Rupert Heindl ist 25 Jahre, studiert in München Berufsschullehramt, ist seit Juni im Landesvorstand der KLJB (Katholische Landjugendbewegung Bayern) und seit Kurzem UN-Jugenddelegierter für nachhaltige Entwicklung. Im Interview mit Christian Erxleben spricht er über soziales Engagement, Zeitmanagement und unsere Zukunft, die Jugendlichen.
Rupert, was hast Du durch Dein Ehrenamt bei der KLJB gelernt, dass Dir bei Deiner neuen Aufgabe als UN-Jugenddelegierter weiterhilft?
Sehr viel informelle Bildung. Ich habe zwar kein Zeugnis, das mir meine Leistungen bescheinigt aber ich persönlich kann mit Menschen besser umgehen. Außerdem weiß ich, wie man in Gruppen arbeitet und systemisch zu einem guten Ergebnis kommt. Und selbstverständlich die Arbeit in Gremien: Wie moderiere ich eine Sitzung? Wie formuliert man ohne sich zu treffen einen Antrag sowie strategisches Denken. Wenn ich auf der KLJB-Bundesebene einen Antrag durchsetzen möchte, muss ich zunächst schauen, was konsensfähig wäre.
Würdest Du Dir Dein neues Ehrenamt ohne Deine Vorerfahrungen zutrauen?
Ich glaube, dass es darauf ankommt, welche Ansprüche man an das Amt hat, aber ohne die Vorerfahrungen wäre ich es gar nicht geworden, weil die bei der Auswahl genau darauf geachtet haben, dass es Leute sind, die schon ein Netzwerk haben.
Du hast bereits den Auswahlprozess angesprochen. Wie läuft dieser ab?
Es gibt verschiedene Programme. Zum einen die UN-Jugenddelegation für die General Assembly. Da ist das Auswahlverfahren aufwendiger als bei uns. Bei uns ist es speziell auf die nachhaltige Entwicklung zugeschnitten – für dieses Gremium, bei dem es mehr um inhaltliche als repräsentative Arbeit geht. Der erste Schritt wäre, dass man mitbekommt, dass neue UN-Jugenddelegierte gesucht werden. Dazu muss man fast in Jugendverband oder Netzwerk sein, in dem das publiziert wird. Anschließend muss man eine schriftliche, mehrsprachige Bewerbung mit Lebenslauf und Motivation einschicken. Man sollte Sprachsicherheit mitbringen und mit der Materie vertraut sein. Sowohl mit den Strukturen der VN (Vereinten Nationen), als auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung und den Fragestellungen dahinter. Explizit wurde erwähnt, dass nicht die politische Meinung entscheidend ist, sondern die politischen Grundkenntnisse. Es folgen Auswahlgespräche in Berlin, bei denen das Bundesministerium dabei ist und der deutsche Bundesjugendring, der von der Jugendarbeitsseite zuständig ist.
Und warum hast Du Dich für nachhaltige Entwicklung entschieden?
Zunächst war das nicht nur meine Entscheidung. Zwar hätte mich auch das andere Thema interessiert, für die nachhaltige Entwicklung brenne ich selbst und habe auch das Gefühl, dass hier in den nächsten Jahren sehr viel passiert. 2015 enden die Milleniumsziele der VN, der neue Rahmen, der danach entstehen soll, also der „Post 2015“-Prozess, steht unter dem Leitbegriff der nachhaltigen Entwicklung. Das heißt, dass das kein Begriff ist, den man beispielweise durch Armutsbekämpfung austauschen könnte. Es ist, glaube ich, das Leitmotto, in das alles andere integriert ist.
Was verstehst Du unter nachhaltiger Entwicklung?
Für mich geht es hauptsächlich um Gerechtigkeit. Nachhaltige Entwicklung ermöglicht uns ein Leben in Würde, so wie wir das wollen, ohne gleichzeitig die kommenden Generationen oder Menschen auf der anderen Seite der Welt in Mitleidenschaft zu ziehen.
Warum ist dieses Bewusstsein so wichtig für unsere Jugend?
Wir als westliche Welt nehmen eine privilegierte Rolle ein, haben die Möglichkeit, etwas zu ändern und exportieren unser Lebenssystem und unseren Lebensentwurf ein Stück weit. Für die Jugend ist das wichtig, weil das unsere Zukunft ist. Meiner Meinung nach hat jeder Mensch den Anspruch, mit seinem Leben etwas zu gestalten oder an etwas größerem Ganzen mitzuwirken – zumindest ist es bei mir so – und deswegen ist es auch unsere Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten.
Wie kannst speziell Du in Deinem Amt als UN-Jugenddelegierter dazu beitragen?
