Wenn wir den Begriff „toxisch“ verwenden, gebrauchen wir ihn für eine Beziehung, für Menschen und Situationen, kurzum von Dingen, von denen wir uns am liebsten distanzieren möchten. Was wir aber in Wirklichkeit damit meinen, sind die Verhaltensweisen dieser Personen, die Dynamik der Beziehung oder toxische Gewohnheiten. Welche Rolle spiele die Gewohnheiten in unserer Beziehung und wie können wir sie erkennen und verändern? Das erfahrt ihr in diesem Artikel.
Gewohnheiten in unserem Leben sind vor allem Eines: ein Stabilitätsfaktor. Sie sorgen dafür, dass wir morgens aufstehen und uns die Zahnpasta auf die Zahnbürste schmieren, dass wir oftmals unbewusst daran denken, unsere Tür abzuschließen und unser Leben in Bahnen zu lenken. Doch sie können manchmal ins Gegenteil umschlagen; das passiert immer dann, wenn wir Gewohnheiten entwickeln, die uns eigentlich nicht guttun oder gar schädlich sind. Gewohnheiten sind jedoch sehr hartnäckig und können nicht mal eben schnell verändert werden. Hinzu kommt noch, dass wir alle so individuell gestrickt sind, dass es kaum eine Möglichkeit gibt, die für uns alle funktionieren kann. Jeder muss seinen Weg finden und in seinem Tempo daran arbeiten.
Jede Beziehung ist anders und jeder von uns so einzigartig, dass es uns manchmal schwerfällt zu glauben, dass wir mit jemandem vergleichbar sind oder sich unsere Verhaltensweisen so sehr ähneln können. In Wirklichkeit haben wir viele Dinge mit anderen Menschen gemein: in der Regel vermeiden wir Anstrengungen und müssen uns dazu aufraffen, wir können nur schwer unseren inneren Schweinehund überwinden und neigen meistens dazu mehr Zucker zu essen, als uns guttut, weil er uns einfach schmeckt. Nur um einige davon zu nennen.
Wenn ich heute eine Tafel Schokolade esse, wird mich das wohl kaum umbringen. Dem würde wohl keiner widersprechen. Aber wenn ich an jedem Tag eines Jahres eine Tafel Schokolade esse, wird es meiner Gesundheit schaden, obwohl ich diese Schokolade sehr genieße. Es ergibt sich daraus also eine Problematik, dass uns etwas angeblich gut tut, ohne uns wirklich gut zu tun.
Was im ersten Moment vielleicht nicht so drastisch klingt, schleicht sich also unauffällig als Gewohnheit in unser Leben und schadet uns dauerhaft, weil wir nun mal bequeme Menschen sind und uns nicht gerne verändern, wenn keine Notwendigkeit dazu besteht. Dieses Beispiel lässt sich auf zahlreiche andere Dinge und Situationen übertragen und wenn wir der Bequemlichkeit nachgeben, kann das verheerende Folgen für unser Leben haben. Aber nun zu den konkreten toxischen Gewohnheiten.
1. Ständige Kritik
Viele von uns haben einen sehr starken inneren Kritiker. Das ist wohl kaum verwunderlich, wenn wir uns den eigenen Werdegang anschauen. Da unsere Eltern ihren Job gut machen wollen, müssen sie uns auch ab und zu kritisieren. Sie sind sehr bemüht, uns zu einem guten Menschen zu erziehen und manchmal meinen sie es zu gut. Dann kann unser innerer Kritiker ein Ausmaß annehmen, das uns wenig innere Freiheit lässt. Diese Verhaltensmuster und Gewohnheiten übernehmen wir häufig von ihnen und vergessen meistens, uns selbst für etwas zu loben, was uns gut gelungen ist.
Das hat leider die Folge, dass wir auch nicht daran denken, unseren Partner zu loben. Vielmehr neigen wir dazu, ihn zu kritisieren, zu sagen, was uns nicht passt und was man verbessern könnte. Das hat enormen Einfluss auf die gesamte Beziehungsdynamik und kann schnell in einer Abwärtsspirale enden. Konstruktive und respektvoll geäußerte Kritik ist hier die Lösung, die wir anwenden müssen. Zuerst müssen wir aber unser Verhalten im Ganzen beobachten: Loben wir uns selbst, unseren Partner im Alltag? Erkennen wir die positiven Dinge, die wir schaffen oder haben wir kein Gespür dafür? Das sind alles Fragen, die du dir beantworten solltest. Vor allem, wenn du in dieser Hinsicht familiär geprägt bist, solltest du dich in Achtsamkeit üben und die positive Seite der Dinge verstärken. Dazu gibt es sehr viele Übungen, die dir helfen, diese Praxis im Alltag anzuwenden.
2. Selbstzentriertheit und Egoismus
Wir alle kennen den Egoismus als etwas Schlechtes, einen schwarzen Fleck auf unserer weißen Weste, sodass wir alles dafür tun, ihn loszuwerden, oder zumindest zu überdecken. Dabei ist Egoismus an sich keine gute oder schlechte Sache, er ist nun mal da uns hat dafür gesorgt, dass Menschen überlebt haben. Ohne ihn wären wir nicht hier, sondern längst ausgestorben. Was allerdings eine toxische Eigenschaft ist, ist Selbstzentriertheit, also eine extremere Form von Egoismus.
