Wilde Affen, ein Waldbrand, Geschichten von verschwundenen Kindern und ein altes Indianerdorf – mein erster Ausflug in Kolumbien war ein kleines Abenteuer für sich. Der Nationalpark Tayrona besticht mit seiner atemberaubenden Schönheit und weitreichenden Vielfalt. Jeder, der einmal dort war, kommt eines Tages wieder zurück.
Aufbruch nach Santa Marta
„Wann fahren wir los?“, fragen wir einen Mitfahrer. „Ahorita“, antwortet dieser – das heißt eigentlich jetzt, oder in Kolumbien eher gleich, was alles zwischen fünf Minuten und zwei Stunden sein kann. Wir sitzen im eisgekühlten Bus nach Santa Marta und warten darauf, dass wir endlich losfahren. Die Klimaanlage tropft auf mein Bein. Eben haben sich ungefähr zehn Busfahrer darum gestritten, bei wem wir mitfahren und uns dabei fast auseinandergerissen. Nach ungefähr einer Stunde – ahorita eben – setzt sich der Bus dann endlich in Bewegung. Es ist puente, also ein langes Wochenende, das wir nutzen, um mal die Gegend, um Barranquilla zu erkunden. Ich bin unterwegs mit Arturo aus Mexiko und Mathis aus Deutschland.
Taganga – muss man das gesehen haben?
Zuerst spazieren wir durch die semicharmante Kolonialstadt Santa Marta, die keinen von uns so richtig umhaut. Wir fahren schnell weiter Richtung Taganga. Das ist ein kleines Fischerdorf in der Nähe, das früher mal ein Geheimtipp für alle Kolumbienreisenden war und von Hippies erobert wurde. Dort soll uns das Paradies schlechthin erwarten, wir sind also gespannt. Tatsächlich liegt Taganga sehr malerisch an einer türkisblauen Bucht, die sich an trockene Berghänge schmiegt. Wenn man die kleinen Fischerboote betrachtet, könnte man meinen, die Zeit stünde hier still. Allerdings nur von weitem, denn Taganga scheint einiges von seinem Charme verloren haben. Das Dorf an sich ist winzig, aber touristisch vollkommen erschlossen und überbevölkert von Tauschschulen, Hostels und Touristen.
Natürlich verschlafen wir entgegen unserer Planung den Sonnenaufgang und brechen nach einem Vormittag an einem nahegelegenen Strand (ein Fisch hat mich angegriffen, echt! Immer wieder ist er gegen mich geschwommen, mit Absicht. Komisches Phänomen…) in Richtung des Nationalparks Tayrona auf.
Leider müssen wir nochmal über Santa Marta, wo wir ein paar andere Internationals der Uniatlántico treffen: Daniel aus Ecuador, Lorena aus Brasilien und Andrea aus Mexiko. Es ist unfassbar heiß, Städtetrips bei diesem Klima sind wirklich nicht sehr angenehm. Als wir endlich in Tayrona ankommen, ist es schon relativ spät. Die Sonne geht hier schon gegen sechs Uhr unter. Bei der obligatorischen Einführung wird davor gewarnt, nach fünf Uhr abends noch im kolumbianischen Dschungel unterwegs zu sein, da Tiger (ja, die gibt es dort!) und andere gefährliche Tiere dann aktiver sind. Es ist genau fünf Uhr, als wir endlich durch die Eingangspforte treten.
Feuriger Start in Tayrona
Wir „mussten“ dann natürlich die erste Etappe reiten – ein wunderbarer Anfang! Der Besitzer der Pferde trieb die Tiere aber in einem Tempo an, das keine Fotos zuließ. Wir traben und galoppieren durch den Urwald, was echt Spaß macht, aber auch ein bisschen gefährlich war bei den engen, steinigen Wegen. Dass Lorena Angst hat und die ganze Zeit „Langsamer!“ schreit, interessiert ihn nicht.
In Arrecifes, wo wir unsere zweite Nacht verbringen, schlafe ich dann zum ersten Mal in einer Hängematte – super cool! Der günstige Preis ist wohl durch das „Bad“ begründet, welches Duschvorhänge an Bäumen sind, hinter die ich auf den Rat der Jungs gar nicht erst schaue.