Grundsätzlich gibt es zwei Wege. Einerseits agiere ich als Teil der deutschen Delegation als Experte für die Jugend. Das heißt bei Workshops, Versammlungen oder auch über Social Media mit ihnen zu diskutieren, deren Meinung mitzunehmen und vor Ort den Entscheidungsfindungsprozess der VN mitzugestalten, wobei man dabei nur eines von vielen kleinen Zahnrädern ist. Andererseits steckt viel Potential darin, hier in Deutschland Menschen darauf aufmerksam zu machen. Ich glaube, dass wir über dieses Programm junge Menschen wachrütteln und viele Multiplikatoren dazu bringen können, aktiv zu werden. Das Wichtigste dabei ist der persönliche Kontakt.
Wie vermittelst Du die Ergebnisse Deiner Arbeit den bayerischen Jugendlichen?
Vermitteln heißt für mich zum einen: den Prozess vorstellen, also greifbar machen, was in New York passiert, wie die VN funktionieren und, dass sie ein zukunftsfähiges Konzept sind für eine globale Entwicklung. Die weit verbreitete Meinung ist leider, dass außer dem Sicherheitsrat da sowieso niemand etwas zu sagen hat. Selbstverständlich geht es auch darum, die Fakten über unsere globalen Probleme und die Notwendigkeit der nachhaltigen Entwicklung darzustellen. Das sind Zahlen zum Klimawandel, zur steigenden Weltbevölkerung und dem Ressourcenschwund. Wir wollen auch Ungerechtigkeiten darstellen, wie sie im Moment herrschen. Mir geht es darum Fragen aufzuwerfen. Ich will nicht nur versuchen, Antworten zu geben, sondern Leute zum Nachdenken bringen. Den meisten jungen Menschen sind die Probleme bewusst. Die Frage ist nur, was macht man mit diesem Wissen und wo kann man es anbringen, um die Gesellschaft mitzugestalten? Darüber herrscht glaube ich sehr oft Ratlosigkeit.
Mit welchen Mitteln willst Du dieser Ratlosigkeit entgegenwirken?
Zuerst einmal möchte ich vermitteln, dass es noch nicht zu spät ist und die jungen Leute dazu motivieren, aktiv zu werden. Das geht in Verbänden und Jugendparteien und klassisch vor Ort, indem man sich beispielsweise im Gemeinderat aufstellen lässt. Da gibt es auch oft Arbeitskreise zur Ökologie oder Energie. Entscheidend ist in jedem Fall der soziale Aspekt. Es geht nicht darum, dass der Einzelne mehr macht, sondern dass jeder etwas macht.
Neben Deiner Arbeit als UN-Jugenddelegierter, studierst du und bist bei der KLJB aktiv. Wie gehst Du in Krisensituationen mit dem Druck um?
Meine Familie und meine ehrenamtliche Arbeit, bei der ich gute Freunde habe, die für mich da sind, geben mir Kraft. Außerdem wird es akzeptiert, wenn ich Aufgaben nicht bewältigen kann, weil ich mit der Uni im Stress bin. Das Schöne am Ehrenamt ist, dass einem dieser Freiraum auch gelassen wird. Zugleich ist es wichtig, Prioritäten zu setzen. Man sollte im Vorherein realistisch ansetzen, was zu schaffen ist.
Nicht nur bei Dir, sondern auch schon zur Schulzeit haben Jugendliche häufig viel zu tun und sind deswegen schwer für ehrenamtliches Engagement zu begeistern. Wie können die Verbände attraktiver werden?
Aus Sicht der KLJB ist es eine Frage der Subsidiarität: Vor Ort Menschen begeistern, können auch nur Menschen, die vor Ort präsent sind. Für uns als Landesverband heißt das, dass wir gute Materialien zur Verfügung stellen und uns politisch für Rahmenbedingungen einsetzen, die gute Jugendarbeit vor Ort ermöglichen und erleichtern sollen. Aber das A und O sind motivierte Leute, die vor Ort sind und dafür brennen. Die Bezahlung ist nicht ausschlaggebend, sondern ob jemand hinter seiner Arbeit steht. Man muss nicht immer die großen Inhalte verbreiten. Manchmal reicht es auch, die Gemeinschaft zu leben, etwas gemeinsam mit Jugendlichen zu unternehmen und Alternativen zum Computer zu bieten.
Welche Erfahrungen hast Du in der Arbeit mit Jugendlichen bislang gesammelt?
Sehr positive. Es kommt zwar immer wieder zu Situationen, in denen Jugendliche deine und ihre Grenzen austesten – das kenne ich ja selbst – aber was mich sehr bereichert, ist wenn man merkt, dass sich Jugendliche für etwas interessieren. Und das ist immer der Fall! Alle Jugendlichen interessieren sich für irgendetwas. Man muss nur herausfinden wofür. In dieser Situation ist einerseits der Lehrer, andererseits der Jugendverband gefordert. Die tollsten Erfahrungen sind tatsächlich, wenn man den Bereich findet, in dem die Leidenschaft brennt, sei es eine Sportart oder Inhaltliches. Das gibt mir Kraft und macht mich glücklich.
Lieber Rupert, vielen Dank für das Gespräch!
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