Eine Volkspartei, drei Kandidaten, 400.000 Mitglieder – Wie soll die Erneuerung der CDU personell und inhaltlich aussehen? Ein Kommentar.
Die Würfel sind gefallen, der Souverän hat entschieden: Der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland soll nach dem Wählerwillen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz werden. Doch mit dieser Bundestagwahl haben die Deutschen auch einen Prozess in der CDU angestoßen, der so einmalig in der Geschichte dieser Partei ist.
Kurz nach dem Wahlsonntag, welcher gerne mal zurecht als „großer Tag für die Demokratie“ bezeichnet wird, merkte man deutlich, wie eiskalt und rücksichtslos die Realpolitik ist: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet tritt samt gesamtem CDU-Bundesvorstand zurück.
Der freie Fall des Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und Chefs der größten deutschen Volkspartei zu einem Bundestagsabgeordneten ist dramatisch, aber im Ergebnis konsequent und logisch. Der CDU steht damit binnen weniger Jahre bereits die dritte Wahl eines Parteivorsitzenden vor. Sie wagt sich nun, ihr Oberhaupt erstmalig per Mitgliederentscheid zu wählen, was letztlich nur des schwachen Bundestagswahlergebnisses wegen möglich geworden ist. Die Karten werden neu gemischt. Drei Kandidaten wollen das Ruder übernehmen. Doch welcher Kandidat steht wirklich für eine Erneuerung einer Partei, welche schon lange nur noch auf Sicht gefahren ist?
Erneuerung qua Verjüngung?
Bevor es in die Betrachtung einzelner Kandidaturen geht, ist primär überhaupt zu analysieren und zu definieren, inwiefern und wo die CDU eine Erneuerung benötigt. Als ich mit 17 Jahren in die Junge Union, der CDU-Jugendorganisation, beigetreten bin, war ich nach dem ersten Besuch einer reinen CDU-Veranstaltung erstmal etwas irritiert, da ich im Verhältnis zum Rest der Teilnehmenden nicht nur der Jüngste war, sondern auch einer der Wenigen, die zur U-35 Gruppe gehörten. Nach ein paar Jahren bin ich dann schließlich der CDU doch beigetreten. Man möchte ja auch etwas Konkretes auf politischer Ebene bewirken.
Doch das Problem bleibt: Die CDU hat wenig junge Leute, das Durchschnittsalter ist im Vergleich zu anderen politischen Parteien hoch und man hat immer noch das Gefühl, dass man sich – salopp gesagt – in einer Seniorenresidenz aufhält. Für mich ist das jetzt kein großes Problem, auch wenn ich mich damit ehrlicherweise nicht immer wohlfühle. Aus Sicht eines durchschnittlichen potentiellen Neumitgliedes ist dies jedoch abschreckend. Die CDU muss die jungen Leute erreichen. Dafür brauchen wir junge, moderne und dynamische Vertreter, welche das Aushängeschild der Partei sein sollten. Die junge Generation sollte mehr Verantwortung bekommen. Sie sollte, bei allem Respekt, nicht ständig gegenüber Mitgliedern weichen, die schon über Jahrzehnte hinweg Verantwortung übernehmen.
Erneuerung qua Öffnung?
Desweiteren hat man es als Quereinsteiger in einer Partei sehr schwer. Die sogenannte „Ochsentour“, also der Gang durch die verschiedenen Gremien und Ebenen, ist immer noch obligatorisch. Wer jedoch im mittleren Alter ist, hoch und exzellent qualifiziert ist und dazu noch Berufserfahrung in der freien Wirtschaft mitbringt, hat es deutlich schwerer als einer seines gleichen, der schon in seinen jungen Jahren etwaige Posten bekleidet und vielleicht schon im örtlichen Gemeinderat gesessen hat. Das Problem ist, dass die CDU und generell die Parteien zu viele Berufspolitiker haben. Man sollte Quereinsteigern und vor allem jungen Parteimitgliedern nach einem Leistungsprinzip die Möglichkeit geben, sich entwickeln zu können und auch mehr Verantwortung auf diese übertragen, welche ihrer Leistungen und Verdienste würdig ist.