Plötzlich erleuchtet sich der Himmel und Knallgeräusche durch die Abendluft. Mittlerweile ist es dunkel. Und, oh mein Gott, ein riesiges Feuer ist ganz in unserer Nähe ausgebrochen! Wir müssen auf dem Campingplatz bleiben und es beobachten, um im Ernstfall schnell wegzurennen. Wir finden heraus, dass die Küche einer benachbarten Hütte brennt und verschiedene Gascontainer explodieren. Im Laufe des Abends brennt das Feuer zum Glück herunter und wir können entspannt in den Hängematten schaukeln und „La Bicicleta“ von Shakira und Carlos Vives singen, was irgendwie zu unserem Lied geworden ist. Das Video wurde in Barranquilla gedreht und wird dementsprechend gehyped.
Am nächsten Morgen geht es zu Fuß los durch den Urwald. Schon bald erreichen wir den schönsten Strand, den ich je gesehen habe. Dort frühstücken wir unser ekliges Brot (natürlich gibt es hier kein gutes. Das hier schmeckt wie Zopf mit Käse) und springen in das kristallklare Wasser. Der Weg geht weiter durch Palmenwälder und an Traumstränden vorbei.
Nachmittags machen wir uns auf nach Pueblito, ein altes Dorf der Tayrona-Indianer in den Bergen. Ich habe noch nie in meinem Leben so sehr geschwitzt! Es ist so heiß und steil wir müssen die ganze Zeit über Felsen klettern. Pueblito ist sehr klein und es leben nur wenige Familien dort. Es war aber beeindruckend zu sehen, wie einfach die Gemeinschaft der Tayrona lebt.
Hängematten direkt am Strand – Die Playa Brava
Da wir vor Einbruch der Dunkelheit ankommen müssen, können wir uns nur eine kleine Pause gönnen. Die Hälfte von uns ist erschöpft und schlägt den Weg zum Ausgang des Parks ein. Mathis, Arturo und ich wandern weiter zur Playa Brava. Dort erwartete uns ein faszinierend wilder Strand. Während der sehr dringenden Dusche in einer nach oben offenen Hütte werde ich von Fledermäusen umkreist. Im selben Bad sollte ich später am Abend eine sehr persönliche Begegnung mit einer Kakerlake haben. Das Foto davon erspare ich euch lieber.
Nachdem wir es endlich geschafft haben, den wunderschönen Sonnenaufgang am Strand zu beobachten, geht für uns schon der Rückweg los. Wir haben nur zwei Liter Wasser dabei, da an der Playa Brava der Vorrat ausgegangen ist – und haben eine lange Wanderung vor uns. Im Wald entdecke ich Titi-Affen, die vom Aussterben bedroht sind. Eine Weile beobachteten wir uns gegenseitig, sie waren genauso neugierig wie ich.
Leben im Urwald – allein zu zweit
Irgendwann treffen wir auf einen kleinen Stand mitten im Urwald. Ein älteres Pärchen lebt hier in der Einsamkeit. Sie haben eigene Hühner und einen Blumengarten in der Wildnis angepflanzt. Eine Weile unterhalten wir uns mit ihnen. Sie erzählten uns Geschichten vom Leben im Urwald, zum Beispiel, dass vor kurzem ein achtjähriges Mädchen 18 Tage lang im Dschungel verschwunden war. Sie wurde zum Glück wieder gefunden, aber wie sie es geschafft hat, so lange alleine dort zu überleben, ist mir ein Rätsel (falls das nicht nur ein Mythos ist).
Auf der letzten Etappe lernen wir einen Anwalt kennen, der ebenfalls Richtung Ausgang wandert. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Arbeit mit der Entschädigung der Opfer des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien – ein sehr präsentes Thema hier. Irgendwann schaffen wir es bis zur Straße und müssen nur noch das Bus-Chaos in Barranquilla überstehen. Einmal müssen wir über eine Autobahn rennen, um den passenden Bus zu erwischen. Doch auch das hat alles geklappt und wir kommen am Montagabend todmüde, aber glücklich zu Hause an. Das war ganz sicher nicht mein letzter Besuch in Tayrona!
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