Wir Menschen reinigen unsere Psyche nicht gerne – zumindest nicht zu häufig. Lieber durchhalten, bis es gar nicht mehr geht! Aber was bedeutet es denn überhaupt, die Psyche zu reinigen und vor allem, warum soll das so wichtig sein?
Fitnessstudio oder Psychologe?
Den Gang ins Fitnessstudio haben vermutlich viele von uns schonmal getätigt. Vielleicht auch mit Stolz verbunden. Für unsere körperliche Gesundheit zu sorgen, Sport zu treiben, gesunde, vegetarische oder vegan Ernährung – das ist heutzutage „in“. Aber wie sieht es denn aus, wenn wir zum Thema mentale Gesundheit kommen? Wer erzählt schon stolz davon, beim Psychologen gewesen zu sein? Wahrscheinlich kaum jemand. Das Thema mentale Gesundheit rückt durchaus in den letzen Jahren mehr und mehr in den Fokus. Immer mehr Menschen setzen sich aktiv mit sich selbst auseinander und versuchen, auch für ihre geistige Gesundheit zu sorgen. Eine gewisse Stigmatisierung und die Verbindung mit dem Krankheitsbegriff sind vielerorts aber immer noch vorhanden. Aber treiben wir nicht im besten Falle bereits Sport, bevor wir körperlich krank sind? Sollten wir dann nicht auch unsere mentale Gesundheit frühzeitig pflegen?
Warum Psychohygiene?
Wir alle können davon profitieren, regelmäßig „Psychohygiene“ betreiben und unsere Psyche pflegen und gesund zu halten. Und zwar vor allem bevor wir „psychisch krank“ werden – um eben genau dem vorzubeugen. Warum? Das ist eigentlich ganz einfach zu verstehen.
Täglich kommen äußere Reize in Form von mehr oder weniger starken Belastungen auf uns zu. Wir stehen vor Herausforderungen auf der Arbeit, wir kommen nach einem langen Tag nach Hause und müssen noch den Haushalt schmeißen. Wir geraten in einen Streit mit unserem Partner oder einer Freundin, oder eine wichtige Entscheidung steht an. All solche Belastungen sind an sich erst einmal nicht schlimm, oder zumindest nicht direkt bedrohlich für unsere Gesundheit. Sammeln sich diese Belastungen aber über einen längeren Zeitraum an, kann das durchaus langfristige negative Folgen mit sich bringen.
Gut vergleichen lässt sich dies mit dreckigem Geschirr. Was ist schlimmer? Das an einem Tag angesammelte Geschirr direkt zu abwaschen oder einen ganzen Stapel nach einer Woche? Vermutlich letzteres. Und ist es dann nicht sogar aufwendiger, als wenn wir das Geschirr sofort abwaschen? Wenn der Dreck erst einmal so richtig fest klebt, ist er gar nicht mehr so leicht abzubekommen. So ähnlich ist es auch mit unseren Belastungen. Je länger wir sie bestehen lassen, desto bedrohlicher werden sie. Und genau das tun wir häufig. Wir machen erst einmal immer weiter und weiter, anstatt uns zwischendrin Pausen zu gönnen, zu regenerieren und gut für uns zu sorgen.
Wann säubern wir unsere Psyche?
Der typische Deutsche tut das gerne im Urlaub. Und wird dann genau zu diesem Zeitpunkt krank. Endlich kommen wir runter, die Belastungen fallen von uns ab, wir kommen zur Ruhe. Doch wenn der Körper uns dies mit einer Erkrankung rückmeldet, heißt das eigentlich, dass es bereits zu spät war.
Es ist nie zu früh!
Woher weiß ich denn, wann ich für meine Psyche sorgen sollte? Ganz einfach. Ein zu früh gibt es nicht. Du kannst sofort anfangen. Und zu kannst jeden Tag etwas für deine mentale Gesundheit zu tun und deine Psyche zu reinigen. Und wie, dafür möchte ich dir gerne ein paar Anreize mit auf den Weg geben.
Achtsamkeit als Basis
Überlege einmal: Wer sind die drei wichtigsten Personen in deinem Leben?
