Ganz egal ob in der Familie, unter Freunden oder in Beziehungen: toxische Verhaltensweisen können überall auftauchen und ihre Wirkung nach und nach entfalten. Leider können wir nicht immer direkt erkennen, wer ein toxischer Mensch oder was eine toxische Beziehung ausmacht. Hier könnt ihr nachlesen, wo die Merkmale einer toxischen Beziehung zu finden sind und wie ihr Red Flags frühzeitig erkennen könnt.
Wie bei vielen psychologischen Phänomenen kann es sehr viele Ursachen und Gründe für Verhaltensweisen und toxische Ausprägungen geben. Alle von ihnen hier aufzulisten würde den Rahmen sprengen, deswegen habe ich mich auf einige von ihnen fokussiert. Obwohl wir oft von toxischen Menschen sprechen, ist es im Grunde ihr Verhalten und auch manchmal ihre Denkweisen, die toxisch sind, nicht die Menschen selbst.
Toxisches Verhalten ist nur ein Deckmantel
Was toxisches Verhalten ist und wie man es erkennt, das weiß man recht schnell. Was aber oftmals übersehen wird, ist, dass toxisches Verhalten nur ein Symptom ist und die Ursache meist sehr viel tiefer steckt. Oft sind verdrängte Gefühle und Erlebnisse aus der Kindheit des/der Betroffenen entscheidend und sehr prägend dafür. Oftmals sind es Erlebnisse, die dafür verantwortlich sind, dass das Selbstwertgefühl und die Selbstliebe vernachlässigt wurde oder vielleicht sogar gehemmt sind.
Deswegen ist es besonders wichtig, das toxische Verhalten zwar als solches anzuerkennen, es jedoch als Symptom zu sehen und nicht als Ursache. Niemand von uns ist wirklich böse, aber es sind dennoch oft die Verhaltensweisen, die uns an dieser Welt teilhaben lassen. Nur weil es eine Erklärung und Ursache für toxische Verhaltensweisen gibt, müssen wir sie uns nicht gefallen lassen. Und wir müssen einsehen, dass wir nicht dafür verantwortlich sind, diesen Menschen zu helfen, wenn sie sich selbst nicht helfen wollen.
Überkompensation
Besonders viele Verhaltensweisen und Komplexe entspringen aus unserer Kindheit. Da man sehr schwer pauschalisieren kann, wie Kindheiten verlaufen, ist hier jede Geschichte ein eigenes Drama. Überkompensation entsteht meist als Folge unerfüllter Bedürfnisse und können auf vielfältige Weise im späteren Leben auftauchen. Der/die Eine kompensiert fehlende Selbstliebe durch Binge-Eating und der/die Andere durch Magersucht. Pauschalisieren lässt sich die Auswirkung einer unerfüllten Kindheit nie so richtig, es gibt zwar Wahrscheinlichkeiten, aber diese müssen nicht zwangsläufig eintreffen.
Das in Wirklichkeit zugrundeliegende Bedürfnis gerät in Vergessenheit oder wird vielmehr verdrängt und oberflächlichere Bedürfnisse treten zutage. Das muss nicht bedeuten, dass dieses Bedürfnis unwichtig ist, trotzdem gilt besondere Aufmerksamkeit, wenn es besonders stark ausgeprägt ist und nach immer mehr Befriedigung verlangt. Teilweise wirkt es nach außen hin unecht oder unangemessen, aber in den Augen des Betroffenen vollkommen legitim.
Kontrolle ist alles
Das Bedürfnis nach Kontrolle ist nicht nur toxischen Menschen vorbehalten und doch trifft es besonders oft auf sie zu, dass sie ein sehr aufgeprägtes Kontrollbedürfnis entwickeln. Wie weiter oben bereits erwähnt, scheint es manchmal, als wären die toxischen Verhaltensweisen nicht angemessen oder irgendwie überspielt und unverhältnismäßig. Gleiches gilt auch für das Kontrollbedürfnis. Doch als Betroffener weiß man vielleicht nicht, dass Kontrolle nichts mit wahrer Liebe zu tun hat. Liebe ist frei und bestenfalls auch nicht gebunden an Voraussetzungen.
