Ich wache auf und höre die lauten Trompeten im „Imperial March“ aus der Star Wars Filmreihe. Mein Wecker. Natürlich über das Smartphone gesteuert. Üblicherweise gucke ich als erstes auf mein Handy, bevor ich aufstehe: Neue Nachricht auf Whatsapp! Ob ich heute Abend noch Zeit hätte, um ins Kino zu gehen? Ja klar! Was gibt es Neues auf Facebook? Gibt es schon wieder lustige Bilder zum Sieg der Deutschen über Argentinien im Finale der Weltmeisterschaft? Oder ich gucke nach, was die Leute gestern Abend so gemacht haben. Dann noch schnell das Wetter für heute abchecken, damit ich mir passende Kleidung raussuchen kann.
Doch heute ist das nicht so, das Internet ist auf dem Handy abgeschaltet, für sieben (!!!) Tage oder 168 Stunden. Da kann ich ja eigentlich nichts nachgucken. Eine neue SMS von meiner Mutter, eine der wenigen Personen die mir noch SMS schreibt. Wann ich heute zum Essen da bin? 16 Uhr. Da hab ich ja mehr Zeit zum Frühstücken. Erst einmal positiv. In der Bahn fällt mir Folgendes auf: Was soll ich nur eine halbe Stunde lang machen? Ich fange an, langweilige Handy-Spiele zu spielen. Ansonsten habe ich meistens Whatsapp benutzt oder mir die neusten Nachrichten angeschaut. Heute nicht! Hätte ich doch nur mal zur gedruckten Zeitung am Frühstückstisch gegriffen. Der Unterricht verläuft weitestgehend normal, nur dass ich mich mehr auf die Aufgaben konzentrieren kann. Ich werde nicht von ewigen Gesprächen mit Freunden abgelenkt, die vermutlich genau im selben Raum sitzen. Aus meiner Sicht natürlich ein Nachteil, denn wer interessiert sich schon für die Gesellschaftskritik in Heines Gedichten zur Zeit der Romantik?! Zum Glück treffe ich auf der Rückfahrt auf einen Freund, der mit mir Bahn fährt, dann ist mir nicht langweilig.
Montag: Kein Fernsehen mit Internet
Zu Hause schmeiße ich mich erstmal vor den Fernseher. Und siehe da: Wir haben das Entertain-Komplett-Paket der Telekom. Da funktioniert das Fernsehen natürlich auch via Internet. Also verboten! Zum Glück gibt es noch den guten alten DVB-T-Empfänger. Fernsehen ist also möglich, nur nicht in HD und mit weniger Sendern. Aber damit kann ich leben. Schwieriger als beim Fernseher gestaltet sich die Nutzung des Computers. Keine E-Mails checken, kein Facebook. Eigentlich wollte ich mit meinem Freund in Australien skypen, das kann ich jetzt vergessen. Das mit den E-Mails gestaltet sich echt als Problem, denn es kommen immer wieder wichtige Termine, Anmeldeformulare oder kurzfristige Arbeitsaufträge der Lehrer. Die kann ich dann wohl leider nicht bearbeiten! Musik würde ich jetzt gerne hören, dumm nur, dass ich Spotify benutze. Da hat man zwar über 20 Millionen Lieder zur Auswahl, bringt mir aber leider nichts, da diese nur online verfügbar sind. Dann muss ich wohl irgendwelche alten CD´s herauskramen. Der Tag neigt sich schon dem Ende entgegen, und normalerweise würde ich jetzt noch ein bisschen mit Freunden PC spielen. Doch Payday 2 und COD müssen bis nächste Woche warten, denn offline spielen ist nicht so spannend.
Dienstag: wie der Montag
Der Dienstag beginnt eigentlich wie der Montag. Nur dieses Mal sind es schon zwei SMS von Freunden, die fragen, warum ich nicht mehr bei Whatsapp antworte. Abends steht dann der Apothekendienst an. Das letzte Medikament muss zu einer Straße Namens „Brandroster“. Noch nie gehört! Schnell Google Maps rausholen und fragen, wo denn dieser „Brandroster“ liegt. Ach ne, geht ja nicht, was nun? Also frage ich ein paar Leute, und siehe da, der Dritte konnte mir bereits eine ziemlich genaue Wegbeschreibung geben. Für den nächsten Tag sollte ich mich dann noch über die Bedeutung der Tröpfchenbewässerung in Israel informieren. Doch wie informiert man sich eigentlich ohne Internet? Bücher? Oder doch jemanden fragen? Auf die Schnelle jemanden zu finden, der dir zu diesem Thema was sagen kann, wird eher sportlich. Da gibt es ja noch das Erdkunde-Buch, das ich eigentlich noch nie benutzt habe, aber vielleicht erweist es sich ja jetzt als sinnvoll. Und tatsächlich findet man dort ein ganzes Kapitel zu Bewässerungstechniken im subtropischen Raum, wo Israel ja liegt. Am Abend ruft mich noch ein Freund an, Deutsch fällt morgen aus, also habe ich erst zur dritten Stunde. Doch welche Bahn muss ich dann nehmen? Der DB-Navigator könnte mir jetzt die Antwort sagen, aber der funktioniert wie so vieles nur mit Internet. So muss ich mein Gehirn selber anstrengen und ein bisschen rechnen.
