Thomas Hitzlsperger hatte viel Pech: Zweimal riss er sich den Außenminiskus. Mittlerweile hat er sich von seinem Verein VfL Wolfsburg getrennt und seine Karriere beendet. Unsere Autorin Linda Kleine-Nathland sprach mit dem einstigen Bundesligameister und Star der Weltmeisterschaft 2006 über eine unglückliche Saison, eine langwierige Reha und die guten Seiten einer Verletzung.
Herr Hitzlsperger, Sie hatten wegen einer Verletzung die Karriere beenden müssen. Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Warum das so kam, weiß ich nicht. Ich bin eigentlich wegen einer Muskelverletzung zum Arzt gegangen und war sehr überrascht, dass der Außenminiskus wieder an derselben Stelle gerissen ist. Ich hatte zwar noch ab und zu Probleme am Knie, aber ich dachte, es sei normal, dass man nach so einer Operation noch Beschwerden hat. Der Arzt hat mir gesagt, dass der Miniskus wieder gerissen ist, und dass es wohl nichts mehr wird. Da war ich natürlich sehr niedergeschlagen.
Was ging in Ihnen vor, als der Arzt die Diagnose gestellt hat?
Meine Gedanken waren erst einmal ziemlich praktisch: Muss ich noch mal zu einem anderen Arzt, eine zweite Meinung einholen? Muss ich mich sofort operieren lassen? Wenn ich mich dafür entscheide, wie lange dauert die Reha? Kann ich vielleicht doch noch einmal spielen? Das war nicht ganz ohne, mir ging viel durch den Kopf. Es war zwar keine neue Situation, doch es ist immer wieder bitter, wenn man von seiner Diagnose erfährt – besonders, wenn man nicht damit gerechnet hat.
Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Ich habe nicht direkt an Rücktritt gedacht, Verletzungen gehören nun mal zum Berufsrisiko dazu. Doch es kam sehr viel zusammen. In der Summe hat mich das schon nachdenklich gestimmt, weil ich nicht wusste, was ich noch tun muss, um mal längere Zeit gesund zu bleiben. Ich habe mir viele Gedanken über die richtige Therapie und die richtige Trainingsmethode gemacht und doch kommt es wieder zu Verletzungen. Da habe ich viel überlegt: „Wie soll das noch weitergehen? Was muss ich tun oder muss ich erst einmal gar nichts machen?“ Gedanken an einen Rücktritt kommen ja sowieso, wenn man älter als 30 ist und das bin ich jetzt. Einerseits möchte man so lange spielen wie möglich, andererseits muss man die Zeit nach der Karriere planen – das Ende kann schließlich früher kommen, als man denkt.
Sie haben beide Seiten der Medaille erlebt: Im Rampenlicht zu stehen, wie bei der WM 2006 und dann wieder Rückschläge zu erleiden, wie gerade jetzt bei einer Verletzung. Haben Sie es erlebt, dass Freunde kommen und gehen?
Das stelle ich bei mir nicht so fest. So verhalten sich vielleicht die Leute, die professionell damit zu tun haben, sprich Leute, die damit Geld verdienen, Spieler zu vermarkten. Ich merke, dass das Interesse an meiner Person nachgelassen hat. Früher kannte ich viele von diesen Leuten, heute sind sie weg. Das belastete mich allerdings überhaupt nicht. Mit den Menschen, mit denen ich vor zehn Jahren zu tun hatte, das sind Freunde, die heute auch noch da sind.
Welche Vorteile hat das Leben „abseits des Rampenlichts“?
Es hat natürlich seine gute Seite, auch mal aus dem Rampenlicht heraus zu kommen und nicht ständig reisen zu müssen. Das Reisen hat zwar auch Spaß gemacht, es ist aber auch schön, länger an einem Ort zu sein, eine bestimmte Routine zu haben. Der Mediendruck ist selbst gewählt. Wenn ich zurückgehe, weiß ich, dass auch dieser Druck wieder zurückkommt. Man nimmt eine kleine Auszeit von alledem, das kann auch mal ganz gut sein. Doch ehrlich gesagt, ist es mir lieber, den Mediendruck zu haben und gesund zu sein, als den Druck nicht zu haben und verletzt zu sein.
Was finden Sie an anderen Menschen bewundernswert?
Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen es schaffen, lange Zeit auf einem hohen Niveau zu arbeiten. Sei es im Fußball regelmäßig zu spielen oder in anderen Bereichen eine hohe Qualität abzuliefern. Man sollte nicht der Versuchung unterliegen, sich selbst so gut zu finden, dass man aufhört, das zu tun, was einen gut gemacht hat. Vor allem finde ich es gut, wenn Menschen das tun, worauf sie Lust haben, wenn sie ihre Leidenschaft finden, egal, ob sie damit viel Geld verdienen oder nicht.
Das heißt also, sie spielen Fußball, weil es Ihnen Spaß macht und nicht des Geldes wegen?
Wir haben ja darüber gesprochen, was ich bei anderen Menschen gut finde. Sagen wir mal so: Wenn ich ein Angebot von einem Klub bekomme, das hoch dotiert ist, dann gibt es auch andere Interessenten, sodass sich die Angebote finanziell gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. Man kann selten sagen: „Da gehe ich nur des Geldes wegen hin.“ Es kann schon sein, dass man sich für eine bestimmte Stadt entscheidet und sagt: „Da möchte ich lieber leben.“
Vielen Dank für dieses Interview, Thomas Hitzlsperger.
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