Der Amazonas schien für mich lange Zeit unerreichbar weit weg. Ich hätte nicht gedacht, mir schon so bald den Traum erfüllen zu können, dorthin zu reisen. Doch mit meinen verrückten, spontanen Mitbewohnern landete ich dort, noch bevor ich mir genauere Gedanken gemacht hatte. Uns erwarteten nicht nur viele seltsame Tiere, sondern auch spannende Geschichten und natürlich atemberaubende Landschaften.
Auf zum Amazonas!
Die Nacht vor der Abreise habe ich kaum geschlafen, denn es gibt ein unglaubliches Gewitter, das mehrere Stunden anhält und so laut ist, dass es die ganze Stadt wachhält. Ich merke schon bald, dass ich zu wenige warme Sachen eingepackt habe. Der Flughafen in Barranquilla ist natürlich total heruntergekühlt und in Bogotá erwarten uns furchtbare 14 Grad – einfach mal die Temperatur in Barranquilla halbiert. Nach sechs Stunden Aufenthalt geht es dann los nach Leticia. Wir landen kurz vor Sonnenuntergang. Das ist einer dieser Orte, bei denen man schon vor dem Aussteigen weiß, dass er etwas ganz besonderes ist, es riecht nach Abenteuer.
Der Flughafen ist winzig, wir laufen über das Rollfeld hin zu dem unscheinbaren Gebäude. Uns erwartet zum Glück wieder das gewohnte Klima über 30 Grad. Juan Carlos, der Besitzer unseres Hotels, holt uns mit einem Motorrad und einem Motocarro (auch TucTuc genannt) ab. Leticia ist die größte Stadt weit und breit, aber da alles sehr klein und einfach gehalten ist, erscheint es ehr wie ein graues Dorf. Die Stimmung ist sehr friedlich und entspannt. Wir spazieren einmal rüber nach Tagatinga in Brasilien und fühlen uns ziemlich cool dabei. Außerdem entdecken wir ein sehr wackeliges System aus Holzstegen, das verschiedene Häuser verbindet.
Drei Tage auf, im und um den Amazonas
Wir machen uns schon am nächsten Tag auf eine dreitägige Dschungeltour mit Juan Carlos. Mit einem Schnellboot geht es nach Benjamin in Brasilien, wo uns ein Jeep abholt und in das Landesinnere bringt. Dort wandern wir ein Stück in den Dschungel hinein. An einem Holzunterstand schlagen wir unser Lager für die Nacht auf. Wir haben unsere eigenen Hängematten dabei, die wir zwischen den Bäumen aufhängen – zum Glück mit absolut notwendigem Moskitonetz. Danach „spazieren“ wir durch den matschigen Urwald hin zu einem riesigen Baum, der vor einer Woche umgefallen ist und ein bisschen an Avatar erinnert. Der Wald ist beeindruckend, tausende unterschiedliche Geräusche kommen von allen Seiten. Zurück am Camp trinken wir Caipirinha, erzählen Geschichten und warten auf einen Führer, der uns zu einer Nachtwanderung abholen soll.
Ein Junge bricht aus seiner Welt aus und schafft sich eine ganz neue Zukunft
Juan Carlos erzählt uns seine beeindruckende und schockierende Geschichte davon, wie er nach Leticia kam. Er kommt aus einem kleinen Dorf im Departamento Arauca im Norden Kolumbiens, wo die Guerillatruppen sehr großen Einfluss haben und das Leben der Bewohner kontrollierten. Beispielsweise erzählt er einem langhaarigen Schweden, der auch dabei ist, dass sie ihn zwingen würden, seine Haare zu schneiden und andernfalls gewaltsam vertreiben würden. Auch wurden oft die Hände der Kinder kontrolliert. Damals wusste Juan Carlos nicht, was das bedeutete – heute weiß er wieso: So kann kontrolliert werden, ob man bereits mit Gewehren gekämpft hat, da von den Schüssen scheinbar Spuren in den Händen überbleiben. Fast alle Kinder des Dorfes haben sich der Guerilla angeschlossen, weil sie einfach keine andere Perspektive hatten, sagt er. Außerdem berichtete Juan Carlos, dass er als Jugendlicher überhaupt nicht wusste, dass man studieren kann.
Sein großer Bruder wagte dann den großen Schritt und brach aus dieser kleinen eigenen Welt aus. Er zog nach Pamplona und studierte Englisch. Juan Carlos besuchte ihn und lernte eine für ihn komplett neue Welt kennen. Schließlich folgte er den Fußstapfen seines Bruders. Er hatte im ganzen Land kein richtiges Zuhause. Auf Reisen kam er dann nach Letitia.
Leticia ist anders als der Rest Kolumbiens. Hier sind alle Menschen gleich. Arme und Reiche, Touristen und Einheimische. Man behandelt sich gegenseitig mit Respekt und begegnet sich auf einer Ebene. Ganz anders habe ich das in Barranquilla erlebt, wo man als Ausländer immer angestarrt wird, einem hinterhergerufen wird und wo man oft auch privilegiert behandelt wird.
Nachdem er sein Studium beendet hatte zog er dann hier her und verliebte sich in seine heutige Frau Gloria. Heute arbeitet er als Englischlehrer und hat gleichzeitig ein schnuckeliges Gästehaus, in dem sich jeder wie zu Hause fühlt. Eine beeindruckende Geschichte von einem Mann, der sein Schicksal in die Hand genommen und sein Leben von Grund auf verändert hat.