Mittwoch: „Ich habe im Moment kein Internet“
Mittwochs in der Schule dann der erste Fall von nicht gemachten Hausaufgaben. „Ich habe doch schon am Montag eine E-Mail rumgeschickt“. „Ich habe im Moment kein Internet!“ Die Reaktionen darauf, sehr verwundert, teilweise lachend, und die Lehrerin denkt, ich würde mich vor den Hausaufgaben drücken. In der Musik-Stunde spricht mich mein Sitznachbar an und fragt, ob ich heute Abend dabei bin. Ich dachte, ich hätte irgendwas vergessen, aber nein, er hatte auf Facebook zu einem gemütlichen Grillabend eingeladen. Aber woher sollte ich davon wissen? Ohne Handy erfahre ich die neusten Transfergerüchte immer erst in der Schule!
Donnerstag: Wo kauft man ohne Amazon?
Am Donnerstag bin ich etwas von der Müdigkeit geprägt und komme in der Schule auf die Idee, mir Ohrstöpsel zu kaufen. Die kann man sicher noch öfter gebrauchen. Aber wo kauft man sowas? Normalerweise würde ich jetzt auf Amazon gehen und dort nachgucken, fündig geworden wäre ich sicher! Dabei hätte ich sicher noch fünf andere Sachen gekauft, bei denen ich mir denke, dass sie doch ganz nützlich wären. Doch heute nicht. Es bleibt bei dem Gedanken. Heute wollte ich eigentlich noch die Bewerbung für ein Praktikum rausschicken, aber ohne Internet stellt sich das als schwierig heraus. So muss ich halt warten bis zum Ende der Woche. So langsam wird es schwierig, auf Whatsapp zu verzichten. Ich habe einfach das Gefühl, ich verpasse etwas. Auch meine Lieblingsserien kann ich mir nicht angucken, denn das tue ich ebenfalls online bei einem Streaming-Dienst. Die müssten die Sachen auch mal offline anbieten!
Freitag: Ganz so schlimm ist es doch nicht
Am Freitag gehe ich vor der Schule noch zum Bankautomaten. Streng genommen dürfte ich den auch nicht benutzen. Die meisten Geldautomaten beruhen auf Windows XP und sind mit dem Internet verbunden, aber so streng wollen wir mal nicht sein. Die üblichen Quizduelle, mit denen man sich sonst die Zeit vertreibt, gehen leider auch nicht. So sehe ich mich gezwungen, in der Schule aufzupassen, vielleicht ganz sinnvoll so kurz vor dem Abitur. Abends treffe ich mich dann mit Freunden im Brauhaus. Mit halbstündiger Verspätung treffe ich ein, und siehe da, keine nervigen „Wo bleibst du?“-Nachrichten. Es gibt also durchaus Positives hier zu berichten. So kurz vor dem Abi wurde ich wahrscheinlich in mehrere Lerngruppen auf Facebook eingeladen, bei denen dann hitzige Diskussionen entstehen, wie man denn e^(x-1)² integriert. Damit muss ich mich später herumschlagen. So langsam fürchte ich aber, wichtige E-Mails nicht zu beantworten.
Samstag: Facebook ist mein Terminkalender
Der Samstag beginnt wie üblich: Frühstück mit Eiern und Speck. Eigentlich wäre ich diesen Samstag bei einem Football-Spiel der Cologne Crocodiles gewesen, aber nachdem ich diesen Termin mal wieder nur bei Facebook eingetragen habe, erinnere ich mich auch nicht daran und mache stattdessen eine gemütlichen Tag zu Hause. Da kam mir die Idee, mal ein bisschen meine Unterlagen zu sortieren. Doch da kommt schon das nächste Problem. Meine Unterlagen und eigentlich alle wichtigen Dateien, Fotos und Dokumente sind in einer Cloud gespeichert. Und dummerweise habe ich diese Cloud, was natürlich der eigentliche Vorteil einer Cloud ist, nicht offline verfügbar. Also muss ich mir was anderes zur Beschäftigung suchen. Ich habe sowieso noch was für die Schule zu erledigen. Unter anderem muss ich eine Grafik mit Excel erstellen, doch wie ging das nochmal? Ein Tutorial auf Youtube hätte sicher Abhilfe geschaffen, so aber muss ich die Zeit meiner Schwester in Anspruch nehmen!
Nach sechs Tagen Internet-Entzug nähere ich mich dem Ende. Doch der schwierigste Tag steht noch bevor, der Sonntag. Kaum noch auszuhalten. Der Tag neigt sich dem Ende und nun ist der Zeitpunkt, um sich bei Freunden zu informieren, welche wichtigen Hausaufgaben anstehen. Diesmal aber per Telefon, und Blätter können sie mir auch nicht schicken, wer hat denn heutzutage noch ein Faxgerät? Ich wache auf und höre die lauten Trompeten im „Imperial March“ aus der Star Wars Filmreihe. Mein Wecker. Doch es ist nicht so wie in der vergangenen Woche: Das Internet ist wieder da und es gibt viel zu schreiben, zu antworten, zu liken und zu sehen. Eilmeldung: „Linie 18 fährt heute nicht den üblichen Linienweg“. Na das ist gut zu wissen!
Fazit
Ein Leben ohne Internet ist möglich, ich lebe ja noch. Doch ob es dauerhaft möglich und auch sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Alleine die Flut an E-Mails, die wirklich teilweise wichtig waren. Viel länger kann man den Versuch nicht machen, ohne irgendwelche Bewerbungsfristen zu verpassen. Was ich vor allem gemerkt habe: Es ist schwierig, sozial Anschluss zu halten, denn jeder benutzt das Internet, man selber ist dann schnell außen vor. So kann ich nur sagen: Das Internet ist ein extrem wichtiger Teil unseres Lebens. Man sollte sich nicht davor verschließen. Allerdings birgt es auch Gefahren, daher die Devise: Augen auf!
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