Der Ozean – viele Menschen assoziieren damit Weite, Unendlichkeit und Freiheit. Immer wieder zieht es uns zum Meer, sei es, um die salzige Luft einzuatmen und gleichsam einzutauchen in eine Welt, welche die alltäglichen Probleme angesichts ihrer rauen Schönheit verschwinden lässt; sei es, um die Intensität des Lebens durch die Vielfalt dieses Ökosystems noch intensiver zu spüren. Doch die Weltmeere sind gefährdet. Viele Menschen, die den Ozean ihrer Kindheit mit dem heutigen vergleichen, sind zutiefst geschockt: Das Meer wurde zur größten Müllkippe der Welt.
Alles begann 1945, als der englische Chemiker Victor Yarsley das Plastik erfand. Dieser Meilenstein in der Geschichte der Kunststoffindustrie kann als Beginn einer neuen Ära, dem „Plastikzeitalter“ bezeichnet werden. Im Laufe der Jahre hat sich das praktische, billige und vielfach einsetzbare Material so in unser Leben eingeschlichen, dass wir unsere Gesellschaft heute als „plastikabhängig“ bezeichnen müssen. Allein in den letzten zehn Jahren wurde mehr Plastik produziert als im gesamten vergangenen Jahrhundert. So werden beispielsweise pro Minute weltweit etwa eine Million Plastiktüten verwendet, dabei hat eine Tüte eine durchschnittliche Lebensdauer von 15 Minuten. Dieser enorme Plastikkonsum hat tiefgreifende globale Auswirkungen. Derzeit befinden sich schätzungsweise 142 Millionen Tonnen Müll in den Weltmeeren. Diese Menge entspricht einem Güterzug voll Müll von der Erde bis hin zum Mond und wieder zurück. Dabei hat Plastik mit 90 Prozent den dominanten Anteil. Am häufigsten finden sich Plastikflaschen und -tüten.
Die Reise des Plastikmülls
Solch schockierende Zahlen werfen die Frage auf: Wie gelangt das Plastik ins Meer? Denn dass sich derartige Unmengen an Müll nicht durch wenige Einzelpersonen anhäufen, erklärt sich von selbst. Der Großteil des Mülls, etwa 80 Prozent, kommt vom Festland und gelangt über Flüsse ins Meer. Der Rest stammt von der Schifffahrt, der Fischerei und der Offshore-Industrie. Im Meer angekommen wird der schwimmende Müll von Meeresströmungen fortgetrieben. Weltweit existieren fünf große Strömungskreise, die wirbelartig fließen und in deren Mitte sich die Müllmengen früher oder später ansammeln. Dabei entstehen sogenannte „Müllteppiche“ wie der „Great Pacific Garbage Patch“.
Selbstverständlich resultiert aus diesem Sachverhalt eine ernstzunehmende Problematik: Zum einen besteht eine Gefährdung der maritimen Ökosysteme, denn sessile Tiere wie Algen oder Seepocken setzen sich an schwimmenden Plastikteilen fest und bilden dadurch künstliche Biotope. Aufgrund der Meeresströmungen gelangen diese Arten dann in fremde Ökosysteme und verdrängen eventuell heimische Arten, was enorme Verluste für die Biodiversität haben kann. Zum anderen hat die Tierwelt unter dem Problem der Plastikverschmutzung zu leiden: Entweder durch mechanische Verletzungen, die entstehen, wenn sich die Tiere in Netzen oder Plastikringen verfangen; oder sie verwechseln das Plastik mit Futter. Dies geschieht vor allem bei Seevögeln wie Albatrossen oder Eisturmvögeln sehr oft. Daraufhin verenden die Tiere an Darmverschluss, inneren Blutungen oder trotz eines vollen Magens am Hungertod.
Plastik – harmloser Kunststoff?
Zudem hat das Plastik selbst aufgrund seiner individuellen Eigenschaften ein hohes Gefährdungspotential für die Umwelt. Denn es ist biologisch kaum abbaubar, die Zersetzung dauert mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Durch den Einfluss von Wind, Wellenbewegungen und hauptsächlich von UV-Licht zerfällt jedoch der Großteil bis hin zur Pulverisierung. Aus diesem Grund ist die Mehrheit des Plastikmülls nicht sichtbar, was die Gefahr leider weniger greifbar erscheinen lässt. Das dadurch entstandene Mikroplastik wird von Plankton und anderen Kleinstlebewesen aufgenommen und steigt in der Nahrungskette auf. Somit findet es schlussendlich seinen Weg zum Menschen.
