Chor – Für jeden etwas anderes
Aus verschiedenen Gemeinden und Kirchen setzen sich die Mitglieder zusammen und kommen teils von weit her, um bei den rund 15 Proben im Jahr dabei zu sein. „Es ist schön, ein Ziel zu haben, auf das man hinarbeitet. Die Auftritte sind uns sehr wichtig“, sagt Julia (41), die schon seit vier Jahren in diesem Chor singt. Sie vergleicht die Gesangsübungen mit Yoga, und tatsächlich erzählen mir viele der Mitglieder, wie entspannend sie das gemeinsame Singen empfinden. „Man kommt immer mit guter Laune aus der Probe. Es ist der optimale Einstieg ins Wochenende!“
„Cantus Firmus“ ist viel mehr als ein Kirchenchor, sondern ein ungezwungenes Aufeinandertreffen von Jung und Alt, Frauen und Männern zwischen 18 und 70 Jahren. Sie alle haben bei den 14-tägigen Proben Spaß am Singen; das kann man spüren. Und trotz der gemeinsamen Freude am Gesang haben die Sänger und Sängerinnen ganz unterschiedliche Gründe, warum sie im Kammerchor aktiv sind. Den Kammerchor zeichnet für Julia vor allem Thomas lockere Art aus. „Ihm fällt immer ein witziger Gag zwischendurch ein und durch seine Art kann er auch junge Leute gut erreichen und begeistern“, sagt sie über Thomas. Ähnlich wie Julia sieht auch Horst viele Vorteile beim regelmäßigen Musizieren. Der 70-Jährige singt schon seit über 60 Jahren in Chören. „Ich singe im Chor, damit es mir hinterher besser geht. Nach der Chorprobe fühle ich mich etwas leichter“, sagt er mit einem Lächeln. Und weiter: „Nachdem Thomas den Kammerchor aufgemacht hat, hat mich die Literatur zudem sehr interessiert!“ Bezüglich des Nachwuchsmangels in klassischen Chören will er vor allem junge Leute motivieren. Sie könnten sich ruhig trauen im Kirchen- oder Kammerchor zu singen. „Denn singen ist eine emotionale Sache!“
„Es ist schön, alle 14 Tage zusammenzukommen, für mich spielt auch der soziale Aspekt eine große Rolle“, sagt Frauke (18), die schon im Kinderchor gesungen hat und fasst zusammen „Für jeden bedeutet Kammerchor etwas anderes!“ Das Schöne am Kammerchor ist dabei, dass der Glaube und die Religion nicht höchste Priorität haben. „Auch Menschen, die nicht sehr gläubig sind, können mitmachen. Wir wollen alle erreichen. Auch jene, die nicht (so oft) in die Kirche gehen“, sagt mir der Chorleiter. Neben dem erfolgreichen Kammerchor hat die Pfarrgemeinde für jede Altersgruppe ein passendes Angebot. So zum Beispiel die „Herz-Jesu-Spatzen“, in der Chöre für Kinder unterschiedlicher Altersgruppen und Jugendliche zusammengefasst sind. Im Pfarrsaal proben darüber hinaus auch die jungen Chöre „Unerhört“ und „Nix Harmonia“ und musikbegeisterte ältere Menschen finden sich im Seniorensingkreis zusammen.
Nachwuchsmangel in Chören?
Bei einem ersten Blick in den Probenraum fällt mir auf: Es sind wesentlich mehr ältere Leute anwesend als jüngere. Zwei Mädchen in meinem Alter sehe ich, und danach herrscht eine große Alterslücke. „Die Klassik interessiert natürlich nicht jeden“, so Frauke. „Aber dafür gibt es ja zum Beispiel Uni-Chöre. Generell sollte mehr gesungen werden!“ Als störend empfindet sie es aber nicht, dass ihre Altersgruppe nicht so stark vertreten ist. Sie komme auch gut mit den etwas älteren aus, erzählt sie mir und für diejenigen, die es peppiger mögen, bieten die Gemeinden auch Chöre mit Band an! Auch die anderen Mitglieder sind mit der Zusammensetzung zufrieden. Denn in Kammerchören singen in der Regel nur sehr versierte Sänger und Sängerinnen mit jahrelanger Übung. Die Teilnehmerzahl beläuft sich meistens auf nicht mehr als 30. „Es ist gut so wie es momentan ist“, sagt der Chorleiter zufrieden.
Mehr als nur Singen
Auch außerhalb der Pfarrsäle wird als Gruppe viel unternommen. „Wir essen auch oft zusammen und haben auch schon eine Fahrt nach Frankreich gemacht“, so Barbara, die seit vier Jahren Chormitglied ist. Und tatsächlich schaffte es das Projekt „Cantus Firmus“, sich auch im französischen Troyes in der Champagne einen Namen zu machen. Denn in der dortigen Kathedrale absolvierten sie einen erfolgreichen Auftritt.
Alle meine Interviewpartner sind ausgesprochen offen und verraten mir, was sie an der Musik und der Gemeinsamkeit bewegt. Schnell wird klar: Jeder kann hier seine ganz persönliche Vorstellung vom Chor ausleben. Während mir die meisten Frauen erzählen, dass die sozialen Kontakte für sie eine große Rolle spielen, gibt Horst ehrlich zu: „Ich komme bloß zum Singen her, mehr ist es für mich nicht, ich kenne auch nicht so viele mit Namen.“ Doch genau das ist es was „Cantus Firmus“ auszeichnet. Niemand muss sich unterhalten und in der Gruppe auffallen, wenn er sich gerade nicht danach fühlt. Aber man kann es. Denn schließlich sind sie alle wegen ihrer Leidenschaft gekommen: Dem Singen.
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