Und? Hast du jemanden aus der Familie gewählt, Freunde, deinen Partner oder Partnerin? Hast du vielleicht auch dich selbst genannt? Denn das ist der entscheidende Punkt. Um für uns sorgen zu können, müssen wir uns selbst als wichtig erachten. Selbstachtsamkeit bietet daher die Basis für Psychohygiene. Wir müssen bewusst beobachten, was unsere persönlichen Belastungsfaktoren sind und wie wir damit umgehen. So können wir auch lernen wahrzunehmen, wann wir eine Pause brauchen und wie die Erholung aussehen kann, sodass sie zu uns passt. Denn jeder Mensch ist individuell. Nicht für jeden Menschen ist der gleiche äußere Reiz gleich belastend. Wichtig zu erkennen ist, dass wir selber dazu beitragen, was uns wie stark belastet. Und zwar damit, welche Bedeutung wir den Dingen zuweisen, wie wir sie wahrnehmen und interpretieren. Und auch beim Thema Erholung gibt es nicht das eine Rezept.
Psychohygiene auf zwei Ebenen
Psychohygiene können wir grundsätzlich auf zwei Ebenen betreiben. Zum Einen können wir lernen, mit potentiellen Belastungen gesund umzugehen und es so „gar nicht erst so dreckig“ werden zu lassen. Zum Anderen können wir uns bewusst und regelmäßig von den Belastungen erholen, also „regelmäßig sauber machen“. Denn natürlich lässt es sich nicht ganz vermeiden, Belastungen zu erleben.
Gesunder Umgang mit potentiellen Belastungen:
1. Persönliche Bewertungen hinterfragen
Stell dir vor, deine Nachbarin begegnet dir und grüßt dich nicht. Was denkst du dann darüber? Der eine mag denken: „Sie ist vermutlich gerade mit sich beschäftigt und hat mich gar nicht wahrgenommen“ Ein anderer denkt möglicherweise: „Das ist aber unhöflich!“ Und der nächste fragt sich vielleicht: „Hat meine Nachbarin etwas gegen mich?“ Je nachdem, wie wir diese Situation bewerten, erleben wir eine weniger oder mehr starke Belastung. Entsprechend unserer Bewertung ärgern wir uns vielleicht über die Situation, sind traurig oder haben Mitgefühl. Unsere Bewertungen sind sehr individuell und hängen unter anderem davon ab, was wir für Erfahrungen in unserem Leben gemacht haben, welche Erwartungen wir haben und welche Überzeugungen und Werte wir entwickelt haben.
Manchmal kann es hilfreich sein, sich bewusst zu machen, dass unser Belastungserleben viel damit zu tun hat, wie wir eine Situation bewerten und welche Bedeutung wir ihr beimessen. Es kann gut tun, die eigenen Bewertungen zu hinterfragen und darüber nachzudenken, ob es nicht auch andere Interpretationen der Situation geben könnte. Nützlich sind hierbei folgende Fragen: Tut mir dieses Denken gut? Erreiche ich damit meine Ziele? Und geht es mir damit so, wie ich es möchte?
2. Bewusste Entscheidungen treffen und Kontrolle übernehmen
Wie häufig sagen wir „Ich muss“. „Ich muss die Wäsche machen“, „Ich muss arbeiten“, vielleicht sogar „Ich muss noch eine Freundin treffen“. Oftmals steckt dahinter ein selbst auferlegtes Müssen. Aber was passiert denn eigentlich, wenn wir das nicht tun? – Vermutlich oft gar nichts allzu Schlimmes. Besser mit potentiellen Belastungen umzugehen kann auch bedeuten, bewusst Entscheidungen zu treffen, mal nein zu sagen und auf Basis von Achtsamkeit herauszufinden, wo die eigenen Grenzen sind. Wir können Kontrolle über unser Leben übernehmen, indem wir aktiv Entscheidungen treffen und zu einem „Ich entschiede mich dafür, weil“ kommen, anstatt im von außen kontrollierten „Ich muss“ zu bleiben.
3. Realistischer Optimismus & Lösungsorientierung
Auch wenn mal etwas schief läuft – und das wird sich sicher nicht vermeiden lassen – was hilft es uns, daran festzuklammern? Meist relativ wenig. Wie oft bleibt man mit seinen Gedanken bei seinen Fehlern, bei den Misserfolgen, bei den Enttäuschungen. Aber verstärkt das eine Belastung nicht nur? Psychohygiene bedeutet auch, eine Belastung zu reinigen, indem wir versuchen, das Positive aus einer Situation zu ziehen, einen Lerneffekt zu finden und vor allem lösungsorientiert zu denken. Das heißt, sich zum Beispiel zu fragen „Was lerne ich daraus?“, „Was kann ich nächstes Mal besser machen?“ Oder auch „Was kann ich jetzt noch tun?“. Denn nur so können wir uns weiterentwickeln. Bleiben wir beim Negativen, bleiben wir in unseren Belastungen hängen.
