Wie und wann eine toxische Beziehung anfängt können wir häufig erkennen und erahnen. Zumindest rückblickend erscheint es uns ganz eindeutig. Aber wo genau hat eine toxische Beziehung ihren Ursprung und wie können wir etwas dagegen tun, dass sie ungeahnte Ausmaße annehmen kann? Wie können wir erkennen, was die wirkliche Ursache und die Lösung dafür sind?
Bei toxischen Beziehungen zwischen zwei Menschen sehen wir oft bereits auf den ersten Blick, dass es sich um keine gewöhnliche Beziehung handelt. Nach außen hin und für andere Menschen mag es vielleicht anders aussehen, aber für unsere eigene Beziehung wissen wir es meist unterbewusst und sicher. Was wir aber selten wissen, sind ihre Ursprünge, denn nur zu einfach ist es, die Verantwortung für die toxische Entwicklung der Beziehung und/oder das toxische Verhalten an den Partner abzuschieben.
Was können die Ursprünge für eine toxische Beziehung sein?
Toxische Beziehungen bestehen nicht nur aus einer Person, sondern aus zweien. Da stellt sich auch die Frage, welche dieser Personen der toxische Part ist und welche das Opfer. Diese beiden Rollen sind insofern entscheidend, dass sie auf unterschiedliche Ursprünge oder Umgangsweisen hinweisen können. Im Falle des Opfers ist es nicht nur eine Hilflosigkeit und ein Ausgeliefertsein, das erlebt wird, sondern auch eine passive Haltung sich selbst und der Welt gegenüber.
Das kann anfällig für eine Opferrolle sein (im Übrigen habe ich hier auch einige Artikel zum Thema Opferrolle geschrieben, die sich genauer damit beschäftigen). Leider hat es zur Folge, dass die Person sich alles gefallen lassen kann und ihren Selbstwert als gering erlebt. Das führt auf Dauer zu einem Teufelskreis, denn durch die zusätzlich erlebte Machtlosigkeit und emotionale Abhängigkeit, sinkt das Selbstwertgefühl immer weiter und die Abhängigkeit steigt zusätzlich.
Im Falle des toxischen Parts einer Beziehung hingegen könnte es sich um ein hohes Macht- und Kontrollbedürfnis handeln, das ausgelebt werden will. Diese Person hat in vielen Fällen auch narzisstische Persönlichkeitszüge, die sowohl ein grandioses Selbstbild bescheren, aber auf der anderen Seite auch Kompensation von möglichen Minderwertigkeitsgefühlen.
Natürlich ist es nicht immer so einfach abzugrenzen und zu erkennen, denn wir sind alle emotional höchst komplexe Wesen.
Unsere Kindheit: Goldgrube oder Kohleabbau
Wenn wir uns mit den Symptomen einer toxischen Beziehung befassen, so können wir die Ursachen vielleicht nur erahnen. Wie so oft, kann der Ursprung einer toxischen Beziehung in der Kindheit und Familie der beiden Partner einen Ursprung haben.
Zuerst einmal: keine Kindheit ist perfekt. Wenn wir nur genau genug hinschauen, werden wir feststellen, dass kein Elternteil perfekt sein kann, das wäre einfach nicht menschlich. Hinzu kommen noch die Verhaltensweisen, die wir von unseren Eltern ungefiltert erlernen und die Erfahrungen, die wir mit Menschen außerhalb unseres engsten Kreises machen. Unsere Eltern sind Menschen, die den ein oder anderen Fehler begangen haben. Es ist also ein sehr breites Spektrum zwischen ‚gut‘ und ‚nicht gut‘.
