Toxische Beziehungen kennen wir vor allem, wenn sie zwischen zwei Menschen entstehen und fortschreiten. Dabei wird oft unterschätzt, wie oft unsere Beziehung zu uns selbst toxisch oder sogar zerstörerisch ist. Dabei spielt nicht nur unsere seelische Verfassung oder äußere Faktoren eine wichtige Rolle, sondern auch unsere Beziehung zum eigenen Körper und unser Selbstbewusstsein. Diese hängen oft zusammen und haben einen großen Einfluss darauf, wie wir leben und unsere Beziehungen führen.
Toxische Beziehungen zwischen Menschen zeichnen sich meistens durch übermäßige Kritik, Kontrolle, Manipulation und Forderungen. Fehlende Unterstützung, eine Achterbahn der Gefühle können zwar auch in Bezug auf uns selbst entstehen, aber eher seltener. Dennoch lassen sich die ersten Merkmale einer toxischen Beziehung auch auf den Umgang mit unserem eigenen Körper übertragen. Wir manipulieren unser Essen, zählen vielleicht Kalorien, halten unseren Körper unter allen Umständen unter Kontrolle, damit er abnimmt und fordern trotzdem immer, dass er wie gewohnt funktioniert.
Wenn er es nicht tut, führt es auch noch zusätzlich dazu, dass wir uns noch schlechter fühlen und dem Körper die Schuld geben und nicht uns selbst, dem Verursacher. Vielleicht kommt es sogar zu den extremen Fällen, in denen diese Achterbahn in einer Essstörung, Selbsthass oder Depression endet.
Beziehung vs. Beziehung
Bei Beziehungen zu unserem Partner haben wir oft eine Rückmeldung, dass wir etwas richtig oder falsch gemacht haben. Haben wir einen Fehler gemacht, so werden wir wahrscheinlich darauf hingewiesen und haben die Möglichkeit zu wachsen und uns zu verändern. Bei unserem Körper haben wir diese Rückmeldung eigentlich auch, nur sind wir nicht so sensibilisiert dafür, die Zeichen zu deuten, die wir vielleicht bekommen.
Unser Körper ist genial, er zeigt uns genau, was er braucht, wenn wir nur darauf hören und achten. Er sendet uns Signale, wenn wir etwas falschen machen und wir haben ein Bauchgefühl, was meistens sehr verlässlich ist. Wenn wir unseren Körper als Feind betrachten, dass ist all das nicht gut genug, wir haben das Gefühl, dass er gegen uns arbeitet. Er verträgt das Essen nicht, das uns schmeckt, er nimmt kein Gramm ab und überhaupt, was soll schon wieder dieser Bad Hair Day?
Das Huhn und das Ei
Kommt ein niedriges Selbstwertgefühl von einer inneren Unzufriedenheit mit unserem eigenen Körper? Oder kommt die Unzufriedenheit mit unserem Körper von einem niedrigen Selbstwertgefühl und wenn ja, wie kommt es überhaupt dazu?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, jedoch ist es gerade bei Mädchen und Fragen so, dass sie permanent mit Vorstellungen anderer überhäuft werden, wie sie zu sein und auszusehen haben. Das fängt im Kleinen an und endet mit den großen Modemagazinen, in denen suggeriert wird, was die perfekten Bodymaße, die perfekte Haut, Größe und Oberweite sind. Problematisch ist nicht nur, dass die Models in den Magazinen und Sozialen Medien oft retuschiert und aufgehübscht werden, sondern auch die zusätzliche Tatsache, dass sie als ein Ideal und ein Idol verkauft werden, das erstrebenswert erscheint. Das alles ist nur der Anfang und möglicherweise auch ein Faktor der viel zu einer toxischen Beziehung zum eigenen Körper beiträgt.