Von Belastungen erholen:
Wie bereits erwähnt, können wir Belastungen nicht komplett vermeiden. Wir können sie aber regelmäßig „abwaschen“. Zum Beispiel mit folgenden Strategien:
1. Soziale Kontakte pflegen
Soziale Kontakte sind ein wichtiger Schutzfaktor vor Stress. Außerdem können sie uns dabei helfen, uns schneller von Belastungen zu erholen. Manchmal tut es einfach gut, mit einem Freund oder einer Freundin zu sprechen und sich das Problem „von der Seele zu reden“. Du weißt vielleicht selber, wie erleichternd das sein kann. Außerdem geben soziale Bindungen uns Sicherheit. Das Gefühl nicht allein zu sein, und das Gefühl von Stärke, etwas schaffen zu können. Nimm dir daher bewusst Zeit, soziale Kontakte zu pflegen.
2. Bewusst genießen
Irgendetwas Gutes gibt es immer! Wir sehen es nur oft nicht. Psychohygiene bedeutet auch, uns die guten Dinge vor Augen zu führen, auch die kleinen. Ein Spaziergang in der Natur, ein guter Kaffee mit einer Freundin, ein Lachen mit der Familie. Es gibt viele kleine Dinge, die wir in unserem Leben wertschätzen können und die uns dabei helfen, uns von Belastungen zu erholen.
3. Me-Time
Soziale Kontakte sind gut – Zeit für sich aber auch. Wir Menschen brauchen auch manchmal Zeit für uns. Es kann gut tun, mal nein zu sagen und einen Moment ganz für sich zu haben. Für die eigenen Bedürfnisse einzustehen und wertschätzend mit sich selbst umzugehen, ist wichtig. Denn wer soll für dich sorgen, wenn nicht du selbst? Du kennst dich selbst schließlich am besten. Nutze deine Selbstachtsamkeit also auch dafür, wahrzunehmen, wann du vielleicht mal ein paar Minuten für dich brauchst, um dich zu erholen.
4. Bewusst entspannen
Regelmäßig bewusst zu entspannen ist wichtig, vor allem wenn viel los ist. Meist machen wir Pausen eben viel zu spät und erholen uns nicht zeitnah genug von unseren Belastungen. Für kleine Erholungsmomente im Alltag sind zum Beispiel Atemübungen sehr gut geeignet. Indem wir unseren Atem vertiefen und verlängern aktivieren wir in unserem vegetativen Nervensystem den Parasympathikus – das System für Entspannung und Regeneration. So signalisieren wir unserem Körper, dass er runterfahren und sich entspannen darf. Denn eine Balance zwischen Aktivität und Entspannung ist für eine gesunde Psyche sowie einen gesunden Körper unerlässlich. Eine beliebte Atemübung ist die „4-zu-6 Atmung“. Hierbei versuchst du ganz bewusst, deine Ausatmung im Vergleich zur Einatmung zu verlängern.
Mit Atemübungen können wir lernen, uns schnell runterzuregulieren und wieder neue Energie zu tanken, auch in akuten Belastungssituationen. Also – atme lieber einmal kurz durch, bevor du dich aufregst.
Umsetzung im Alltag
Wie schaffst du es, diesen Artikel zu schließen und von nun an mehr für deine gesunde Psyche zu tun? Dafür kommen wir zurück zum Thema Gewohnheiten aufbauen. Versuche deine Psychohygiene in den Alltag zu integrieren, in kleinen, konkreten Schritten. Überlege dir, an welchem Punkt du zuerst ansetzen möchtest und vor allem, wie genau. Knüpfe dieses Vorhaben dann an konkrete Ereignisse an deinem Tag. Im besten Falle an Tätigkeiten, die du so oder so ausübst, wie zum Beispiel das Zähneputzen, das Aufstehen am Morgen etc. Achte auch darauf, nicht sofort zu viel zu wollen, sondern realistisch zu bleiben. Vermutlich wird es dir nicht gelingen, von heute auf morgen täglich eine halbe Stunde zu meditieren. Aber das musst du auch nicht. Fang klein an. Vielleicht mit einer 3-Minuten-Atemübung nach dem Aufstehen. So machst du schnelle Erfolge und das hält deine Motivation aufrecht. Nutze deine Selbstachtsamkeit und schaue, wo du für dich beginnen möchtest.
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg auf deinem Weg zu mehr Sauberkeit!:)
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