Schönheit – das wohl begehrteste Attribut in unserer heutigen Gesellschaft. Aber was bedeutet Schönheit eigentlich? Seit wann ist Schönheit ein zentraler Begriff in der menschlichen Zivilisation? Und wer ist nun wirklich schön?
Schönheitsideale gibt es wohl schon, so lange es eine Gesellschaft gibt. Ohne Frage hat sich das Verständnis von Schönheit im Laufe der Zeit gewandelt; galten zu Zeiten des Mittelalters noch kurvige Frauen, die ordentlich was auf den Rippen haben, als schön, so gilt heute ein unnatürlich dünner, beinah schon androgyn wirkender Körper à la Barbie-Puppe als ideal, während die Männer auszusehen haben wie muskelbepackte starke Alltagshelden. Seit dem feudalen, vorindustriellen und von der Disparität zwischen Armut und Reichtum geprägten Mittelalter hat sich das Ideal von Wollust und Körperlichkeit gewandelt. In der heutigen hedonistischen und faktisch schrankenlosen Gesellschaft herrscht stattdessen ein Ideal der körperlichen Entsagung und „heiligen Askese“ derer, die den Bedürfnissen des Leibes widerstehen können.
Wie definiert man Schönheit?
Doch was nun auch immer als schön in einer Gesellschaft angesehen wird: wer definiert das eigentlich? Wer oder was entscheidet darüber, was „schön“ und was „hässlich“ ist? Und liegt Schönheit nicht am Ende im Auge des Betrachters? Und wenn dem so ist, und Schönheit wirklich etwas absolut Subjektives ist, kann dann nicht jemand, der in den Augen des einen absolut schrecklich aussieht, für den anderen die schönste Person auf Erden sein? Und kommt es tatsächlich nur auf die äußere Erscheinung an oder sind nicht vielleicht die inneren Werte viel bedeutsamer für unser individuelles Verständnis von Schönheit? Oder sind wir wirklich so leicht beeinflussbar, dass wir das von den Medien gepredigte Schönheitsideal als die absolute Wahrheit anerkennen und ihm hinterherjagen, nur weil es eben zurzeit alle tun? Vielleicht steht aber auch etwas ganz anderes hinter alledem, als oberflächliche „Schönheit“ – ein Begriff den man vielleicht subjektiv definieren kann, jedoch niemals verallgemeinern!
Die „natürliche Auslese der Schönheit“?
Ein fragwürdiges Verständnis von Schönheit unterhielt schon zu elisabethanischen Zeiten einer der größten Dichter der Welt: William Shakespeare. Seine „Prokreations-Sonette“ richten sich an einen schönen jungen Mann und versuchen ihn dazu zu überreden, zu heiraten und Kinder zu bekommen, um seine Schönheit weiterzugeben und diese durch sein Abbild „unsterblich“ zu machen. Es sei ein Verbrechen, seine Schönheit den nachfolgenden Generationen vorzuenthalten und mit dem Alter und letztlich dem Tod vergehen zu lassen. In Sonett 11 macht der Dichter schließlich die Aussage, dass, wenn sich nur noch schöne Menschen fortpflanzten, das, „was Natur hart, rauh und häßlich schuf“, ohne Zukunft sei und „ohne Segen“ vergehen solle. Was steckt hinter dieser Aussage? Etwa eine frühe, etwas abgewandelte Form der darwinistischen Theorie der natürlichen Auslese? Statt der am besten für das Überleben ausgestatteten Lebewesen sollen sich nur noch diejenigen, die von der Natur mit „Schönheit beschenkt“ wurden fortpflanzen? Auf alle Fälle ist es eine zu heutigen Zeiten politisch reichlich brisante Aussage.
„Du bekommst heute leider kein Foto von mir!“
Ein bisschen erinnert der Grundgedanke an das Prinzip von modernen Castingshows, die sich auf die Mission begeben, „das schönste Mädchen Deutschlands“ zu finden wie Heidi Klums TV-Format „Germany’s Next Topmodel“. Bist du schön genug, bekommst du ein Foto und darfst in die nächste Runde, wenn nicht, fliegst du raus! Dieses Motto der Show scheint ein Ausdruck einer allgemeinen Strömung innerhalb unserer Gesellschaft zu sein: Äußere Werte werden immer wichtiger, während die inneren Werte stetig weiter in den Hintergrund rücken. Es gibt eine Studie, die belegt, dass je öfter wir in unserem Alltag mit überdurchschnittlich schönen Menschen konfrontiert werden, desto unzufriedener werden wir mit unserem eigenen Aussehen.
Und in unserer auf Schönheit fixierten Gesellschaft ist dies schließlich ständig der Fall: Egal, wohin wir gehen, überall strahlen uns bis zur Makellosigkeit retuschierte Models oder SchauspielerInnen von Werbeplakaten, Magazincovers oder aus Werbespots im TV an. Laut einer weiteren Studie haben es Menschen, die dem gängigen Schönheitsideal unserer Gesellschaft entsprechen, leichter, einen Job zu finden, sind erfolgreicher in ihrer Karriere und finden leichter einen Partner.
Lernen, eigene Maßstäbe zu schätzen
Doch es bleibt noch immer die Frage: Wie definiert man eigentlich Schönheit? Nun, da ist zum einen die Definition von Schönheit, die uns von den Medien und der Mode- und Entertainmentbranche als die allgemeingültige Wahrheit verkauft wird und an uns „Normalsterbliche“ appelliert, wir müssten genauso aussehen, denn nur dann könnten wir glücklich mit uns selber werden und ein glückliches, erfülltes Leben führen. Man kann sich entweder dafür entscheiden, dies zu glauben und einem von Photoshop erstellten illusionären Idealbild der Perfektion hinterherjagen, oder man kann sich dazu entschließen, sich seine eigene Definition von Schönheit zu schaffen, sowie den Maßstab der Wichtigkeit eines solchen Attributs für sich selber festlegen.
Und vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung, dass es Menschen gibt, die sich bemühen, hinter die Fassade zu blicken und die wahre Schönheit eines Menschen zu erkennen, die unsichtbar in einem jeden in seinen Charakterzügen verborgen liegt und an keiner Skala der Welt gemessen oder bewertet werden kann. Schließlich leben wir angeblich in einem postmateriellen Zeitalter, in dem materielle Werte hinter ihnen „Übergeordnete“ zurücktreten sollen. Und liegt äußerliche Schönheit nicht viel näher am Materialismus, als Werte wie Bildung, Freiheit oder Mitgefühl und Toleranz? Man denke nur mal an all die Markenklamotten, Kosmetikartikel, Mitgliedschaften in Fitnessstudios oder gar Schönheits-OP’s, die das Mainstream-Ideal von Schönheit heutzutage fordert. Heidi Klum und Co., mit ihrer oberflächlichen Bewertung äußerer Schönheit, bekommen sie jedenfalls kein Foto von mir!
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