Die wohl einfachste Methode, seinem Single-Dasein ein Ende zu setzen, ist eine Dating App. Zumindest dann, wenn man es auch wirklich will… Und ich wollte.
Das erste Mal verliebt war ich mit fünfzehn. Ich kannte ihn seit Jahren, wir waren zusammen zur Grundschule gegangen und kamen aus dem gleichen kleinen Ort. Er war mein erster Kuss und mit ihm hatte ich mein erstes Date überhaupt, doch aus uns wurde nichts.
Seitdem ist nicht viel passiert. Es gab noch andere Typen, in die ich verliebt war, und mit denen mehr oder weniger was lief. Doch nie eine Beziehung. Jetzt bin ich 21 und liebäugele hin und wieder mit dem einen oder anderen Mann. Doch ansonsten passiert nichts.
Als ich mit dem Studium begann, merkte ich schnell, dass es doch nicht so einfach war, einen Partner zu finden, wie ich erwartet hatte. Ich lernte eine Menge Leute kennen, aber hauptsächlich Mädchen, weil nun mal hauptsächlich Mädchen Medienwissenschaften studieren und in ihrer Freizeit Zumba machen. Dann kam mir das erste Mal der Gedanke, eine Dating App auszutesten.
Aber damals war ich noch nicht zwanzig, noch war meine Hoffnung da, endlich den richtigen kennenzulernen, und zwar auf ganz traditionelle Weise, in der Uni, auf der Arbeit, durch Freunde. Doch die Zeit verging. Ich füllte mein Leben aus mit einem Studium, einem Nebenjob, Freunden, diversen Hobbies und wurde zwanzig. Ohne Partner.
Im digitalen Männerdschungel
Wenige Monate später erzählte mir eine Freundin, die ebenfalls Dauer-Single war, dass sie jemanden kennengelernt habe. Über eine Dating App. Sie berichtete mir begeistert von der Einfachheit, einen Partner zu finden, und empfahl mir die App wärmstens.
Einige Wochen später, in einem Anflug von Übermut und Langeweile, lud ich mir „OkCpid“ herunter. Die App basierte auf zwei Prinzipien: Zunächst beantwortete ich eine Reihe von Fragen, bei denen ich auch angeben musste, wie mein idealer Partner sie beantworten sollte. Auf dieser Grundlage verglich die App meine Antworten mit den Antworten anderer Nutzer und ermittelte eine sogenannte Matching-Qualität, die zwischen null Prozent, also keinerlei Übereinstimmung, und einhundert Prozent mit voller Übereinstimmung lag. Außerdem sollte ich eine ausführliche Profilbeschreibung erstellen, bei der ich auch wieder Fragen zu mir selbst beantwortete, dieses Mal in schriftlich ausformulierter Form.
Es dauerte nicht lang, bis ich von Dutzenden von Männern Nachrichtenanfragen bekam. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sofort auf die erste Anfrage antworten? Woher wusste ich, dass die Angaben und Profilbilder der Männer stimmten? Vielleicht war Johannes, 22, ja eigentlich 58 und hieß Gert. Vielleicht war Maximilian in Wirklichkeit viel langweiliger, als seine Beschreibung erscheinen ließ. Vielleicht verschwendete ich damit meine Zeit?
Ich dachte einfach gar nichts mehr, als ich einige der Anfragen beantwortete. Nach zwei Tagen ging mir die App auf die Nerven. Die Nachrichten von jungen – und alten – Männern häuften sich und ich merkte, dass ich nicht auf jede Anfrage eingehen konnte.
Nach einigen Wochen kristallisierte sich eine Handvoll junger Männer raus, mit denen ich nun regelmäßig schrieb. Regelmäßig hieß, dass mir nach vier Tagen auffiel, dass ich ja schon eine Weile nicht mehr online war, und vielleicht mal die neu eingegangenen Nachrichten beantworten sollte. Die Männer antworteten auf der Gegenseite in atemberaubender Geschwindigkeit. Die Lust an dieser neuen Erfahrung, diesem neuen Weg der Partnersuche, verging mir schneller als gedacht. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, war sie vom ersten Moment an nicht wirklich vorhanden.
