Nach fünf Monaten wird Bilanz gezogen. Wie hat unsere Autorin Costa Rica erlebt und welche Erfahrungen im Freiwilligendienst gemacht? Ein großes Dankeschön und eine kleine Liebeserklärung an Puerto Viejo.
Im Paradies fällt es so leicht, die Zeit zu vergessen. Ein Tag beginnt wie jeder andere: Das Hollandrad, von allen hier Bananabike genannt, klappert über die Straße. Morgensonne bricht sich zwischen den Zweigen. Der Atlantik schäumt die ersten Wellen des Tages auf. Hinter einer kleinen Holztür liegt die Auffangstation. Ich betrete die Krankenstation, schaue nach den Tieren, lasse die Vögel heraus. Wenn man mit Tieren arbeitet, kommt nie Langeweile auf. So fiel es mir nicht schwer, mich in der Karibik einzuleben, und nach fünf Monaten bin ich dort wirklich zuhause. Die Tiere erkennen mich. Mein Vermieter beginnt, mich zum Mobiliar zu zählen. Die Kassiererin im Supermarkt kennt meine Einkäufe besser als ich selbst und nimmt meinen Eiskonsum nur noch mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis. Ich bin jetzt ein Teil von Puerto Viejo, gehöre zur Szenerie genauso dazu wie die Obstverkäuferin hinter ihrem Berg von Mangos. Ein wunderbares Gefühl. Wer sich nicht in diesen bunten Ort verliebt, hat wohl keine Empfindsamkeit für Magie.
Anders heißt nicht schlechter
Ich bin als Volunteer in Puerto Viejo. Über Freiwilligendienste wie meinen hört man viele Geschichten, verständlicherweise nicht nur positive. Wer sich auf eine fremde Kultur einlässt, hadert unter Umständen mit dieser und hat Probleme, sie mit der eigenen Persönlichkeit zu vereinbaren. Mitunter fällt es schwer, andere Wertvorstellungen zu respektieren. Probleme kann es auch mit der Projektarbeit an sich geben: Die Vermittlung von Auslandsaufenthalten ist ein Markt geworden. Daher braucht es Zeit, ein Projekt zu finden, bei dem man auch tatsächlich helfen kann, statt teuren Arbeitsurlaub zu buchen. Berichte von ehemaligen Freiwilligen helfen hier weiter. Als Freiwilliger erhofft man sich positive Erlebnisse. Die hat man am ehesten, wenn man bei sich selbst, der eigenen Toleranz und den Erwartungen nachjustiert. Anders heißt nicht schlechter. Freiwilligenarbeit bedeutet Arbeit. Nicht jeder Tag liefert instagram-taugliche Fotos. Der Rest fügt sich schon. Auslandsaufenthalte sind eben immer auch Abenteuer, nicht alles lässt sich planen. Zum Glück!
Wissen, worauf man sich einlässt
Mit Costa Rica und mir hat es einfach gepasst. Ich bin ein Naturkind und deshalb haben mich das Leben im Dschungel und die Arbeit mit Wildtieren ungemein bereichert. Dieses Land präsentiert sich in einer Schönheit, die mir mehr als einmal die Tränen in die Augen getrieben hat und der enge Kontakt mit den Tieren bringt faszinierende Momente mit sich. Aber man muss wissen, worauf man sich einlässt. Leben im Dschungel bedeutet nicht nur eine malerische Aussicht, sondern auch: Beschwerlichkeit dank ungepflasterter Straße. Insekten. Stromausfall. Und Arbeit mit Tieren heißt nicht unbedingt Schmuserei, sondern Schweiß und Tierausscheidungen in allen Variationen. Auch Trauer gehört dazu. Wir sind keine Helden, das habe ich schon in meinem ersten Bericht aus Puerto Viejo geschrieben. Soll heißen: Nicht jedem Tier kann man helfen, und wer den Gedanken an Blut und Tod nicht ertragen kann, ist in der Krankenstation nicht gut aufgehoben. Nur schöne Erlebnisse, das gibt es noch nicht mal im Film. Auf der anderen Seite sollte man sich auch fragen: Werde ich stärker, wenn ich stets den einfachen Weg gehe? Wenn ich mir nicht die Hände schmutzig mache? Mich nicht für Fremdes öffne? Warum bin ich dann überhaupt ins Ausland gegangen?
Enttäuschungen und Stoßseufzer gehören dazu. Verwirrungen und Hilflosigkeit gehören dazu. Damit muss man rechnen. Womit man aber vor Abflug nicht rechnen kann, ist die Tragweite der unbezahlbaren Erlebnisse in der Fremde. Einer Fremde, die zur zweiten Heimat wird. Ich habe mein Verhältnis zur Natur und meinen Platz in der Welt so gründlich überdacht wie noch nie. Ich durfte inspirierende Menschen treffen, die diesen Text nicht verstehen werden, aber hoffentlich trotzdem wissen, wie wichtig sie für mich sind. Ich habe so viel Neues erlebt, gelernt, gesehen, gegessen und geliebt. Ich habe so viel Bestätigung erfahren und gleichzeitig mindestens doppelt so viele Ansichten revidiert.
Und nun wache ich wieder in meinem Bett in Deutschland auf. Wo ist das halbe Jahr geblieben? Alles nur geträumt? Manchmal könnte ich fast glauben, es wäre so. Aber da sind ja noch die Bikiniabdrücke auf der Haut. Fotos von meinen Schützlingen. Neue Telefonnummern in meinen Kontakten. Das ist alles so passiert. Die magischen Augenblicke ebenso wie die frustrierenden Situationen.
Traut Euch, eine neue Perspektive einzunehmen. Traut Euch was zu. Es gibt so viel zu entdecken.
Gracias por todo, Costa Rica. ¡Nos vemos pronto!
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