Die Affäre rund um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat gezeigt, wie fest hohe Ämter nach Fehlern in ihrem Sessel sitzen. Die Geschichte hat gezeigt, dass das nicht immer so war. Ein Rückblick.
Es war wohl der vorläufige Höhepunkt im Chemnitz-Theater. Nachdem am 26. August ein Deutscher in Chemnitz erstochen worden war, kam es in der sächsischen Stadt immer wieder zu Demonstrationen, besonders von Rechtsgerichteten und Neonazis. In dieser Folge soll es auch zu Angriffen auf Ausländer gekommen sein, wie auch ein YouTube-Video beweist. Die deutsche Presse sprach hier und da von „Hetzjagden“, woraufhin eine Debatte darüber entbrannte, ob dieses Wort wirklich angebracht sei. Und hier kommt der damalige Verfassungsschutzpräsident Maaßen ins Spiel. Er sagte, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe. Stattdessen hielt er das Video für eine „gezielte Falschinformation […], um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.
Dass es sich bei dieser Aussage aber um völligen Blödsinn handelt, erkannte die Bundesregierung recht schnell. Und so war es an Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles, zu entscheiden, was mit dem Präsidenten zu tun ist, der Berichterstattung der deutschen Presse als „gezielte Falschinformationen“ bezeichnet. Eine GroKo-Krise und etliche Diskussionen später ist Hans-Georg Maaßen neuer designierter beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Eine Beförderung, wenn man so will. Nach so einem Fehler. Natürlich riefen viele Politiker nach einem Rauswurf – eher aber noch nach einem Rücktritt. Doch der Rücktritt scheint in der aktuellen Zeit ein verpöntes Mittel der Gesichtsbewahrung zu sein. Doch das war nicht immer so:
Karl Theodor zu Guttenberg (2011)
Wohl eines der bekanntesten Beispiele der näheren deutschen Geschichte. Der beliebte CSU-Politiker und Bundeswirtschafts- und Bundesverteidigungsminister unter Angela Merkel stolperte im Jahre 2011 über einen Plagiatsvorwurf. Er soll bei seiner Doktorarbeit geschummelt haben. Während er anfangs noch alles dementierte, sah er im Anfang März dann keinen anderen Ausweg, als alle politischen Ämter niederzulegen. Die Universität Bayreuth bestätigte die Vorwürfe des Plagiats später, Guttenberg hat heute keinen Doktortitel mehr und hält sich mittlerweile mit seiner Familie hauptsächlich in den USA auf.
Franz Josef Strauß (1962)
Ein weiteres sehr bekanntes Beispiel aus der nicht-näheren deutschen Geschichte. Im Zuge der „Spiegel-Affäre“ musste der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß zurücktreten. Das Magazin hatte damals kritisch über die Bundeswehr berichtet („Bedingt abwehrbereit“). In der Folge ließ CSU-Politiker Strauß die Redaktionsräume durchsuchen, Chefredakteur Rudolf Augstein kam in Untersuchungs-Haft. Dieses Mal gab es nicht nur Gegenwind aus der Opposition, auch die Öffentlichkeit protestierte gegen das Vorgehen. Und so legte Strauß sein Amt nieder.
Gregor Gysi (2002)
Der damals noch in der Partei des Demokratischen Sozialismus engagierte Rechtsanwalt musste 2002 alle seine Ämter niederlegen. Grund dafür war die „Bonusmeilen-Affäre“. Demnach sollen mehrere Bundestagsabgeordnete ihre im Wahlkampf gesammelten Lufthansa-Bonusmeilen für private Zwecke genutzt haben. Gysi, damals Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen des Landes Berlin, feierte drei Jahre später sein Comeback für Die Linke.
Lothar Spät (1991)
Dem damaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs wurde im Zuge der „Traumschiff-Affäre“ vorgeworfen, Urlaubsreisen von Unternehmern bezahlt bekommen zu haben. So nahm er nach 13 Jahren im Amt seinen Hut.
Zugegeben, das ist nur ein Bruchteil Politiker-Rücktritte. Und doch zeigen sie, welchen anderen Blick wir auf sie haben. Die Niederlegung eines Amts ist ein Fehler-Eingeständnis – ein Stück Menschlichkeit. Diese Menschlichkeit scheint im Fall Maaßen aber nicht vorhanden zu sein. Das Klammern an den Posten des Verfassungsschutzpräsidenten sorgte nicht nur für neue Diskussionen um rechtsextreme Bewegungen in Deutschland, gegen die zu wenig getan wird. Sondern auf für einen großen Streit in der sich ständig streitenden Großen Koalition und eine große Rochade im Bundesinnenministerium. Mit einem Rücktritt hätte vieles davon vermieden werden können. Und so bleibt die (gefühlt erzwungene) Versetzung des Hans-Georg Maaßen der vorläufige Höhepunkt des Chemnitz-Theaters. In einem Stück, dessen Ausgang wir noch nicht kennen.
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