s genetisch nicht passt” – sie sind Schwestern, die sich einfach lieben! Auch die Mutter der beiden Mädchen, Martha Zöggeler, war und ist in (fast) jeden Aspekt ihrer Geschichte involviert. Wie hat sie das Ganze erlebt, allen Aufwand, das Kennenlernen? Was denkt sie heute darüber?
Ihr, als Eltern, habt euch nach vielen Jahren kinderloser Ehe für eine Adoption entschieden – trotz großer Bürokratie und dem Wunder, später doch noch leibliche Kinder zu bekommen. Würdest du sagen, es hat sich alles gelohnt? Was macht das mit dir, was denkst du heute darüber?
Martha Zöggeler: Der ganze Adoptions-Aufwand hat sich mehr als gelohnt! Als mein Mann und ich nach Jahren die Diagnose bekamen, dass wir aus medizinischer Sicht keine eigenen Kinder bekommen könnten, tat sich für uns ziemlich schnell der Weg der Adoption auf. Und als wir kurz vor Weihnachten Eltern unserer kleinen Adoptivtochter Sarah wurden, waren wir überglücklich. Für mich bedeutete das zwar, urplötzlich aus meinem normalen Alltag herausgerissen zu werden, sozusagen eine Vollbremsung bei voller Fahrt, denn als angehende Adoptiveltern wussten wir zwar, dass wir irgendwann ein Kind bekommen würden, aber nicht, wann oder wie alt das Kind sein würde. Wir bekamen mittags den Anruf vom Sozialamt. Am Nachmittag durften wir Sarah das erste Mal sehen und nach täglichen Besuchen im Kleinkinderheim in Bozen nach einer Woche nach Hause holen.
Wir gingen mit unserer Kinderlosigkeit und unseren Adoptionsabsichten immer sehr offen um. Deshalb war die Freude in unserem Umfeld riesengroß, als die Neuigkeit bekannt wurde und noch heute werde ich manchmal auf der Straße angesprochen, wie es denn Sarah so geht.
Mein Mann und ich haben dann entgegen allen Prognosen doch noch eigene Kinder bekommen und ich durfte auch erleben, wie es sich anfühlt, sich bereits Monate vorher auf die Ankunft eines Kindes vorzubereiten, die Veränderungen des Körpers zu spüren und nach der Geburt erstmals das Baby im Arm zu halten. Sicher war es für uns Eltern mit der Situation Adoptiv- und leibliche Kinder nicht immer leicht. Man macht sich mehr Gedanken darüber, alle Kinder gleich zu behandeln, keines soll sich bevorzugt oder benachteiligt fühlen. Bei den leiblichen Kindern sieht man immer etwas Bekanntes oder Vertrautes im Verhalten, was hingegen bei einem Adoptivkind komplett anders ist.
Aber trotz allem würde ich diesen Weg noch einmal gehen. In unserer Familie würde ein ganz wichtiges Element fehlen, gäbe es Sarah nicht: ihre ruhige und besonnene Art, in unsere meist hitzigen und emotionalen Diskussionen einzugreifen, ihr großer Bekannten- und Freundeskreis, ihre strahlenden Augen, wenn sie begeistert von ihrer Arbeit und den Erlebnissen mit den Menschen mit Beeinträchtigung erzählt. Ich bin einfach nur froh, dass es sie gibt!
Wenn du an das erste Treffen mit Sarahs leiblicher Mutter zurückdenkst: Welche Gefühle kommen da hoch? Wie war das für dich/euch?
Martha Zöggeler: Ich, und auch mein Mann, empfanden für diese Frau vom ersten Augenblick an ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit! Dankbarkeit und Freude darüber, dass sie es diesem kleinen Wesen ermöglicht hat, das Licht der Welt zu erblicken. Ich war damals schon seit mehreren Jahren im Lebensschutz tätig und wusste, wie verhältnismäßig einfach es ist, ein Kind abzutreiben.
Bei unserem ersten, sehr emotionalen Zusammentreffen erzählte sie uns, dass sie der Verlust ihres Kindes natürlich sehr schmerzte, aber sie vertraute darauf, dass es so eine bessere Zukunft haben würde, als wenn sie es behalten hätte und dass ihr Kind bei einer Familie in Liebe aufwachsen und sie es vielleicht später sehen kann. Und sie freute sich riesig, als sie später auch Sarah kennenlernen durfte.
Wie könnte man das Thema “Adoption” für die Gesellschaft, sowohl für Frauen, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken, als auch für potenzielle Adoptiveltern breiter zugänglich machen?
Martha Zöggeler: Die Möglichkeit der Adoption müsste in der Öffentlichkeit viel präsenter sein, zum Beispiel durch die Installation von Babyklappen. In Beratungsgesprächen könnte man Frauen im Schwangerschaftskonflikt vermehrt auf die Möglichkeit der Adoption aufmerksam machen. Es gibt in Italien die Möglichkeit, im Krankenhaus das Kind anonym zur Welt zu bringen und die Sozialdienste suchen dann die passende Familie für das Baby. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt.
Was mich immer irritierte: Ich wurde als Adoptivmama fast als Heldin gefeiert, für die leibliche Mutter hingegen wurde oft wenig Verständnis gezeigt. Mütter, die ihr Kind zur Adoption freigeben, werden nicht selten als Rabenmütter bezeichnet. Sicher ist es kein einfacher Weg und kostet die abgebende Mutter viel Kraft und Tränen. Aber andererseits hat sie die Gewissheit, dass ihr Kind lebt. Bei einer Abtreibung wird dieses neue Leben hingegen unwiederbringlich ausgelöscht. Das scheint im ersten Moment der einfachere Weg für die Frau zu sein. Doch die meisten Frauen leiden früher oder später nach einer Abtreibung darunter.
Familie Zöggeler wuchs übrigens Jahre nach der Adoption – ganz unverhofft – ohne Adoption, sondern ganz natürlich: zwei Geschwister kamen hinzu und machen die Familie einfach stark und einzigartig!
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