Nach zwei bis drei Wochen fragten alle Männer nach einem ersten Treffen. Da merkte ich, dass mir nicht nur die Lust fehlte, sondern auch die Zeit. Obwohl Semesterferien waren, hatte ich einen Nebenjob und ich musste noch eine Hausarbeit fertig schreiben. Zudem hatte ich zwei Sportkurse pro Woche und spielte in einer Theatergruppe mit, die sich jeden Donnerstag traf. Mit meinen Freunden wollte ich auch noch etwas Zeit verbringen und für die nächsten drei Monate war bereits jedes Wochenende verplant.
Ich organisierte mir also meine Treffen wie andere Menschen ihre Arzttermine. Mittwochabend essen gehen mit Chris, in der nächsten Woche Dienstagabend essen gehen mit Paul und am nächsten Tag essen gehen mit Martin. Einmal Japanisch, einmal Tibetisch, einmal Italienisch. Zweimal wurde mir das Essen bezahlt.
Innerhalb eines Monats traf ich insgesamt fünf Männer, mit denen ich zuvor etwa drei Wochen lang über die Dating Apps geschrieben hatte. Die meisten Treffen waren… gut? In Ordnung? Okay? Ich möchte nicht „schön“ schreiben, weil das zu romantisch klingt. Von den fünf Männern war nur einer ein Griff ins Klo. Nach unserem Date habe ich nie wieder etwas von ihm gehört. Mit allen anderen verstand ich mich gut. Sie hatten alle ähnliche Interessen wie ich und keiner von ihnen langweilte oder überforderte mich. Während sich ein zweiter irgendwann auch nicht mehr meldete, traf ich mich mit den drei verbliebenen ein zweites Mal.
Unerwartete Erkenntnis
Und trotzdem… Ich wusste nicht, woran es lag, außer dass es offensichtlich an mir lag. Jede andere Frau hätte mir vermutlich zu meinen drei „Endkandidaten“ gratuliert. Keiner von ihnen sah schlecht aus oder benahm sich fürchterlich, war heimlich ein Nazi oder einfach dumm. Im Gegenteil, sie waren alle sehr freundlich und ich verbrachte gerne Zeit mit ihnen. Zumindest in den zwei bis drei Stunden, die ich alle zwei Wochen mit einem von ihnen verbrachte. In der Zwischenzeit war ich genervt und gestresst.
Ich merkte, wie ich jedes Mal die Augen verdrehte, wenn ich eine neue Nachricht von einem der drei bekam. Ich hatte keine Lust, auf eine der Nachrichten zu antworten. Ich merkte, dass diese Treffen im Endeffekt doch irgendwie gestellt waren und ich mich mit keinem der drei so locker unterhalten konnte, wie mit meinen männlichen Freunden. Ich quetschte die Dates in meinen Zeitplan, der viel zu voll war, um jemanden näher kennenzulernen. Ich merkte, wie ich keine Lust hatte, irgendetwas an meinem Zeitplan zu ändern, um mehr Zeit für jemanden zu haben.
Und da fiel mir auf, warum ich schon seit fast einundzwanzig Jahren konstant Single war und noch immer bin: Ich will es sein. Ich will meinen Tag, meine Woche oder gar meinen Monat nicht nach einer anderen Person richten müssen. Ich will nicht so sehr Rücksicht auf die Pläne und Wünsche einer anderen Person nehmen müssen, dass sie meine eigenen einschränken. Ich will nicht aufhören, jedes Wochenende in eine andere Stadt zu reisen, um jemanden zu besuchen, oder ungeniert anderen Männern hinterher starren. Und ich will vor allem eins: Mich natürlich verlieben. Nicht durch eine App und auf einem Date, bei dem ich versuchen muss, meine beste Seite zu verkaufen. Sondern spontan. Und bis es so weit ist, kann ich auch noch warten. Ganz entspannt.
Gerch Simml
… mit 21 Jahren ist dazu wohl auch mehr als genug Zeit. 😉
Interessant die Perspektive von der anderen Seite zu hören. Ich selbst war auf OkCupid angemeldet, allerdings macht es als Mann nicht sehr viel mehr Spaß. Bemerkenswert finde ich deine Erfahrung mit den Matching-Werten, die immerhin zu drei erfolgreichen Dates geführt haben; immerhin lässt sich das Matching-System leicht manipulieren, indem man Antworten an statistisch häufigen Antworten von Seiten der Frauen ausrichtet.