Für viele Menschen erübrigt sich genau aus solchen Gründen überhaupt ein Eintritt in eine Partei, da die Gestaltungsmöglichkeiten, also genau genommen die Übernahme von Ämtern in den Parteigremien, oft bereits in Hinterzimmern durch irgendwelche „Lokal-Granden“ oder „Patriarchen“ nicht gerade neutral und oft ohne Berücksichtigung von Leistungen, Errungenschaften und sonstigen herausragenenden Qualifikationen, sondern durch die Dauer und Art der Bekanntschaft vergeben wird. Der Parteitag segnet dann die Liste ab. Demokratisch gewählt ist diese – das steht außer Frage! Ob sie aber wirklich demokratisch entworfen ist und vor allem zu hundert Prozent der Mehrung des Erfolges der Partei dient, bleibt zweifelhaft. Bei der Kommunalwahl 2020 in Köln haben wir in unserem Stadtbezirk, jungen Quereinsteigern, welche bestens mit der örtlichen Gesellschaft verbunden sind und einiges an beruflicher und dadurch auch menschlicher Erfahrung mitbringen, gute Listenplätze vergeben. Das Ergebnis war ein solider Sieg gegenüber der SPD, welche jahrzehntelang unseren Stadtbezirk bei Wahlen dominiert hatte.
Erneuerung qua Positionierung und direkten Austausch?
Wenn man sich die Positionen der CDU beim letzten „Wahl-O-Maten“ anschaut, dann ist festzustellen, dass bei vielen Fragen die Partei keine konkrete Position hat. Dies fällt zum einen der Rolle als „Partei der Mitte“ zu. Zum anderen ist diese Politik auf die Ära Merkel zurückzuführen, welche sich irgendwann letztlich zu einer reinen Verwaltungspolitik gewandelt hat. Kann eine politische Partei ohne konkrete Positionen überleben? Die CDU braucht eine inhaltliche und personelle Neuorientierung auf Basis ihrer bereits bestehenden Werte. Es reicht nicht aus, Veranstaltungen zum netten Umtrunk und informellen Austausch zu organisieren. Es bedarf eines intellektuellen Diskurses mit Beteiligung aller Mitglieder für ein neues Grundsatzprogramm.
Das Letzte ist schließlich aus dem Jahr 2007. Damals haben wir noch MP3-Player benutzt, das Smartphone hatte da erst seine Geburtsstunde. Mehr noch: In den vergangenen Jahren hat sich so viel verändert, dass eine Aufzählung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. Natürlich kann man entgegenhalten, dass in Zeiten der Globalisierung und komplexer politischer Sachverhalte, ein Schwarz-Weiß-Denken nicht mehr möglich ist. Allerdings kann und sollte man zumindest mehr Position als Partei beziehen. Man muss auch das Risiko auf sich nehmen, dass die Idee nicht bei allen Teilen der Bevölkerung gut ankommt. Jedoch muss eine Partei auch ihre Werte und Mitglieder widerspiegeln. Interessen müssen bei einer Volkspartei selbstverständlich gebündelt und Kompromisse ausgehandelt werden. Daraus müssen im Ergebnis aber auch klare Positionen fruchten.
Was meinst Du dazu? Und: Wie geht es weiter mit der CDU? Der 2. Teil erscheint in wenigen Tagen.
Ekaterina
Vielen Dank für diesen spannenden, informativen, aufschlussreichen und ideenvollen Artikel! Ich bin schon sehr auf den Teil II gespannt!
Hannes Rolfs
Alea iacta est! Friedrich Merz wird neuer Vorsitzender der CDU. In der Mitgliederbefragung hat man sich für ihn entschieden. Die formelle Wahl steht noch aus, doch eine Bestätigung gilt als sicher. Damit hat die CDU nun einen Mann an ihrer Spitze, der stramm auf die 70 zugeht. Von Verjüngung keine Spur. Für Kopfschütteln sorgt bis heute seine Reaktion auf das Outing Klaus Wowereits: “Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal!” Und vor gut einem Jahr verknüpfte er in der Frage, ob für ihn die sexuelle Orientierung des Bundeskanzlers eine Rolle spiele, Homosexualität mit Kindesmissbrauch. Merz selbst hält seine Aussagen für unglücklich. Das glaube ich ihm sogar. Er ist unfähig sich zeitgemäß auszudrücken. Seine Reaktion auf den ausländerfeindlichen Anschlag von Hanau im letzten Jahr, war die Foderung, Clan-Kriminalität und illegale Einwanderung zu bekämpfen und die Grenzen zu schützen. Damit spielte er rechtsextreme Gewalttaten herunter und sah sie als Folge von misslungener Migrationspolitik. Schließlich äußerte er sich zur Hochwasserkatastrophe 2021 wie folgt: “Überflutungen wird es immer wieder geben, selbst wenn man sofort die kompletten Vorstellungen von Fridays for Future übernehmen würde.” Ohne Worte… CDU, quo vadis? Womöglich in die falscheste der möglichen Richtungen.