Hierbei dreht sich alles nur noch um dich selbst: deine Gedanken, deine Emotionen, deine Taten – für etwas Anderes ist dann kein Platz mehr. Wenn du also nur noch dich selbst und deine Bedürfnisse siehst, wenn du nicht mehr etwas für deinen Partner tust, weil deine Bedürfnisse und deine Zeit zu wertvoll dafür sind, dann hast du wahrscheinlich eine Tendenz dazu. Aber du kannst dich freuen: Wenn du diese Züge an dir erkannt hast, ist es nicht zu spät, dich zu hinterfragen und etwas zu verändern. Und der erste Schritt der Veränderung liegt in der Erkenntnis.
3. Selbstverständlichkeit
Vielleicht hast du dich schon lange nicht mehr für etwas bedankt, was dein Partner jeden Tag tut, weil es zur Routine geworden ist. Vielleicht ist es auch nach vielen Jahren Beziehung kein Drama, weil ihr ein eingespieltes Team seid. Aber grundsätzlich sollte niemals eine Selbstverständlichkeit in Beziehungen herrschen, denn wir alle führen sie freiwillig. Niemand sollte als selbstverständlich genommen werden.
Alles, was wir für den/die Partner/in tun, tun wir aus Liebe und Fürsorge. Und Dankbarkeit, die im Gegensatz zu der Selbstverständlichkeit steht, ist der beste Schlüssel, deine Beziehung zu verändern und zu verbessern. Geh in dich und frage dich, wofür du deinem/r Partner/in zutiefst dankbar bist, das können auch kleine alltägliche Dinge sein. Du wirst sehen, wie viel Freude du dir selbst und dem Anderen damit bereitest, wenn du seine/ihre Taten wertschätzt und honorierst. Du freust dich sicherlich auch jederzeit, wenn dich jemand lobt und dir dankbar ist.
4. Mangelnder (Selbst-)Respekt
Vielleicht ist dieser Punkt nicht ganz selbsterklärend, aber stell dir vor, du schaust in den Spiegel und sagst dir selbst kein gutes Wort, du siehst nur Mängel an dir selbst und findest nichts Gutes. Wenn du es jeden Tag, Jahr für Jahr tust, wirst du irgendwann nicht mehr wissen, ob es überhaupt etwas Positives an dir gibt. Und wir Menschen sind nun mal darauf ausgerichtet, Negatives und potenzielle Gefahren zu erkennen. Wenn du also selbst nichts Gutes an dir siehst, was soll der/die Partner/in und die Welt Gutes in dir sehen können? Leider hat deine Selbstwahrnehmung zur Folge, dass du anfängst, dich selbst schlecht zu behandeln, dich weniger zu schätzen und zu lieben.
All das bekommst du leider auch von der Welt gespiegelt. Wenn du dich selbst nicht respektierst, verhält es sich genauso. Wer wenig Selbstrespekt hat, wird zum Ja-Sager, er scheut Konflikte und lässt jegliche Ungerechtigkeit über sich ergehen, weil er glaubt, sie verdient zu haben. Aber das ist eine Fehlannahme, die sich aus seinem Denken ergibt und für verheerende Folgen sorgt. Sorge also in erster Linie dafür, dass du dich selbst gut behandelst, das ist deine erste und wichtigste Pflicht dir selbst gegenüber. Das bedeutet nicht, dass niemand anders wichtig ist, aber es bedeutet, dass du dir selbst den Respekt gibst, den du verdienst. Denke immer daran, dass es immer bei uns selbst anfängt, deswegen ist es sehr wichtig an dir zu arbeiten und deine Gedanken zu hinterfragen.
5. Fehlende Empathie
Jemand der Empathisch ist, steht mit seinen eigenen Gefühlen in Kontakt, er/sie kann sich in auch in die Gefühle anderer hineinversetzen und entwickelt dadurch ein tieferes Verständnis dafür, wie es jemandem geht. Empathie verbindet und mit anderen auf einer ganz besonderen Ebene und deswegen ist sie so wichtig für uns und unsere Beziehung. Verlieren wir irgendwann den Draht zu unserer Empathie oder haben wir einen Mangel daran, so laufen wir Gefahr, dass sich unsere Beziehung negativ verändert.
Auf Dauer könnte es sogar zu der Frage führen, ob Liebe in dieser Beziehung überhaupt noch möglich sein kann, ob der/die Partner/in oder wir selbst überhaupt Gefühle haben. Damit es nicht soweit kommen muss, ist es hilfreich, wenn wir bei uns selbst anfangen und uns täglich zum Beispiel fragen, wie es unserem Partner geht, was er gerade braucht und welche Gedanken ihn beschäftigen. Dadurch bauen wir eine dauerhafte Verbindung zu ihm/ihr auf und können die Verbindung immer wieder stärken. Das kann sich auch in kleinen Dingen äußern, dass wir ihm/ihr etwas vom Einkaufen mitbringen, was er gerne isst, ohne dass er/sie uns darum bittet.
Das sind kleine Übungen, die jeder von uns in seinen Alltag integrieren kann und dadurch eine stärkere und liebevollere Beziehung aufbaut.
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