Nachtwanderung mit vielen ekligen Tieren
Endlich kommt der Führer, ein junger, gutaussehender Brasilianer. Bereits 20 Meter vom Camp entfernt entdecken wir eine gefährliche Giftschlange. Ab diesem Zeitpunkt hat meine Freundin Natalia Angst – sie würde jedoch noch drei Stunden überstehen müssen.
Etwas beunruhigend ist, dass wir drei Mal umkehren müssen, weil sich der Führer verlaufen hat. Und es gibt so viele eklige Insekten. Da ich eine Stirnlampe habe, fliegen mir die ganze Zeit riesige Insekten ins Gesicht. Ich entdecke mein Talent für das Entdecken abscheulicher Tiere. So fanden wir Skorpione, einen Kaiman, Frösche, Blutegel, und vor allem: Spinnen. Riesige, furchtbare Spinnen. Zum Glück wusste ich das nicht vorher! Aber es ist wirklich faszinierend.
Isla de los Micos – die Affeninsel
Am nächsten Tag gibt es unter anderem fette Raupen zum Frühstück. Ein weiteres Mal bin ich sehr froh, Vegetarierin zu sein und eine gute Ausrede zu haben.
Danach brechen wir zu einer Affeninsel auf. Wir fahren in einem Peque-Peque, einem kleinen Motorboot, über einen Seitenarm des Amazonas, den Río Yavarí. Die Fahrt ist spektakulär, ab und zu tauchen winzige Dörfer am Flussufer auf, Holzhütten auf Stelzen. Ein riesiges Krokodil schwimmt an uns vorbei und schließlich sehen wir die rosafarbenen Amazonasdelfine. Atemberaubend, das war schon immer mein Traum! Wir halten an einem Strand an und baden nur 15 Meter von ihnen entfernt.
Irgendwann erreichen wir die Affeninsel und sind ganz bezaubert von diesem unglaublichen Ort. Wir wandern zu einem peruanischen Dorf mit ungefähr 30 Einwohnern, in dem einige zahme Wildtiere leben, vor allem Affen. Sofort stürzen sie sich auf uns und wir sind hin und weg. Die Zeit vergeht viel zu schnell: Wir spielen mit den Affen, streicheln eine Anakonda, sehen ein Manatí (ein riesiges Säugetier, das im Amazonas lebt und ein bisschen an ein Walross erinnert) und ein komisches Urzeittier, was an eine Schildkröte erinnert. Serviert wird Pirarucu (in Deutschland Arapaima), einer der größten Süßwasserfische der Welt, der über zwei Meter groß werden kann. Auch den dritten Tag verbringen wir mit den Äffchen und schwimmend mit den Amazonasdelfinen.
Puerto Nariño, ein Öko-Indianerdorf mitten im Nirgendwo
Am Tag darauf geht es los nach Puerto Nariño, das ist ein ökologisches Indianerdorf am Amazonas. Die einzigen Fahrzeuge die es hier gibt sind der Krankenwagen und der Mülllaster, nicht mal Fahrräder sehen wir. Das Dorf ist bunt und sehr süß, die Hitze ist sehr drückend. In unserem Hostel gibt es wieder zahme Äffchen und Aras, wobei einer davon ganz schön frauenfeindlich ist und mich immer attackieren will, wenn ich vorbeilaufe.
Ein Indianerjunge bringt uns zu einer Maloca, einer alten Indianerhütte. Dort erzählt uns eine abuela, eine Großmutter vom Stamm der Tikuna, die Geschichte vom ai-cha-cha Tiger, der Kinder frisst. Die Erfahrung war sehr interessant, aber natürlich nicht zu hundert Prozent authentisch, da diese Geschichtenerzählungen nur für Touristen arrangiert werden. Seit dieser Hütte sollten uns für den Rest der Zeit zwei verrückte und sehr nervige Hunde folgen. Ich liebe Hunde über alles, aber diese beiden waren wirklich unmöglich. Sie bellten alle Menschen an, die uns entgegenkamen und griffen sogar mehrere Männer an und bissen sie. Auch folgten sie uns in Restaurants, wo sie sich mit anderen Hunden anlegten und anschließend rausgeworfen wurden. Es war uns schon richtig peinlich. Wir nannten sie dann Sucio (dreckig) und Loco (verrückt), zwei sehr passende Namen wie ich finde.
Nach einem katastrophalen Versuch Kanu zu fahren machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg in ein Künstlerdorf namens Veinte de Julio. Zwar konnten wir dort keine Kunstgegenstände finden wie geplant, aber der Weg war spektakulär und der Sonnenuntergang unbeschreiblich.
Am Tag darauf reisten wir zurück nach Letitia und machten Zip-Lining. Es war unglaublich cool! Wir mussten uns erst 30 Meter an einem senkrechten Seil hinaufziehen und zwischen den Baumkronen herumklettern, um uns dann fallen zu lassen. Es hat richtig Spaß gemacht.
Dann schliefen wir in einem wunderschönen Hostel mitten im Wald und schwammen in einem kalten Fluss, in dem es Kaimane gab. Es war der perfekte Abschluss der spektakulärsten Reise, die ich je gemacht habe.
Launa
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