Selbstwahrnehmung und Selbstwertgefühl
Wenn wir davon ausgehen, dass unsere (Selbst-)Wahrnehmung ein wesentlicher Bestandteil unseres Selbstwertgefühls sein könnte, so müssten wir auch daran glauben, dass eine Schönheits OP all unsere Selbstzweifel in Luft auflösen sollte. Wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Nase und unsere Oberweite lieben zu lernen, dann ist es sehr einfach geworden, diese zu verändern. Es gibt nichts mehr, was man mit Geld nicht kaufen könnte, oder? Doch: Selbstliebe. Die lernen wir nur dadurch, dass wir lernen unseren Körper zu lieben und zwar so, wie er ist.
Wir sind alle nicht perfekt und selbst die größten Models sind geplagt von Unzufriedenheit und Neid auf das ein oder andere. Der große Irrglaube ist, dass uns Anerkennung von außen und Geld die innere Selbstliebe bringen können, aber das tun sie nicht wirklich, weil sie keine Basis in uns selbst finden. Je mehr wir also an uns optisch verändern wollen, desto mehr werden wir auch finden, was wir noch alles verändern würden. Aber was bleibt dann überhaupt noch von uns selbst? Sind wir nicht von Selbsthass getrieben, wenn wir uns ständig äußerlich verändern wollen und sollte unser Fokus nicht vielmehr in unser tiefstes Inneres wandern und die Wurzel des Problems finden?
Wenn wir uns selbst nicht lieben können, wer kann es denn dann überhaupt?
Der Schönheitswahn führt uns jedoch weiter weg von uns selbst, hin zu Oberflächlichkeiten, die uns nur für den Moment helfen, aber uns nicht dauerhaft glücklich machen können. Zwar wird ein kurzes Hoch erlebt durch die Veränderung und das neue Erscheinungsbild, aber an dem inneren Kritiker und dem Selbsthass ändert es sehr wenig. Da hätte vielleicht auch einfach ein Friseurbesuch gereicht, statt das eigene Gesicht zu verändern. Problematisch ist auch, dass wir dadurch keine Selbstliebe lernen.
Wir lernen nicht uns selbst zu lieben, sondern nur die Schönheit, die wir uns erkauft haben. Wenn Reflektion und Erkenntnis dafür fehlen, gerät man in eine Abwärtsspirale, die auf Dauer unglücklich macht. Selbstliebe und Akzeptanz kann man nicht kaufen, daran muss man arbeiten und sie sich verdienen, das ist der steinige Weg, der uns zu unserem Glück führt und uns dauerhaft zufriedener machen kann. Wer wird uns lieben können, wenn wir uns selbst weder akzeptieren noch lieben? Vermutlich niemand, denn das, was wir fühlen, tragen wir so auch nach außen und sagen anderen: Sieh her, ich bin nicht liebenswert. Trotz dessen wird es oft paradoxerweise erwartet, dass wir geliebt werden, obwohl wir es offensichtlich nicht selbst tun.
Gibt es einen richtigen Weg?
Für jeden von uns gibt es einen richtigen Weg, der sich nicht pauschalisieren lässt, jeder ist so einzigartig, dass nur er/sie selbst seinen eigenen Weg finden und gehen kann. Aber es gibt auch einige Gedanken, die uns dabei helfen können, den richtigen Weg zu finden. Wir müssen anfangen, mehr in uns zu sehen, als die äußere Hülle, die für so viele oberflächliche Dinge in dieser Welt ausschlaggebend ist. Wir müssen erkennen, dass wir mehr sind, als das.
Und wir müssen uns darauf konzentrieren, unser Potential zur Selbstliebe und Selbstbewusstsein zu entfalten. Wir müssen uns selbst finden und uns lieben lernen und anderen erlauben können, uns zu lieben. Wir müssen uns in Akzeptanz und Respekt üben, nicht nur uns selbst, sondern auch anderen gegenüber. Und sobald wir andere auch so behandeln, wissen wir, dass wir uns endlich selbst lieben gelernt haben. Vielleicht ist dieser steinige Weg zur Selbstliebe genau das, was wir brauchen und lernen müssen, damit wir zu besseren und weiseren Menschen werden. Und vielleicht ist dieser steinige Weg auch weitaus schöner, als er auf den ersten Blick für uns aussieht.
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