Das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ stellt seinen weltweiten Bericht zur Lage der Religionsfreiheit vor. Die Lage ist ernst: Beinahe 5,2 Milliarden Menschen leben in Staaten, die die Religionsfreiheit nicht ausreichend achten.
Am vergangenen Donnerstag stellte das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ in Deutschland seinen neuen Bericht “Religionsfreiheit weltweit 2021“ vor. Der Bericht untersucht die Lage der Religionsfreiheit auf der ganzen Welt, in 196 Ländern. 30 Experten und Journalisten haben ihn erstellt. Mit seinem Bericht will das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ Verstöße gegen die Religionsfreiheit dokumentieren. Gleichzeitig sollen aber auch Verbesserungen dargestellt werden. „Religionsfreiheit ist ein verbrieftes Menschenrecht. Dennoch werden Millionen Menschen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt“, sagt Florian Ripka, Geschäftsführer von „Kirche in Not“. „Am meisten leiden die Christen.“ Gleichzeitig würden Religionen für Friedensprozesse immer wichtiger. Sie würden damit, so Ripka weiter, auch zum Aufbau einer friedlichen Gesellschaft beitragen.
Anstieg dschihadistischer Gruppen
Der Bericht kommt zum Ergebnis: In 62 der 196 Länder wurde das Grundrecht der Religionsfreiheit zwischen 2018 und 2020 nicht respektiert – in diesen Staaten leben beinahe 5,2 Milliarden Menschen. Auf einer Pressekonferenz sagte der Beauftragte der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU): „Die Entwicklung ist negativ; die Bedrohungen nehmen weltweit zu. Immer mehr Regierungen legen Gläubigen Einschränkungen auf, immer mehr Menschen erleiden Verfolgung und gesellschaftliche Feindseligkeit aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung.“
Besonders litten unter Verfolgungen Christen, aber auch die muslimischen Uiguren. Dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ zufolge nehmen in Afrika dschihadistische Gruppierungen zu, in 42 Prozent der afrikanischen Länder komme es zu Verstößen gegen die Religionsfreiheit. „Wir müssen aufschreien, wenn das Menschenrecht auf Religionsfreiheit verletzt wird“, sagte Markus Grübel.
„Menschen müssen mit ihrem Leben bezahlen“
Regina Lynch, Direktorin der Projektabteilung von „Kirche in Not“, berichtet von Anschlägen dschihadistischer Gruppen. „Jeder, egal ob Muslim oder Christ, der die Ideologie der Dschihadisten nicht akzeptiert, wird dafür bestraft. Die Menschen müssen mit ihrem Leben bezahlen, sind grausamen Formen der Folter ausgesetzt und müssen mit ansehen, wie ihre Häuser und Ernten zerstört werden“, sagt Lynch. In Afrika unterstützt das Hilfswerk „Kirche in Not“ Menschen mit Nothilfe und psychologischer Betreuung. In Nigeria, wo die Terrorgruppe Boko Haram aktiv ist, unterstützt „Kirche in Not“ mit seinen Projekten vor allem Witwen.
Bedrohung durch künstliche Intelligenz
Der Bericht zur Religionsfreiheit stellt dabei auch neue Tendenzen fest. Einige Nationen, allen voran China, nutzen mittlerweile künstliche Intelligenz, um die Bevölkerung zu kontrollieren und zu diskriminieren. Zugleich ist neben autoritären Regimen und islamistischen Gruppierungen auch religiöser Nationalismus ein Faktor für Verfolgungen. Dies zeige sich gerade in asiatischen Ländern mit hinduistischer und buddhistischer Bevölkerung.
Der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, äußerte sich bei der Vorstellung des Berichts: „Religionsfreiheit und Menschenwürde sind Geschwister. Sie sind untrennbar miteinander verbunden – nicht nur durch ihre Bedeutung als elementares Menschenrecht, sondern auch durch die Verletzungen, denen sie gleichermaßen ausgesetzt sind. Ohne Religionsfreiheit kann eine wahrhaft offene und plurale Gesellschaft nicht existieren.“
„Menschenrechtsverletzungen mit Ausmaß eines Völkermordes“
Der Bericht zur Lage der Religionsfreiheit erscheint in diesem Jahr zum 15. Mal. Seit 1999 gibt „Kirche in Not“ den Bericht heraus. Einer der Autoren in diesem Jahr ist Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bielefeldt war zuvor von 2010 bis 2016 Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit beim UN-Menschenrechtsrat.
Verfolgung beträfe vor allem religiöse und ethnische Minderheiten, erklärte Bielefeldt gegenüber „Kirche in Not“: „Wir haben Menschenrechtsverletzungen mit Ausmaßen eines Völkermordes erlebt – zum Beispiel in der chinesischen Provinz Xinjiang. Hundertausende Uiguren werden dort, Berichten zufolge, in Internierungslager gesteckt. Wir haben auch ethnische Säuberungen registriert, etwa als die Rohingya in Myanmar aus ihrem eigenen Land vertrieben wurden“, so Professor Bielefeldt.
Quelle der Hoffnung
Der Wissenschaftler erklärte zudem, der Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ sei ein Hoffnungszeichen für viele Menschen: „Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, ist, an einem Ort festgehalten zu werden, wo er oder sie denkt: ,Niemand wird jemals erfahren, was mit mir passiert ist. Ich bin vergessen.‘ Insofern ist der Bericht über Religionsfreiheit weltweit eine Quelle der Hoffnung für viele Menschen.“
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