Frisuren, Titel, Kleiderwahl: Stefan Effenberg fiel auf. Mit dem FC Bayern hat er alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Außerhalb des Feldes sucht er jedoch noch nach dem richtigen Betätigungsfeld. Der neueste Versuch führt ihn zu einer Bank.
Man sollte es sich nicht so vorstellen, dass der 1,88 Meter große Blondschopf hinter einem Schalter steht, den Kragen seines Sakkos zurechtrückt und wartet, bis er den nächsten Kunden empfangen kann, dem er die Konditionen für einen Kredit verrät. Aber Fakt ist: Stefan Effenberg wechselt das Metier und kümmert sich nicht mehr um abkippende Sechser oder die falsche Neun, er arbeitet nun bei einer Bank. „Es ist megaspannend, weil es eben nicht komplett vom Sport weg ist. Im Gegenteil“, erklärt Effenberg gegenüber t-online.de sein Engagement bei der VR-Bank, bei dem er das Thema Fußball wohl doch nicht so ganz verlässt. „Es geht um Finanzierung und Zwischenfinanzierung von Transfers oder beispielsweise bei einem Stadionumbau“, erklärt er weiter, und ergänzt: „Mit meiner Erfahrung und meinen Kontakten im Sport will ich helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, wo wir finanziell unterstützen.“
Der große Effenberg beim kleinen Zweitligisten
Zeit seines Fußballerlebens wurde Stefan Effenberg „Tiger“ genannt, nicht zuletzt aufgrund seiner entsprechenden Frisur, die er sich 1994 verpassen ließ. Auch heute kann man sich Effenberg wie einen Tiger vorstellen, der eigentlich vieles hat, um sich im Dschungel des Lebens zu behaupten, jedoch nicht genau weiß, hinter welchem Baum sich eine Chance und hinter welchem eine Gefahr verbirgt. Seine bisherigen Versuche, außerhalb des Feldes Fuß zu fassen, waren von unterschiedlichem Erfolg geprägt: Effenbergs erste und bisher einzige Trainerstation beim damaligen Zweitligisten SC Paderborn endete bereits nach knapp fünf Monaten. Der kleine SC Paderborn mit seinem 15.000-Zuschauer-Stadion und der große Name Effenberg, der dann auch noch durch einen Führerscheinentzug und eine abgelaufene Trainerlizenz in die Schlagzeilen geriet – das konnte nicht lange gut gehen. „Die mediale Begleitung war so intensiv, dass es für mich unerträglich war. Ich konnte es nicht mehr ertragen, dass der SC Paderborn mit diesen Missständen bundesweit in den Medien erscheint“, erklärte SC-Präsident Wilfried Finke damals die Trennung.
2012 hatte Effenberg seinen Trainerschein gemacht und lange auf das richtige Angebot gewartet, ob er jedoch nach dieser schmerzhaften Erfahrung einen zweiten Versuch wagen wird, ist ungewiss. Bereits 2011 hatte Effenberg die Revolution bei seiner alten Liebe Borussia Mönchengladbach geplant und wollte durch eine Satzungsänderung mit der „Initiative Borussia“ den Sportdirektor Max Eberl stürzen, sich selber dafür einsetzen und Horst Köppel als Klubchef installieren – die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde bei nur 335 Ja-Stimmen der 4769 anwesenden Mitglieder jedoch deutlich verpasst. Eberl war damals noch recht frisch in seinem Amt als Sportdirektor, übt diese Tätigkeit mittlerweile jedoch so gut aus, dass er vor einem Jahr auch beim FC Bayern gehandelt wurde – letztlich sagte Eberl ab.
Erfolg als Gesellschafter
Ein gutes Näschen bewies Effenberg in dieser Hinsicht also nicht, besser läuft es dafür in einer weiteren Tätigkeit: Seit 2017 ist Effenberg Gesellschafter einer Agentur, die Sportler berät und vermarktet, auch sein Sohn Etienne ist dort tätig. Zu den Kunden zählen etwa Handball-Weltmeister Holger Glandorf sowie die Reiterin Sandra Auffarth, die mit der Goldmedaille bei den Weltreiterspielen 2014 ihren größten Erfolg feierte. Daneben ist Effenberg regelmäßig beim Sport1-Doppelpass als Experte zu sehen, bei der Europameisterschaft 2016 übte er diese Tätigkeit auch für die ARD aus.
Es ist ja auch ein großer Erfahrungsschatz, auf den er setzen kann: Borussia Mönchengladbach (1987-1990), Bayern München (1990-1992), AC Florenz (1992-1994), erneut Mönchengladbach (1994-1998) sowie ein weiteres Mal Bayern München (1998-2002) hießen die Stationen in der Blütezeit des gebürtigen Hamburgers, seine größten Erfolge feierte er während der zweiten Periode in München. 1999 wurde er dort Kapitän, sicherte sich drei Deutsche Meisterschaften, einen DFB-Pokal-Sieg sowie die sportliche Krönung mit dem Erfolg in der Champions League 2001. Anschließend gewann Effenberg noch den Weltpokal gegen die Boca Juniors, bevor er seine Karriere beim VfL Wolfsburg (2002-2003) und in Katar beim Al-Arabi Sports Club (2003-2004) ausklingen ließ.
Am Ende konnte der Mittelfeldspieler auf 71 Bundesliga-Tore in 370 Partien, die Aufnahme in die Hall of Fame des FC Bayern sowie die Wahl zum besten Mittelfeldspieler in der Geschichte der Münchner zurückblicken – aber auch auf 114 Gelbe Karten und damit die meisten in der Bundesliga, die Beleidigung eines Polizisten als „Arschloch“, sowie eine denkwürdige Kleiderwahl: Bei der Weihnachtsfeier des FC Bayern in der Saison 2000/2001 tauchte Effenberg in roter Lederhose und Cowboystiefeln auf, zog damit den Unmut seiner Bosse auf sich, sah sich aber von jeder Schuld befreit: „Ich trete so auf, wie ich es für richtig halte. Wenn einem das nicht passt, ist es mir scheißegal“, sagte Effenberg damals gegenüber der „tz“. Der damalige Präsident Franz Beckenbauer stellte klar: „Wenn ich zu einer Weihnachtsfeier gehe, trage ich Sakko, Hemd und Krawatte.“ Eine Geldstrafe gab es damals nicht, doch von einer Sache darf man ausgehen: Auf der Weihnachtsfeier der VR-Bank wird Effenberg seine Cowboystiefel im Schrank lassen.
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