Es gibt schwerwiegende Fehler und prägende Kränkungen und es gibt weniger schlimme Ereignisse. Das kann einen sehr großen Einfluss darauf haben, wie wir unsere kleine Welt und uns selbst erleben. Wie wir uns selbst und die Menschen Jahrzehnte später behandeln. Und genau das ist das Entscheidende: Um das zurückzuverfolgen und zu erkennen, bedarf es viel Arbeit und Reflektion. Dazu sind viele nicht bereit, entweder weil sie es verdrängen und der Schmerz zu groß ist oder weil sie es für unnötig halten, oder aber auch weil sie es nicht einsehen, dass sie der Ursprung des Problems sein könnten.
Toxische Beziehung zu sich selbst
Eine toxische Beziehung fängt in der Regel bei sich selbst an, sie kann sich im Kleinen oder im Großen äußern. Wie wir uns selbst behandeln, so behandeln wir auch andere – darin schlummert eine alte Wahrheit, die uns dabei helfen kann, uns selbst zu reflektieren. Wer soll uns lieben, wenn wir uns selbst nicht lieben? Wer soll uns wertschätzen, wenn wir uns selbst nicht wertschätzen? Und wer kann uns helfen, wenn wir uns selbst nicht helfen wollen? Niemand.
Es gibt viele Arten, auf die sich eine toxische Beziehung zu sich selbst äußern kann: Dass der eigene Körper gehasst wird, aber auch beispielsweise eine Sportsucht; ein innerer Kritiker, der unsere Handlungen kommentiert; eine Oberflächlichkeit, die uns nur noch auf unser Aussehen reduzieren lässt, mangelnde Selbstliebe und Wertschätzung; eine Abneigung gegen unsere Eigneheiten. All das können die Anzeichen sein dafür, dass wir uns selbst schon toxisch behandeln. Und du ahnst es schon: Wenn wir uns selbst toxisch behandeln, wie werden uns dann wohl andere behandeln? Richtig, genauso.
Wenn der Ursprung so weit zurückliegt, können wir uns überhaupt verändern?
Unsere Kindheit auszubügeln wird wohl nicht so schnell klappen, das hat jeder festgestellt, der sich damit auseinandergesetzt hat. Aber sich damit auseinanderzusetzen, was uns bewegt, was in uns schlummert, sowohl das Gute als auch das Böse, kann sehr erleichternd und aufschlussreich für unseren eigenen Weg sein. Wir können so vieles über uns lernen und vor allem daran arbeiten, uns und unsere Sichtweisen zu verändern.
Es ist niemals leicht, etwas zu verändern, am wenigsten sich selbst, aber es lohnt sich. Auf dem Weg der Aufarbeitung finden wir oft Schätze, die viel wertvoller sind, als diejenigen, die wir aus der Goldgrube (oder auch aus dem Kohleabbau) unserer Kindheit bekommen. Und vor allem sind es dann unsere Schätze, die wir niemandem zu verdanken haben, außer uns selbst.
Tatsache ist, für Veränderung ist es niemals zu spät und dieser Gedanke ist sehr beruhigend und bedeutend. Es liegt in unserer Hand, etwas zu verändern und zu wachsen, wenn wir es möchten. Aber wir dürfen auch nicht unterschätzen, dass es viel Arbeit sein kann und viel Mut erfordert.
Verantwortung übernehmen
Ein Teil des Erwachsenseins ist es, Verantwortung für uns selbst, für unsere Handlungen und Konsequenzen zu übernehmen. Und darin liegt auch ein sehr großer Teil für unsere eigene Entwicklung. Wenn uns die Kindheit sehr geprägt hat, dann können wir die Verantwortung dafür übernehmen, wie es für uns weitergeht.
Bleiben wir ein hilfloses Opfer unserer Umstände, oder nehmen wir fortan unser Leben in die Hand? Das liegt ganz bei uns. Jemand, der es nicht tut, lebt vielleicht zeitweise einfacher und entspannter, aber auf Dauer unglücklicher und leerer. Die Vielfalt unserer Emotionen hält so vieles für uns bereit, dass sie es wert ist, entdeckt zu werden.
Costa
Sehr interessant und aufschlussreich vieles trifft zu und hat meine Augen geöffnet.