Die stolze Sozialdemokratie dümpelt seit Jahren im 23-Prozent-Land und nichts scheint das ändern zu können. Wirklich nichts? Ein gut gemeinter Vorschlag an die älteste parlamentarisch vertretene Partei Deutschlands.
Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre… Ist sie zum Glück nicht, denken sich wohl die Sozialdemokraten. Der jüngste Deutschlandtrend der ARD sieht die Genossen bei nur mehr 21 Prozent, die anderen Meinungsinstitute meinen es nicht besser. Die stolze Sozialdemokratie: Seit über zehn Jahren schafft sie es nicht, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Zugegeben: Gegen die beliebte Merkel hätte jeder Kanzlerkandidat der SPD 2013 auf verlorenem Posten gestanden.
Aber die Kanzlerin ist nicht mehr unantastbar. Ihre Beliebtheitswerte sinken und das Fenster öffnet sich. Theoretisch. Durch die Koalition mit der Union haben die Genossen jedoch wenig Spielraum, eigene Akzente im alles übergeordneten Flüchtlingsproblem zu setzen. Eine Alternative zu Merkels Flüchtlingspolitik käme allenfalls von rechts. Trotzdem haben die Sozialdemokraten Möglichkeiten, eine echte Alternative zur Union zu werden, indem sie nicht um die Frage herumdruckst, wie der Flüchtlingsstrom gestoppt werden könne. Lass mal die Merkel machen, denken sich da wohl manche. Die SPD muss sich stattdessen fragen: Wie halten wir Deutschland in Zukunft am Laufen?
Die SPD gewinnt Glaubwürdigkeit zurück
Die Antwort darauf kann keine Partei so glaubwürdig vermitteln wie die SPD. Die Sozialdemokratie baut seit jeher auf den Grundsätzen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Passend dazu sollte die Partei Bildung zum Thema ihres Wahlkampfes machen. Bildung hat einen präventiven Charakter. Radikalislamische Indoktrinierung findet häufig dort statt, wo junge Leute keine Bildungschancen haben. Damit trägt die SPD sogar dem Bedürfnis nach (gefühlter) innerer Sicherheit Rechnung. Bildung schützt die Menschen aber auch vor politischer Radikalisierung.
Bildung hat einen integrativen Charakter. Damit beantwortet die SPD beispielsweise gleich mal die Frage, wie die Flüchtlinge integriert werden sollen. Bildung ermöglicht gleichzeitig den sozialen Aufstieg und löst damit das ursprünglichste Versprechen der Sozialdemokratie ein: Gerechtigkeit. Was ist gerechter, als jedem Menschen die gleichen Chancen zu gewähren? Keine andere Partei in Deutschland kann aus ihren Grundüberzeugungen heraus solche Lösungen anbieten.
Strategisch günstig: Bildung betrifft jeden. Schüler, Studenten, Azubis, Eltern. Der Angestellte, der einen Sprachkurs belegt. Der Senior im Kontaktstudium. Jeder bildet sich. Ein Leben lang. Mehr Bildung ist deshalb keine Forderung, bei der es viele Wähler gibt, die sie kategorisch ablehnen wie Steuererhöhungen oder der Einführung von Studiengebühren. Das Mobilisierungspotenzial ist beträchtlich.
Konkret heißt das: Kostenloses Lernen vom Kindergarten bis zur Dissertation. Beendigung des Kooperationsverbots, sodass der Bund sich an den Ausgaben für Bildung in den Ländern stärker und gezielter beteiligen kann. Mehr Lehrer, mehr Dozenten, mehr individuelle Förderung. Anreize für gute Lehrer, an schwierige Schulen zu gehen. Ein Plan, wie der Föderalismus perspektivisch abgeschafft werden kann. Ein elternunabhängiges BAföG. Vielleicht jährlich ein kostenloser Kurs (im Übrigen eine überlegenswerte Werbemaßnahme) an der Volkshochschule für jeden? Die Parteistrategen fänden wohl noch Dutzende weitere Maßnahmen.
Bildung vereint die Partei
Das Problem der Genossen ist nicht, dass sie die falschen Entscheidungen treffen. Der Mindestlohn wurde seit Jahren von einer großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Ohne die SPD gäbe es ihn jetzt nicht. Dasselbe gilt für die Rente ab 63. Das Problem liegt darin, dass die SPD kein eindeutiges Profil hat. Die innere Zerstrittenheit, die mit dem Rekordminusergebnis bei der Wiederwahl Sigmar Gabriels zum Parteivorsitzenden ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, tut ihr Übriges. Das ist das Gute an der Bildung. Sie ist keine Frage von realo oder links, SPD oder Jusos, Gabriel oder Stegner. Sie ist einfach nur sozialdemokratisch.
Bildung hat jedoch das Problem, dass kaum Ergebnisse in vier Jahren zu sehen sein werden. Das müsste die SPD stets kommunizieren. Eine langfristig angelegte Bildungsoffensive. Wir machen es sinnvoll. Keine Scheinpolitik, die kurzfristig erfolgreich ist und in zehn Jahren dann doch mehr Schaden als Nutzen angerichtet hat. Und natürlich kostet Bildung viel Geld. Aber das Geld ist gut angelegt – die SPD kann sich der Mehrheit, die dahinter steht, sicher sein. Und mal ehrlich: Wann war für die Lieblingsprojekte der Parteien mal kein Geld da?
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