Was kann man tun, wenn man in seinen eigenen Gedanken gefangen ist und sich einfach nicht von ihnen befreien kann? Vor diesem Problem steht die sechzehnjährige Aza täglich. In „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ erzählt Autor John Green von einem Mädchen, für das ganz alltägliche Situationen zu schier unüberwindlichen Herausforderungen werden. So zum Beispiel, wenn sie sich vorstellt, dass beim Küssen Bakterien vom Partner in den eigenen Organismus übergehen und sich im Magen festsetzen. Egal wie sehr sie sich auch bemüht, sie kann von diesen Gedanken nicht wegkommen.
Habt ihr schon einmal nachts wach gelegen und über ein Thema nachgedacht, das euch Angst macht? Und während ihr darüber nachdenkt, bekommt ihr noch mehr Angst, ihr versucht verzweifelt an etwas anderes zu denken, aber es geht einfach nicht? Ihr fallt immer tiefer in der Gedankenspirale hinab und seht keinen Ausweg mehr?
Die Suche nach dem Milliardär
Dieses Problem, das die meisten Menschen kennen werden, wenn sie über ungelöste Situationen oder vielleicht den Tod nachdenken, über Dinge, die noch nicht erledigt sind oder bevorstehende Schwierigkeiten, hat Aza nicht nur manchmal, sondern mehrmals am Tag. Aza ist die Hauptfigur in „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“, dem neuen Roman von John Green, der vielen von Erfolgsgeschichten wie „Margos Spuren“ oder „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ bekannt sein dürfte.
Worum geht es in seinem neuen Roman? Wir begleiten das Teenie-Mädchen Aza Holmes, die dieses Problem mit der Gedankenspirale hat. Es handelt sich bei ihr um eine Zwangsstörung, weshalb sie auch in psychischer Behandlung ist. Zusammen mit ihrer Freundin Daisy geht sie auf die Suche nach dem verschollenen Milliardär Russel Pickett, dessen Sohn Davis sie früher gekannt hat. Als sie ihn erneut trifft und wieder näher kennenlernt, merkt sie, dass er sie besser versteht, als andere Menschen. John Green beherrscht in dieser Geschichte das perfekte Balancespiel aus persönlichen Gedanken, zwischenmenschlichen Beziehungen und einem spannenden Abenteuer.
Keine Option
Ich gebe zu, dass es mir gar nicht so leicht fiel, mich mit Aza zu identifizieren. Zum einen, klar, kennt man diese Angstzustände und auch ich habe sicher die eine oder andere Nacht länger wachgelegen und konnte aufgrund eines bestimmten Themas nicht einschlafen. Habt ihr euch zum Beispiel schon einmal kurz vor dem Einschlafen gefragt, was mit uns nach dem Tod passiert? Solche Fragen, auf die es keine Antwort gibt, können echt fies sein. Da wird die „Gute Nacht“ schnell gestrichen. Aber Aza erlebt diese Gedankenspiralen um einige Dimensionen intensiver und auch über ganz alltägliche Dinge. Da fällt es einem am Anfang schwer, sie nicht einfach als übersensibel und hyperempfindlich abzustempeln.
Je weiter man liest, desto mehr erkennt man jedoch, dass hinter diesem Verhalten eine wirklich schwere Krankheit steckt, mit der man sich im Alltag sicher nicht so oft auseinandersetzt. Aza beschreibt ihren Zustand so: „Eigentlich willst du es gar nicht; der Gedanke ist Unkraut. Jeder hat solche Gedanken. Aber du kannst dein Unkraut nicht rausreißen und auch nicht ignorieren.“ Ich kann irgendwann trotzdem einschlafen und habe am nächsten Morgen den Großteil meiner nächtlichen Konversation mit mir selbst wieder beiseitegeschoben. Aza nicht. Aza bleibt gefangen. Gedanken sind für sie keine Option, sondern Schicksal, erkennt sie in der Geschichte. Sie hat keine andere Wahl, als darüber wieder und wieder nachzudenken.
Es geht weiter
Greens Schreibstil ist sehr ansprechend und man wird nie müde das Buch erneut in die Hand zu nehmen (wenn man es denn weglegen konnte). Besonders interessant ist auch der Mix der Charaktere in der Geschichte. Die eher schweigsame Aza; die aufgedrehte, immer Abenteuersuchende Daisy, die quasi das Gegenteil von ihr ist; der wissbegierige Davis, der mehr Aza ähnelt. Die Beziehung zwischen Aza und Davis rückt ab der Mitte des Buches besonders in den Vordergrund:
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte er. „Ich bin … nicht gut in Small Talk.“
„Sag einfach, was du denkst“, antwortete ich. „Das ist etwas, was ich nie tue.“
Aza schafft es, sich Davis gegenüber mehr zu öffnen, als zuvor einem anderen Menschen. Auch Davis wiederum findet in Aza eine Person, die ihn in der schwierigen Situation mit seinem verschwundenen Vater unterstützt. Aber können sich die beiden wirklich näherkommen?
„Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ schockiert, bewegt und trifft direkt ins Herz. Das Buch hat vor allem eine wichtige Botschaft: Es geht immer weiter. Wenn Aza weitermachen kann, dann können wir auf jeden Fall auch weitermachen: Prüfungen bestehen, Hürden überwinden, Herausforderungen meistern. Man kann der Gedankenspirale vielleicht nicht entkommen, aber sie hindert einen auch nicht daran weiterzumachen. Dieses Buch ist ein ganz besonderer Schatz, der unbedingt gelesen werden sollte, denn John Green schreibt Geschichten mit Hintergrund, die jeden in irgendeiner Weise betreffen.
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