Dass jedoch ein toxisches Verhalten stark kontrollierend und manipulierend sein kann, ist kein Geheimnis. Kontrolle ist auch nur ein Weg, mit Ängsten und Unsicherheiten, sowie mit mangelndem Selbstwertgefühl umzugehen. Denn Kontrolle vermittelt oft ein inneres Gefühl der Sicherheit und auch wenn es nicht das Gefühl von Liebe ist, so ist es zumindest etwas. Je mehr sich ein toxisches Verhalten ausprägt, desto normaler werden solche übergriffigen Situationen. Problematisch dabei ist auch, dass genau das zu einer anderen Normalität führt. Einer Normalität, in der Kontrolle und Manipulation tägliche Tatsachen sind.
Manipulation ist ein Instrument
Toxische Menschen nutzen oft die Manipulation als Werkzeug, um das zu erreichen, was sie wollen. Genau wie Kontrollzwang ist es eine Übergriffigkeit, die nicht tolieriert werden sollte. Manipulatives Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass eine versteckte Beeinflussung stattfindet. Das geschieht jedoch nicht auf direktem Wege, sondern sehr geschickt und verdeckt, dadurch ist es schwieriger zu erkennen. Meistens liegen hier immer eigennützige Beweggründe vor.
Besonders perfide ist die emotionale Manipulation, die uns viel tiefer trifft, als nur die oberflächliche Beeinflussung. Hier wird mit dem Gewissen gespielt und egal, was man tut, es ist doch das Falsche. Immerzu wird mit Schuldzuweisungen gearbeitet, die dazu führen sollen, dass wir uns letzlich damit abfinden, dass wir immer Schuld sind. Denn Schuld macht uns gefügig und kontrollierbar, sie macht und unfrei und bindet uns. Deswegen ist es sehr wichtig, klare Grenzen zu setzen und sich über Tatsachen klarzuwerden. Menschen, die ein gesundes Selbstwertgefühl haben und die Tatsachen kennen, sind viel weniger anfällig für derlei Schuldzuweisungen.
Machtspielchen
Auch wenn eine Beziehung kein Tauziehen sein sollte, stellt sie sich bei toxischen Beziehungen oft als solches heraus. Es geht zwar dann nicht darum, wer der Bessere oder Stärkere ist, es geht im Grunde um viel mehr: um Kontrolle und Macht über den/die Andere/n. Hier darf nach den Regeln einer toxischen Beziehung mit allem gekämpft werden, sogar mit emotionaler Erpressung, Liebesentzug und Eifersucht. All das ist jedoch nicht als echte Emotion zu betrachten, sondern lediglich als Mittel zum Zweck. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Täter in einer toxischen Beziehung selbst innerlich quält und sein Verhalten vielleicht nicht absichtlich ist. Machtspielchen sind auch immer ein Zeichen für ein geringes Selbstwertgefühl, das nach permanenter Bestätigung sucht. Oftmals gehen toxische Beziehungen mit einer narzisstischen Persönlichkeit einher, der besondere Beachtung geschenkt werden sollte.
Für zahlreiche Wunden werden bereits im Kindealter die ersten Grundsteine gelegt, die das spätere Leben prägen können. Es ist eine besondere Herausforderung, mit solchen Wunden und Konsequenzen leben zu müssen. Viele sind sich ihrer Verletzungen nicht bewusst und leiden ein Leben lang darunter. Diese Dramatik ist zwar real, bedeutet aber nicht, dass wir die Konsequenzen ertragen und in einer Beziehung mit solchen Menschen verweilen müssen. Wir können ihnen beistehen, indem wir selbst ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen und auch ihnen helfen, sich selbst zu helfen. Aber dafür müssen sie sich eingestehen, dass sie ein Problem haben, das es zu lösen gibt und es auch lösen wollen.
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