Ein weiterer beängstigender Aspekt ist die Giftablagerung und -entstehung. Plastik absorbiert Dauergifte wie das Insektizid DDT und polychlorierte Biphylene, weshalb es wie ein Transportmittel für chemische Stoffe wirkt. Die Giftstoffkonzentration in Ballungsgebieten von Plastikmüll ist bis zu einer Million mal höher als in anderen Gebieten der Ozeane. Außerdem werden beim Zerfall von Plastik chemische Zusätze frei. So gelangen teilweise krebserregende Styrolmonomere und der höchstgefährliche Stoff Bisphenol A in den Ozean. Durch die Aufnahme des Plastiks gelangen die Giftstoffe in das Gewebe der Tiere und somit wiederum in die Nahrungskette. Viele der Stoffe werden mit Störungen des menschlichen Hormon- und Nervensystems in Verbindung gebracht, die zu Fortpflanzungsstörungen führen können.
Point of (no) return
Dass die Müllsituation in den Weltmeeren also eine eklatante Gefährdung für alles Leben bedeutet, muss als unbestreitbarer Fakt angenommen werden. Doch wie kann einem Problem solchen Ausmaßes Einhalt geboten werden? Tatsache ist, dass die Umweltkatastrophe nicht reversibel ist. Die enormen Massen an Müll können nicht einfach abgeschöpft werden. Somit sind Lösungsansätze, welche die Hauptursachen zu bekämpfen versuchen, weitaus hilfreicher als solche, die lediglich die Folgen eindämmen.
Die Förderung von Forschung und technischen Innovationen wird mit Sicherheit einen Teil dazu beitragen, das Problem der Plastikvermüllung einzudämmen. So wird derzeit weiter an der Herstellung von Bioplastik geforscht, und ein amerikanischer Meeresbiologe meint, Plastik fressende Mikroben entdeckt zu haben.
Ein interessantes Umweltprojekt ist die Initiative „Fishing for litter“, an der auch Deutschland durch den Naturschutzbund beteiligt ist. Hier werden Industriemüllsäcke an Fischer verteilt, damit diese ihren Beifang nicht zurück ins Meer werfen, sondern kostenlos und umweltgerecht entsorgen können. Leider wird noch immer viel Müll illegal im Meer entsorgt. Hier müssen neue Regelungen oder eine konsequentere Durchsetzung bestehender Regelungen erreicht werden. Selbstverständlich sind auch Politik und Industrie gefragt, denn noch immer wird weniger als zehn Prozent allen Plastiks recycelt.
Bewusster Plastikkonsum
Doch am Wichtigsten ist, dass jeder von uns nach dem sogenannten „Know and Care“-Prinzip bei sich selbst anfängt. Wir müssen uns dessen bewusst werden, dass wir nicht alle Schuld auf die Industrie abwälzen können, denn als Verbraucher haben wir selbst eine Teilschuld. Für diese gilt es Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen die Konsequenzen der Meeresvermüllung erkennen – der Ozean ist schließlich unsere Lebensgrundlage. Dabei sollten wir auch an unsere Kinder oder die nachfolgenden Generationen denken. Jeder kann seinen Teil zur Verbesserung der aktuellen Müllsituation in den Weltmeeren beitragen, indem er sein Konsumverhalten steuert und gegebenenfalls reduziert. Besonders wichtig ist es, Plastikartikel zu recyceln und wieder zu verwenden – in unserer Wegwerfgesellschaft gar nicht mal so leicht, denn zwischen einem Drittel und der Hälfte allen Plastiks, das wir verwenden, wird nach einmaligem Gebrauch weggeworfen.
Die Problematik der Ozeanvermüllung ist bereits an einem äußerst kritischen Punkt angelangt. Leider wird sie noch zu selten thematisiert, doch die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit steigt. Die Ressourcenknappheit wird die Wirtschaft zwingen umzudenken, denn ein solch hoher Erdölverbrauch wie bei der Plastikherstellung kann zukünftig nicht mehr verantwortet werden. Das Problem kann nicht vollständig behoben werden, doch es ist noch nicht zu spät, eine globale Katastrophe zu verhindern. Die Frage ist bloß, ob die entscheidende Veränderung rechtzeitig eintreten wird.
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