Wenn die Eltern uns bei allen Vornamen rufen, wenn wir unsicher sind, ob wir das Auto abgeschlossen haben, oder wenn in einer Beziehung der Satz: „Wir müssen reden“ fällt, löst das bei uns vor allem eines aus: eine Menge Stress. Wie wir damit besser umgehen können, zeigt eine interessante Forschung.
Für einige ist Stress ein Dauerzustand geworden, etwa in einer langen Klausurenphase oder wenn es auf der Arbeit nicht gut läuft. Erst langsam wächst aber in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür, was Stress langfristig mit uns macht. Dabei ist Stress bekanntermaßen ein Relikt aus alten Zeiten: Schon in der Steinzeit empfanden Menschen Stress, und das aus gutem Grund.
Der Körper stellt den Menschen bei einer Bedrohung auf eine Flucht oder einen Kampf ein – wenn sich ein Feind näherte, lohnte es sich für den urzeitlichen Menschen, einen schnelleren Herzschlag und eine tiefere Atmung zu haben. So konnte er schneller wegrennen, oder seine Energie vollkommen darauf konzentrieren, dem Feind den Knüppel über die Rübe zu ziehen. Evolutionär gesehen ist Stress eine absolut logische Reaktion auf gefährliche Situationen.
Gegen den Verstand
Zu unserem Glück werden wir heutzutage nur noch äußerst selten mit solchen Situationen konfrontiert. Unser Stress ist ein anderer, meist ein psychologischer – und da passt uns das Mitmischen unseres Nervensystems häufig nicht so gut. Wenn wir einen Vortrag halten, dabei rot anlaufen und das Herz bis zum Hals klopft, ärgert uns das wohl eher, als dass es uns hilfreich erscheint. Manch einer kann vielleicht den Tag davor nicht einschlafen, oder bleibt sogar extra lange wach, um noch an dem Referat zu feilen.
Schwere Folgen
Oft fühlen wir uns in so einer Situation hilflos, fast wie ein Spielball unserer Hormone und unseres Nervensystems – verdammt dazu, nervös und aufgeregt zu sein. Doch nicht immer ist uns körperlicher Stress bewusst, Stressmacher wie Kortisol und Adrenalin wirken trotzdem. Auf Dauer macht uns das krank: Mit einem anhaltend hohem Aktivierungslevel schwächen wir unser Immunsystem, manche klagen über Bauch- oder Kopfschmerzen, die durch Stress ausgelöst zu werden scheinen. Auch Depressionen können die Folgen von immerwährendem Stress sein.
Was wir dagegen tun
Für akuten Stress hat eigentlich hat jeder so seine Art, zwischendurch etwas an Anspannung abzubauen. Einmal um die Alster laufen oder wie verrückt die Wohnung putzen kann helfen, den Pegel für kurze Zeit ein wenig runterzufahren. Gegen langfristige Belastungen müssen wir allerdings größere Geschütze auffahren – die Psychologie unterteilt gängige Bewältigungsstrategien in handlungs- und emotionsorientierte, teilweise zusätzlich in vermeidungsorientierte und in die Suche nach sozialer Unterstützung. Bei ersteren nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand und versuchen das Problem und damit den Stress zu beseitigen oder abzuschwächen. Die emotionsorientierte Bewältigung dagegen zielt darauf ab, an unserer eigenen Empfindung zu arbeiten – ist doch alles nicht so schlimm! Die Note im Referat zählt kaum in die Gesamtbenotung, oder es steht ohnehin ein Jobwechsel an. Junge Menschen nehmen laut Fachliteratur besonders häufig soziale Unterstützung in Anspruch und profitieren davon – sofern sie denn gewollt ist.
Die „beste Bewältigungsstrategie“ gibt es nicht. Eine Studie von Lehr, Schmitz und Hillert (2008) zur Gesundheit in Lehrberufen konnte allerdings einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Bewältigungsmustern und der Wahrscheinlichkeit, psychisch zu erkranken, nachweisen: Die Lehrer, die vorwiegend ein „ruminativ-selbstisolierendes“-Bewältigungsmuster aufwiesen, hatten ein fünffach höheres Risiko für psychische Erkrankungen. Geprägt ist das Verhalten in diesem Fall von „passivem Aus- und Durchhalten“, einer Abkapselung von den sozialen Kontakten und dem Fokus auf negative Emotionen. Das gegenteilige Bewältigungsmuster, das die Forscher „flexibel-kompensierend“ nennen, zeichnet sich dagegen etwa durch aktive Veränderung der Stresssituation, einem sicheren sozialen Netz, Nutzung von Entspannungsmethoden und Flexibilität bei der Bewältigung aus.
Eine Funktion aus Person und Situation
Als Interventionsstrategien sehen die Autoren zwei Möglichkeiten: Es sollte gelehrt werden, dass mehrere Bewältigungsstrategien, oder das Wechseln eben solcher, von Vorteil sein kann. Außerdem sollte eine „realistischere Wahrnehmung der Kontrollierbarkeit von Belastungssituationen“ vermittelt werden – also ist es von Nachteil, eine Situation als gegeben und nicht änderbar hinzunehmen.
Insgesamt ist die Forschung sich einig, dass es stark situationsabhängig ist, welche Strategie uns am besten hilft. Ein Gedankengang, den wir sicher bereits selbst hatten: Vor dem Referat ist es wohl wenig ratsam, emotionsorientiert zu verarbeiten, zum Beispiel, indem wir die Wichtigkeit des Ganzen herunterspielen. Statt es sich schön zu reden, hilft die aktive Vorbereitung und Planung im Endeffekt viel mehr. Nach dem Vortrag sieht es schon wieder anders aus: Dann kann es durchaus sinnvoll sein, unsere Gefühle dazu aufzuarbeiten. Übermäßiges Grübeln, das uns um den Schlaf bringt, scheint dagegen beinahe nie nützlich. Sollten wir mal wieder in diese Situation geraten, kann es helfen, alle Gedanken auf Papier zu bringen und schließlich beim Weglegen auf morgen zu verschieben – in der Nacht werden wir ohnehin nichts daran ändern können.
Fazit
Eine gewisse Portion Stress in unseren Leben können wir nicht vermeiden. Schon die kleinsten Dinge im Alltag können unsere Gefühle durcheinander wirbeln und uns in Aufregung versetzen. In manchen Situationen ist das hilfreich – wir sollten aber immer verhindern, dass der Stress chronisch wird und gegebenenfalls Hilfe bei nahestehenden Personen oder Fachkundigen suchen. Denn unsere Gesundheit zu gefährden, das ist der Stress doch gar nicht wert.
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